Die Sonnseiten Nr. 72

41 Die Sonnseiten Nummer 60 - August 2018 4 Chronik Nu mer 72 - September 2022 älteren Brüder im bäuerlichen Alltag mit Freude mithal- fen. So waren wir auch als „Nichtbauern“ bestens mit vielen Arbeitsabläufen auf einem Bauernhof vertraut und Hermann verstand es als Jungbauer hervorragend, uns Kinder nicht nur zu Höchst- leistungen anzuspornen, sondern uns so nebenbei auch umfassendes Wissen zu vermitteln. Wir „Lehrer- kinder“ waren mit Ausdauer und Begeisterung dabei. Wir mussten ja nicht arbeiten, wir durften mithelfen! Und dann gab es auch noch die schönen Sonntagnachmittage in der Sommerzeit mit quasi gratis „musikalischer Früherzie- hung“ für mich. Die musika- lisch begabte Mesnerfamilie musizierte und sang auf der Bank und auf den Stufen vor dem Haus, nebenbei wurde geflickt und gestrickt und die Darbietungen begeisterten auch so manchen Spaziergän- ger, der gerade vorbeikam. Ich durfte von klein auf oft mit dabei sein. Schon vor Eintritt in die Volksschule war ich „sattelfest“ im Singen alter Volkslieder und auch das Stricken beherrschte ich schon ziemlich gut. Klingt alles ziemlich idyl- lisch, oder? Aber für die Eltern gab es zu dieser Zeit zur Bewältigung des Alltags allein im häus- lichen Bereich - (fast) keine technischen Hilfsmittel - keine Zentralheizung - kein Telefon (zumindest in den 50er Jahren) - kein Auto (für den Einkauf); erst Anfang der 60er Jahre kaufte Papa sein erstes Auto. Und wie spielte sich das Schulleben ab? Es gab - vor Eintritt in die Volksschu- le im September, im Frühjahr des laufenden Schuljahres einen Schulreifetest, der im Feuerwehrhaus im ersten Stock stattfand. Das war auch für viele das erste Kennenler- nen der zukünftigen Schulka- meraden; Kindergarten gab es ja keinen. - acht Schulstufen (die Mög- lichkeit, eine 9. Schulstufe zu besuchen, bestand darü- ber hinaus 1x wöchentlich an einem Nachmittag; ge- nannt wurde diese Schulstu- fe „Fortbildungsschule“. Sie wurde auch von Schülern aus der Nachbargemeinde Thurn in Anspruch genommen, vor allem von Schülern, die keine weiterführende Schule besu- chen konnten. - zwei Klassenräume (einer für die 1., 2. und 3. Stufe im 1. Stock des Mesnerhauses - auch „Obere Schule“ - diese Bezeichnung war der geo- graphischen Lage geschul- det - genannt - einer für die 4. bis 8. Schulstufe bzw. für die „Fortbildungsschule“ im ersten Stock des damaligen „unteren“ Schulhauses); - Kachelöfen in den Schulräu- men, die von der Gemeinde zur Pflege der Klassenzim - mer beschäftigten „Aufräu- merin“ jeden Morgen beheizt wurden. „Kohle nachlegen“ mussten die Lehrpersonen selbst. - zwei Lehrpersonen (in mei- ner Volksschulzeit waren das Frau Claudia Lanegger, verh. Oberhofer, und eben mein Papa); dazu kam noch der Herr Pfarrer (Leonhard Wie- demayr und nach dessen Tod Adolf Jeller). - es wurden also die 1. bis 3. Schulstufe in einemRaum un- terrichtet (von der Frau Leh- rerin) und die 4. bis 8. Schul- stufe in einem Raum (vom „Herrn Lehrer“). Es brauchte wohl neben fachlichem Kön- nen auch viel pädagogisches, didaktisches Geschick, um den Schülern im Abteilungs- unterricht (Wechsel zwischen Unterricht und Stillbeschäf- tigung) einerseits Wissen zu vermitteln, sie individuell zu fördern und fordern, sodass alle einen guten Grundstein für die Bewältigung des spä- teren Lebens erhielten. - jeder Schultag begann mit einem Gebet. Zum Unter- richtsende standen die Schü- ler in Zweierreihe vor der Klassenzimmertür, schmet- terten lautstark „Grüß Gott“, stoben aus dem Schultor da- von in die Freiheit und mach- ten sich auf den Heimweg (beinhaltete natürlich so man- che Rauferei, Streiterei etc.). Mein Schulweg war kurz; in der 4. und 5. Schulstufe brauchte ich nicht einmal das Schulhaus verlassen, sondern wechselte lediglich durch die Verbindungstür vom Wohn- trakt in den Schultrakt und umgekehrt. Oft habe ich mei- ne Schulfreundinnen damals um ihren Schulweg beneidet, aber die angenehmen Seiten davon dann auch wieder ge- nossen. - unsere Unterrichtsfächer in den ersten drei Schulstufen waren: Betragen, Fleiß, Re- ligion, Heimatkunde, Deut- sche Unterrichtssprache, Le- sen, Schreiben, Rechnen und Raumlehre, Zeichnen und Handarbeit, Singen, Leibes- übungen. In der 4. Schulstu- fe kam das Fach Naturkunde dazu. Ab der 5. Schulstufe gab es dann keinen Unterricht mehr in Heimatkunde und Naturkunde, anstatt dessen erweiterten sich die zu be- urteilenden Fächer um Erd- kunde, Geschichte, Naturge- schichte und Naturlehre. - in der ersten Schulstufe schrieben wir auf Schiefer- tafeln. Die Erstklassler wur- den daher auch „Tafelklass- ler“ genannt. An der Seite der Tafel baumelten an einer selbst gedrehten Schnur aus bunten Wollfäden ein kleiner Schwamm und ein Tuch - quasi als „Radiergummi“. - Schulbücher gab es weni- ge, Arbeitsbücher keine; gut in Erinnerung geblieben sind mir eigentlich nur das Lese- buch, das Rechenbuch und der Katechismus. Die Bü- cher und die Hefte wurden zu Schulbeginn zu Hause in Packpapier (braun, blau oder weiß) eingebunden, mit Schildern versehen, die wir fein säuberlich beschrifteten: Vor- und Nachname, Unter- richtsfach, Schulstufe, Schul- jahr. Bleistift, Radiergummi, Spitzer, Füllfeder und der Die Altstätter Geschwister mit Nachbarn im Garten: Paul, Heinrich, „Mesner“ Peter (hinten v.l.); Tschurtschenthaler Itta, „Mesner“ Alberta, Rita, Willi, Martin, Hans(i) (vorne v.l.).

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