Achse Nr. 265

Seite 29 12/2022 Unser Essen macht uns krank Das muss einfach mal gesagt wer- den: Die Welt ist krank. Es hat noch nie einen so hohen Prozent- satz an chronisch kranken Men- schen gegeben. Und es werden immer mehr. Wie konnte es so weit kommen? Es ist unser Essen Unsere heutige Ernährung tötet mehr Menschen als Zigaret- tenrauch, Bewegungsmangel, Infektionskrankheiten und Ver- kehrsunfälle. Wir essen heute Dinge, die es vor siebzig Jahren noch nicht gab. Wir essen molekular veränderte Produkte vol- ler Chemikalien und Zusatzstoffe, die besorgniserregende Effekte auf unsere Organe, auf die biochemischen Prozesse in unserem Körper und vor allem auf ein bisher stark vernachläs- sigtes Organ - das Mikrobiom im Darm, ausübt. Unser Körper ist ein System. Mit allem, was wir täglich essen, entscheiden wir, ob dieses System reibungslos funktioniert. Ob wir als Mensch gesund sind und bleiben oder krank wer- den. Ernährung ist unsere mächtigste Waffe im Kampf gegen alle chronischen Erkrankungen. Aber unsere Ernährungsentschei- dungen werden täglich manipuliert. Die Zunahme der chroni- schen Erkrankungen in unseren Gesellschaften sind die Beweismittel der schleichenden Machtergreifung der Lebens- mittelindustrien. Diese Industrien haben in den vergangenen sechzig Jahren das Steuer unseres gesamten Lebensmittelsy- stems an sich gerissen und definieren heute wie in Zukunft, was wir täglich auf dem Teller haben. Sie kontrollieren alles. Unsere Kaufentscheidungen im Super- markt. Das Angebot. Die Medien. Politik und Gesetze. Ernäh- rungsrichtlinien. Wissenschaftliche Studien. Ackerland. Art und Anbau von Lebensmitteln. Logistik. Produktion. Behör- den. Und die WHO. Die Kontrolle der Lebensmittelindustrien reicht bis in jeden Winkel der Welt. Wie ist es überhaupt soweit gekommen? Und wieso können wir diese Entwicklung nicht einfach stoppen? Unsere heutige Art der Ernährung macht mehr Menschen krank als Alkohol und Zigaretten. Viele Menschen wissen gar nicht, dass ein Großteil der Lebensmittel, die sie im Supermarkt kaufen, ein Gesundheitsrisiko sein könnte. Ihre Ernährungsgewohnheiten sind für sie derart selbstverständlich, dass sie diesen Zusammenhang gar nicht mehr sehen. An einem Tag, sterben in der Europäischen Union 84 Men- schen bei einem Verkehrsunfall, 90 Menschen an einer Infek- tionskrankheit, 151 Menschen begehen Selbstmord und 3.594 Menschen sterben an ernährungsbedingten Herz-Kreislauf- Erkrankungen. Jedes Jahr sterben 41 Millionen Menschen an den Folgen chronischer Krankheiten, das sind über 70 Prozent aller Todesfälle weltweit. Und die allermeisten dieser Todes- fälle gehen auf das Konto falscher Ernährung. Es ist offensichtlich, dass unser heutiges Lebensmittelsystem nicht die Gesundheit der Menschen zum obersten Ziel hat. Die Prioritäten sind schon lange anders gesetzt: Profit sticht Gesundheit. „Die Welt ist längst kein wettbewerbsfähiger Markt von kleinen Produzenten mehr, sondern ein Oligopol. Was die Menschen essen, wird zunehmend von einigen weni- gen multinationalen Lebensmittelkonzernen bestimmt“, erklärt David Stuckler, Professor für Ernährungsmanagement in England, der die Ursachen von Epidemien erforscht. Unsere heutige Art der Ernährung bringt derzeit mehr Men- schen früher ins Grab als alles andere auf der Welt. Es geht eben nicht nur darum, dass wir zu viel essen oder uns heute deutlich weniger bewegen als noch vor 60 Jahren. Schuld ist vor allem das, was wir essen. Und was wir nicht essen. Es ist die Verlagerung des Schwerpunkts der Zusammensetzung unserer täglichen Mahlzeiten vom Natürlichen zum Unnatür- lichen, vom Pflanzlichen zum Tierischen, was unsere heutige Ernährung zum Pulverfass macht. Diese Kombination macht uns krank und die Industrien reich. Chronische Krankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen beginnen unsichtbar für unser Auge auf der molekularen, biochemi- schen Ebene. Sie beginnen viele Jahre, bevor wir die ersten Anzeichen spüren. Das Gute ist, dass wir mit ganz einfachen Mitteln vorbeugen können. Wir können uns jeden Tag erneut für unsere Gesund- heit entscheiden. Die Länder können der bedenklichen Ent- wicklung nur entgegensteuern und natürliche, frische Lebens- mittel für alle leicht zugänglich und bezahlbar machen, wenn sie weniger abhängig von Importen und großen Lebensmittel- industrien sind. Zahlreiche Wissenschaftler empfehlen des- wegen, regionale und kommunale Strukturen zu stärken und das ganze System zu dezentralisieren. Also den Landwirt um die Ecke stärken. Wer in Zukunft gesund und nachhaltig essen will, könnte anstatt bei Hofer, Edeka und Co häufiger beim nächsten Markt oder direkt beim Bauern einkaufen. Wenn es ihn dann noch gibt. Dabei braucht es gar nicht viel. Forscher einer weltweiten Stu- die haben auf Basis globaler Daten die optimale Menge berechnet, die idealerweise täglich auf dem Speiseplan stehen sollte. Während es für Salz, zuckersüße Getränke und Fleisch Obergrenzen gibt (kann auch gegen Null gehen), kann bei den pflanzlich basierten Lebensmitteln zuschlagen. Mindestens 250 Gramm Obst empfehlen die Wissenschaftler, mindestens 360 Gramm Gemüse, mindestens 60 Gramm Hülsenfrüchte, mindestens 125 Gramm Vollkorn und 21 Gramm Nüsse und Samen. Das sind die wichtigsten Grundnahrungsmittel, die das Fundament jeder täglichen Ernährung bilden sollte. Allein das Darmkrebsrisiko kann bis zu 40 Prozent gesenkt werden, wenn man täglich ausreichend ballaststoffreiche, pflanzliche Lebensmittel isst. Sie sollten weitestgehend erhal- ten und so wenig wie möglich durch industrielle Verfahren denaturiert werden. Je natürlicher desto besser. Nur pflanzen- basierte, vollwertige Nahrungsmittel enthalten Ballaststoffe, die unser Darmmikrobiom auch „essen“ kann. Je stärker zum Beispiel das Getreide verarbeitet wird, angefangen beim vol- len Weizenkorn bis hin zum gemahlenen Weißmehl, desto mehr an Nährstoffen und Ballaststoffen büßt es ein. Je mehr Ballaststoffe ein Mensch isst, desto mehr Stuhlgang in einer guten Konsistenz produziert der Darm, ein Zeichen für die Gesundheit des Darms und des Mikrobioms. Die Seite für die Gesundheit mit Doktor Adelbert Bachlechner Fortsetzung nächste Seite

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