Fodn Kals Nr. 81

Menschen in Kals am Großglockner Fodn Nr. 81 68 Kalser Gemeindezeitung 69 Trenkwalder Martin Auslandssemester in Helsinki, Finnland Im Zuge meines Bachelorstudiums „Umwelt-, Verfahrens- und Energie- technik“ am Management Center Innsbruck (MCI) hatte ich die Chance, im Herbst 2021 ein Auslandssemester zu absolvieren. Dieses findet immer auf freiwilliger Basis im 5. Semester des Studiums statt. Die Partneruniversitäten des MCI sind auf fast allen Kontinenten verteilt. Dadurch wird ermöglicht, eine Vielzahl an Ländern, Kulturen und Spra- chen kennenzulernen. Für meinen Studiengang gab es im Wintersemester 2021/2022 von den Philippinen bis Kanada ca. 20 Partneruniversitäten zur Auswahl. Mir war bei der Auswahl wichtig, dass im Land gut Englisch gesprochen wird, dass es sehenswerte Städte, Nationalparks und Kultur gibt und dass die Universität interessante Fachrichtungen anbietet. In dieser Reihenfol- ge. Nach langem Liebäugeln mit südostasiatischen Ländern und Mexiko, fasste ich den Entschluss, mich pandemiebedingt auf europäische Länder zu konzentrieren. Auf kurzfristige Grenzschließungen etc. kann man „bei uns“ in Europa schneller und einfacher reagieren, dachte ich mir. Länder wie Tschechien, Deutschland oder Italien waren mir zu nah und in Portugal wurde nur auf Portugiesisch unterrichtet. Mittels Ausschlussverfahren kam ich auf das schöne Land im Nordosten Europas, Finnland. 3 Partneruniversitäten hat das MCI in „Suomi“ (finnischer Name für Finn- land), doch mit „nur“ 5,5 Millionen Einwohnern auf einer Fläche, 4-mal so groß wie Österreich, wollte ich in die Hauptstadt Helsinki, „wo am ehesten was los ist“. Mitte August ging es mit Koffern, vollgepackt für 4 Monate, mit dem Zug nach München, wo ich Andi aus Telfs kennenlernte, der ebenfalls sein Auslandssemester in Helsinki absolvierte. Ich hatte mit ihm zwar zu- vor schon telefonisch Kontakt, da er auch in Innsbruck studiert und die- selbe Unterkunft in Helsinki gebucht hatte, aber bis dahin hatten wir uns noch nie getroffen. Somit kannte ich schon mal jemanden aus der Heimat, Bericht Martin Trenkwalder was viele Unsicherheiten aus der Welt schaffte. Der 2 ½ Stunden lange Flug verlief zum Glück pro- blemlos und wir kamen nach ca. 7 Stunden Reise in unserer Unterkunft, einem Hostel (eine Art Ju- gendherberge) mit Einzelzimmern und Gemein- schaftsküche sowie -bädern etwas außerhalb von Helsinki an. Der erste Eindruck des Hostels war schrecklich! Andi und ich machten niedergeschla- gen unseren ersten Ausflug zum Lidl, um Putzmittel für unsere Zimmer zu kaufen, vorbei an Obdach- losen, die vor und in dem Hostel wohnten. Nach gründlicher, zweistündiger Zimmerreinigung des 10 m² großen Zimmers, richtete ich mir das Zimmer gemütlich ein und verstaute meine Sachen, sodass wieder eine gute Stimmung einkehrte. Das Hostel hatte zum Glück einen Aufenthaltsraum mit Tisch und Sitzgelegenheiten im Keller, wo wir am Abend andere nette Studenten aus den Niederlanden, Deutschland, Malaysien und Österreich kennen- lernten. Dies ließ uns die anfänglichen, schlechten Erfahrungen schon fast wieder vergessen. Anders als in Österreich (Wintersemesterstart im Oktober), fing das Semester in Finnland schon am 19. August an. Die 4-monatige Semesterdauer blieb allerdings erhalten, sodass das Semester kurz vor Weihnachten bereits wieder endete. Die Fächer in der Universität wurden mir vorgegeben, hatten al- lerdings Ähnlichkeiten mit meiner Studienrichtung in Innsbruck. Durch die Kooperation