Koflkurier Nr. 51

8 Heimat - Maria Ortner Sept. 2022 Heimat In der Serie „Heimat“ berichten wir über Zugezogene, die in Tristach Heimat gefunden haben. Maria Ortner - „Valtn Moidl“, geb. Hofer, Jahrgang 1931 I ch wurde am 10.1.1931 in Prettau im Ahrntal als drittes von fünf Kindern der Eltern Maria und Gott- fried Hofer geboren. Unsere Familie wohnte im Zuhaus des Hoferhofes, den mein Onkel als Ältester geerbt hatte. Um uns Kindern eine Zukunft als Knecht und Dirn zu er- sparen, plante unser Vater in die Nähe von Bruneck zu ziehen. Dazu kam es dann wegen der politischen Umstände nicht. An meine Kindheit in Prettau habe ich lebhafte, glasklare Erinnerungen. In der Volksschule wurde die ersten zwei Jahre nur Italienisch unterrichtet, das dritte Jahr dann zweisprachig. Bei der „Option“ *) traf unser Vater den bedeutungsschweren Entschluss, auszuwandern. Im November 1941 verließen wir unsere Heimat. Der Haus- rat, Kästen, Truhe und ein Tisch wurden uns später, als wir am Kreithof sesshaft geworden waren, nachgeliefert. Wir fuhren mit dem Zug nach Innsbruck, wo wir für eine Woche im Hotel Westbahn- hof untergebracht waren. Dann wurden wir nach Ebbs weiterverfrachtet. Beim Grafenwirt fanden wir Aufnahme. Vater arbeitete in der Landwirtschaft und die Mutter war „Kindsdirn“. Vater hätte ei- nen verschuldeten Hof pachten können. Das wollte er nicht. Durch Verwandte erfuhr er, dass in Tristach der Kreithof des Herrn Stabin- ger aus Südtirol zu pachten sei. Diese Gelegenheit ergriff unsere Familie. Im Februar 1942 übersiedelten wir auf den Kreithof. Vater übernahm die fünf Rinder, die schon am Hof waren. Das Wasser holten wir beim Trog, Strom gab es auch noch keinen. Im Laufe der Zeit hatten wir den Viehstand auf 25 Stück Rindvieh erweitert (die Kälber mitge- zählt), dazu noch 20 Schafe, Hennen, Hund und Katze. Wir mussten alle am Hof fleißig mit- arbeiten. Die Sensen hatte uns der Vater besonders schneidig gemacht. Das Heu wurde mit zwei Kühen doppelspannig eingebracht. Zum Glück gab es hinter dem Haus einen sehr guten Erdkeller, wo Lebens- mittel lange gelagert werden konnten. Wir hatten die Pflicht, wöchentlich 5-6 Kilo Butter an die Genossenschaft abzuliefern. Oft kamen hungrige Wan- derer vorbei und bettelten um Essen. Magermilch, Brot und Erdäpfel gab es immer. Meine Mutter hat nie Geld dafür genommen. Auch die GESTAPO bettelte verdeckt, um zu kontrollieren, ob illegal Lebensmittel verkauft werden. Wir mussten nach Tristach zur Schule gehen. Wegen des langen Schul- weges durften wir im Winter früher den Unterricht verlassen. Es gab zwei Klas- sen. Herr Oberhuber, Frau Wurzer und Herr Brunnhuber waren unsere Lehrer. Herr Oberhuber war ein guter Leh- rer, wenn es ihm aber zu viel wurde, schimpfte er die frechen Schüler mit: „Verdammtes Gefratze.“ Wenn wir zur Arbeit am Hof ge- braucht wurden, wurden wir ab April bis Anfang Oktober von der Schule befreit. In der Mittagspause mussten wir in der Schule bleiben. Wir bekamen immer die gleiche Jause mit. Die Veidler Gretl, mit der ich befreundet war, brachte mir oft von zu Hause einen warmen Erdäp- fel mit. Gretl war sehr lustig und kam später auch zum Tanzen auf den Kreit- hof. Leider verstarb sie jung. Weil wir den langen Schulweg bei Wind und Wetter gehen mussten, wa- ren wir öfter krank. Einmal hatte ich eine doppelseitige Lungenentzündung. Als Medizin gab es einen Polentawickel und auf die Füße Rübenkraut. Vor Kriegsende mussten wir zwei Rinder abliefern. Mein Vater wollte ein Rind von seinen Tieren und eines vom

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