Die Sonnseiten Nr. 72

40 40 Die Sonnseiten Nummer 60 - August 2018 Chronik i i Nummer 72 - September 22 Ein Rückblick auf eine Kindheit in Gaimberg von der Mitte der 50er-Jahre bis in die frühen 60er-Jahre erzählt von einer Ex-Gaim- bergerin, der „Lehra Rita“, die in dieser Zeit die Volks - schule Grafendorf besuchte und als Tochter des damali- gen Schuldirektors vielleicht auch einen ganz speziellen Einblick in das damalige Schulleben erhalten hat. War früher alles besser? Al- les schlechter? Ist heute alles besser? Alles schlechter? Gleich vorab: Ich möchte in meinem Beitrag nicht bewer- ten (das überlasse ich gerne den Lesern), bestenfalls zum Nachdenken anregen. Ich möchte mit den Erzählungen aus meinen behüteten Kind- heitstagen in der Gemeinde Gaimberg so manche Erinne- rung wecken, vielleicht auch manch einen zum Staunen bringen; zum Staunen dar- über, mit welch geringen/m Mitteln/Aufwand unserer Eltern und Lehrpersonen ge- arbeitet wurde und werden musste, um uns Kinder auf ein selbstständiges Erwachse- nenleben so gut wie möglich vorzubereiten. Mein Papa, Paul Altstätter, übernahm 1954 die Leitung der zweiklassigen Volksschu- le Grafendorf in der Gemein- de Gaimberg. Also übersie- delte ich im Alter von 2 1/2 Jahren mit meinen Eltern, meinen fünf älteren Brüdern und meiner Oma (mütter- licherseits) vom Bergdorf Tessenberg im Pustertal nach Gaimberg. Die Oma, von uns „Mutto“ genannt, dürfte den älteren Gaimbergern noch als das „Nocker Mütterle“ in Erinnerung sein, wie auch deren jüngere Schwester, un- sere Großtante „Tant´Anna“. Diese, pensionierte Pfarrers- köchin in Abfaltersbach, war eine Respektsperson - nicht nur für uns „Lehrerkinder“. Sie half bei uns im Haushalt bei der Bewältigung der vie- len Bügelarbeit. Ein Muss bei ihren Aufenthalten in Gaim- berg war ein Spaziergang zum „Peheim Seppl“ in das Buffet in der Talstation, wo sie eine Tasse Kaffee und die Unterhaltung mit dem Seppl genoss. Ihre „bevorzugte Begleitperson“ bei diesen Ausgängen war mein Bruder Walter, der dann auch meis- tens „reich beschenkt“ - Ba- zooka (Kaugummi) oder die 1 Schilling Bensdorp-Scho- kolade - nach Hause kam. Da wohnten wir - im Schul- haus. Die große Lehrerwohnung lag im zweiten Stock des Schul- hauses (heutiges Gemeinde- amt); im Erdgeschoß gab es eine kleine Wohnung für die Lehrerin (heutiger Kinder- garten). Der Eingang zu die- ser Wohnung befand sich im Keller, wie auch weitere Ne- benräume der großen Lehrer- wohnung (eine Waschküche mit Waschkessel, ein Spei- sekeller und ein Lagerplatz für Kohle und Brennholz). An den „Groß-Wäschetagen“ kamen die „Angerer Emma“ oder die „Mesner Rosl“ und waren tüchtige Hilfskräfte - angesichts der Wäscheberge - waren wir doch 11 Kinder! Zur Lehrerwohnung gehörte auch der große Dachboden, der als Lagerplatz, zum Wä- scheaufhängen und als er- weiterter Spielraum für uns Kinder diente. Zwei weitere Schlafzimmer und ein großer Balkon befanden sich auch dort. Überglücklich waren wir über unseren großen Garten. Das Paradies bestehend aus Obstbäumen (1 Kirschbaum, 4 Apfelbäume, 2 Zwetsch- kenbäume, 1 Ringlotten- baum, 1 Birnbaum, 3 Maril- lenbäume), einem säuberlich angelegten Gemüsegarten (und auch Beerengarten) bot uns nicht nur reichlich Ver- pflegung, sondern auch noch Platz zum Spielen. Vom Gar- ten aus gelangte man über eine eigene Haustür in den Wohntrakt des Schulhauses, über den gesonderten Ein- gang zum „Schultrakt“ (be- stehend aus Vorraum, WC und einem Klassenzimmer) an der Nordseite des Gebäu- des kamen die Schüler zum Unterricht. Vom Stiegenhaus des Wohn- traktes gelangte man durch eine Verbindungstür in den Schultrakt. So sah für mich das Leben abseits der Schule aus. Es gab zu dieser Zeit im Dorf - keinen Kindergarten - keinen öffentlichen Spiel- platz - keinen Sportplatz - keinen Sportverein - keine Musikschule Aber es gab - viel Zeit (und man ließ uns auch viel Zeit!), um kreative Ideen zu entwickeln (mein et- was mehr als ein Jahr älterer Bruder Willi war ein Meister darin); - viel Raum und Platz, um eben diese kreativen Ideen umzusetzen (so diente z. B. der Dachboden zum Turnen und auch für Zirkusvorfüh- rungen mit Publikumseinla- dungen - selbst Pfarrer Jeller ließ sich als Gast sehen); in den umliegenden „Erlenstau- den“ wurden Indianerspiele inszeniert, besonders idyl- lisch war dieser Platz wenn auch die „Holderstauden“ in voller Blüte standen, die noch wenig befahrene Straße, der Kirchplatz, der Fußweg zum Gasthaus „Haidenhof“, die ebene Freifläche unterhalb des Gartens und so manch an- derer, öffentliche Platz wurde für Ballspiele jeglicher Art in Beschlag genommen. Und in den Wintern, die damals noch ziemlich schneereich waren, wurde auf der Straße gero- delt. Alles kein Problem. - den „Mesnerbauer“ als Nachbar, wo ich mit der jüngsten Tochter des Senior- bauern, Alberta, eine Art äl- tere Schwester und Lehrmei- sterin fand und auch meine Das waren noch Zeiten! Die Fotos dürften im Sommer nach unserer Übersiedlung von Tessenberg nach Gaimberg gemacht worden sein. Alt- stätter Geschwister im Garten: Martin, Rita auf dem Schoß von Heinrich, Hans(i), Willi, Paul (v.l.).

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