der Universitä- ten wird auch jeder Kurs angerechnet, sodass keine Studienzeit verloren geht. Neben allgemeinen Fä- chern wie Mathematik, wird in Finnland viel Wert auf das selbstständige Arbeiten in Gruppen gelegt. In „Innovation Project“ entwickelten wir zu viert ein Computerprogramm, das den Bau von Windrädern erleichtern soll. In einem anderen Fach verglich ich in einer Gruppe das Müllsystem von Österreich und Finnland im Detail. Die Zeit in der Universität machte vor allem durch das Zusammenarbeiten und den Austausch mit anderen Studenten Spaß. Es entstanden neue Denkweisen, welche beim Lö- sen von Problemen sehr hilfreich waren. Verglichen mit dem Studium in Innsbruck war das gesamte Se- mester allerdings deutlich weniger aufwändig, so- dass zum Glück viel Zeit übrigblieb, das Land und die Kultur zu entdecken. Die „Metropolia University of Applied Sciences” in Myyrmäki liegt ca. 40 min mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von Helsinkis Stadtzentrum ent- fernt, die Unterkunft genau in der Mitte zwischen Stadt und Universität. Das öffentliche Verkehrsnetz ist im Raum Helsinki und Umgebung sehr gut aus- gebaut, sodass es verhältnismäßig wenig Autover- kehr und dadurch so gut wie nie Stau gibt. Helsinki ist erst seit 1812 die Hauptstadt Finnlands und hat deshalb kein Stadtzentrum mit alten Gebäuden. Vielmehr prägen moderne Gebäude das Stadtbild, wie beispielsweise die Bibliothek „Oodi“, welche neben Büchern, Musikinstrumente inkl. Probe- raum, Lernräume, Spieleräume und Geräte wie 3D-Drucker gratis zur Verfügung stellt. Natürlich bot Helsinki auch zum Feiern und Ausgehen trotz Coronaeinschränkungen einiges an. Das Helsinki auch international zum Feiern bekannt ist, wurde mir bewusst, als ich auf der Heimfahrt um 2 Uhr in der Früh im Bus kärntnerisch hörte. „Des gibs hetz nit!“ 3 jungen Leuten aus dem Möll- und Drautal, mit gemeinsamen Bekannten, wurde Helsinki wohl auch empfohlen. Auch erinnere ich mich an eine zufällige Begegnung mit einer bekannten Lienzerin auf einem Schiff von Helsinki nach Stockholm. Er- staunlich wie klein die Welt ist. Das Tages- und Nachtleben wurde uns in den ers- ten Wochen von „Buddies“, finnischen Studieren- den, gezeigt. Jeder Buddy „beaufsichtigte“ 3 bis 4 Auslandsstudenten, sodass es sofort zu neuen Be- kanntschaften kam. Finnen sind tendenziell eher zurückhaltend und wenig kommunikativ, sodass es schwierig war, gute Bekanntschaften zu machen. Jedoch bildete sich über die Wochen in der Unter- kunft unter den Austauschstudenten eine sehr starke Freundesgruppe. Alle Ausflüge (nach Tallinn, Riga, Turku, Stockholm oder auch zu einer Hütte am See irgendwo in der Pampa) unternahm ich mit ihnen, wodurch der Zusammenhalt noch stärker wuchs. Viele Freundschaften bestehen auch ein halbes Jahr später noch und es gab auch schon Treffen mit Einigen in Stuttgart und Innsbruck. Ein Prinzip von Auslandssemestern, der Austausch mit anderen Menschen und Kulturen, wurde richtig ge- lebt und diese Freundesgruppe war auch einer der Hauptgründe, warum ich diese Zeit so sehr genie- ßen konnte. Besonders freute ich mich über den Besuch meiner Freunde aus Osttirol Ende Oktober, denen ich die Stadt und Universität, doch vor allem das für Fin- nen überlebenswichtige Phänomen „Sauna“ zeigen konnte. Die „Sompasauna“ ist eine von Freiwilli- Gruppe von Auslandsstudenten, die alle im selben Hostel wohnten. Mit dabei: der nette, hilfsbereite Hausmeister Renas.

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