Fodn Kals Nr. 81

Bunt gemischt Fodn Nr. 81 108 Kalser Gemeindezeitung 109 politik. verstehen. Demokratie und Repräsentation der Frau: Ein ambivalentes Verhältnis Demokratie ist eine Regierungsform, deren Konzeptualisierung oder Defi- nierung mit Problemen behaftet ist. Robert Dahl sieht die grundsätzlichen Merkmale der Demokratie bei der „Reaktionsfähigkeit der Regierung auf die Präferenzen (=Vorlieben) ihrer Bürger:innen, die als politische Gleichgestellte betrachtet werden.“ Dafür müssen drei Bedingungen für die wahlberechtigte Bevölkerung gelten: (1) Formulierung der Präferenzen, (2) Präferenzen gegen- über den Mitmenschen und der Regierung in Form von individuellem und kollektivem Handeln zum Ausdruck bringen und (3) Gleichgewichtung der Präferenzen seitens der Regierung ungeachtet der Herkunft der Präferenzen. Berücksichtigt man diese Erkenntnisse, muss man sich mit der Stellung und den Partizipationsmöglichkeiten von Frauen, die von jenen der Männer ab- weichen, näher befassen. Frauen sind in Parlamenten und Regierungen grundsätzlich unterrepräsen- tiert, wobei zwei Faktoren die Frauenquote positiv beeinflussen. Der kulturel- le Faktor bedeutet, dass eine gleichberechtigte Gesellschaft sowie die frühe Einführung des Frauenwahlrechts dazu führen, dass mehr Frauen in politi- schen Institutionen, wie Parlamente, Ausschüsse oder Regierungen, vertre- ten sind. In Österreich und Deutschland wurde das Frauenwahlrecht 1918 eingeführt, in der Schweiz erst 1971. Der politische Faktor verdeutlicht die Unterschiede zwischen politischen Systemen, da zum Beispiel in Österreich oder Deutschland (Verhältniswahlsystem) mehr Frauen im Parlament vertre- ten sind, als in England oder Amerika (Mehrheitswahlsystem). Vergleicht man den Anteil der Frauen in nationalen Regierungen und Parlamenten Europas, erkennt man die Auswirkung der beiden Faktoren. Die Frauenquote in Parla- Bericht Stefan Huter Parlamentsdirektion / Peter Korrak Me Too: C AP Demonstrantinnen in Los Angeles, die gegen sexuelle Gewalt auf die Straße gehen ment und Regierung lag im Jahr 2021 in Schweden, Finnland, Norwegen und Island bei 45 Prozent oder höher, wohingegen sie in Zypern, Malta und Ungarn weniger als 15 Prozent betrug. Mit 29,5 Prozent im Jahr 2019 positioniert sich der Frauenanteil Groß- britanniens hinter jenem Schnitt aller Staaten der Europäischen Union, welcher 2019 31,7 Prozent aus- machte. Der kulturelle Faktor zeigt, dass skandinavi- sche Länder, die als progressiv (=fortschrittlich) und emanzipiert (=gleichberechtigt) gelten, eine höhere Anzahl an Frauen in politischen Institutionen vor- weisen. Ungarn hingegen ist von konservativer Poli- tik gekennzeichnet, dies äußert sich in einer niedri- geren Frauenquote. Die politischen Interessen von Frauen werden einer- seits von Männern, andererseits von hoch qualifi- zierten Frauen repräsentiert. Die Konsequenz dar- aus ist, dass große Teile der weiblichen Bevölkerung nicht angemessen vertreten werden. Dies äußert sich unter anderem darin, dass Frauen öfter als Män- ner nicht an Wahlen teilnehmen. Zudem kommt es dazu, dass das Geschlecht mit bestimmten Politik- bereichen in Verbindung gebracht wird. Frauen wer- den mit soft policy areas, wie Pflege oder Erziehung, assoziiert. Die Unterrepräsentation der Frau in Par- lamenten und Regierungen führt dazu, dass frauen- bezogene Interessen vernachlässigt werden. Dieser Umstand wirkt sich negativ auf die Demokratie aus, da Frauen und deren Interessen in der politischen Debatte marginalisiert worden sind und noch wer- den. Die Unterrepräsentation der Frau macht das po- litische System exklusiver, dass bedeutet, dass nicht alle Bevölkerungsschichten die gleiche politische Mitsprache genießen oder andere Bevölkerungs- schichten bevorzugt werden, dies steht im Wider- spruch zur Demokratie. In Westeuropa und den USA hat sich die Repräsenta- tion der Frau in Parlamenten erhöht. 1975 waren zwölf Prozent der Parlamentarier:innen weiblich, 1989 er- reichte man einen Frauenanteil 23 Prozent und im 21. Jahrhundert liegt der Frauenanteil in europäischen Ländern oft über 40 Prozent. Man erkennt, dass sich der Anteil an Frauen in Parlamenten über die Zeit erhöht hat. Neben den offensichtlichen Vorteilen – mehr Frauen engagieren sich politisch und das Sys- tem wird gegenüber Frauen demokratischer – gibt es weitere positive Effekte. Mehr Parlaments- oder Regierungsmitgliederinnen führen dazu, dass die In- teressen von Frauen eher umgesetzt werden. Frauen bilden einen heterogenen (=uneinheitlichen) Teil der Gesellschaft, somit müssen diese unterschiedlichen Interessen vertreten werden. Es geht darum, dass die Vertreterinnen auch im Sinne der zu vertretenden Frauen handeln und Entscheidungen treffen können. Der Einsatz von weiblichen Parlamentarierinnen für deren Anliegen wirkt zudem motivierend für Frauen, sich politisch einzubringen oder politische Karrieren anzustreben. Diese Punkte machen Staaten demo- kratischer und die Politik frauenfreundlicher. Die Unterrepräsentation des weiblichen Geschlechts in Parlamenten und Regierungen hat bei Frauen Poli- tikverdrossenheit hervorgerufen und steht im Wider- spruch zu gängigen Definitionen der Demokratie und dem Prozess der Demokratisierung. Der Einsatz, der Wille und die Partizipation der Frau lohnt sich, da mehr Frauen in diesen Institutionen vertreten sind und sich verstärkt für frauenspezifische Interessen einsetzen. Die heterogenen Interessen von Frauen werden umgesetzt und weibliche Repräsentantinnen motivieren wiederum Frauen, sich politisch einzuset- zen. Dies macht die politische Debatte offener, eman- zipierter, inklusiver und folglich demokratischer. G7 Gipfel: © Leon Neal/Pool/Getty Images Finnische Regierung: © Vesa Moilanen/AFP In Helsinki haben nun politisch vor allem Frauen das Sagen Nur zwei Frauen unter den Staats- und Regierungschef:in- nen der G7-Länder im britischen Cornwall

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