GZ_Oberlienz_2022_05

Oberlienz erlesen 19 Oberlienz Lieber Martin! Wenn ein so leidenschaftlicher Musiker wie du stirbt, dann entsteht eine Stille, die uns das Herz zerreißt. Und so stehen wir heute – in tiefstem Mitgefühl mit deiner Familie – hier vor deinem Sarg und unsere Stimmen bleiben stumm, ohne dich können wir nicht singen. Alles in uns ist tiefe Trauer, Schmerz und unsagbarer Zorn auf das Schicksal, weil die Zeit nun zu Ende gegangen ist, die wir mit dir so eng ver- bunden erleben durften. Es war ein Geschenk des Himmels, als du 1985 als Sänger im Oberlienzer Kirchen- chor begonnen hast - mit einer besonde- ren Stimme, die beim Zuhören „Ganslhaut“ erzeugte. Dein Geschenk an die Pfarrge- meinde und Dorfgemeinschaft war, dass du im Jahr 2000 die Verantwortung für die Leitung übernommen hast. Mit viel Ge- duld, musikalischem Wissen und mensch- lichem Einfühlungsvermögen hast du uns ganz neue Töne entlockt. Sogar in der zuerst für viele ungewohnten englischen Sprache. Beeindruckende Aufführungen waren DEIN Lohn und UNSERE Begeiste- rung. Wir erinnern uns an die „Missa Ka- tharina“, die „Missa Lumen“ oder die Spatzenmesse. Oft wurden wir durch Inst- rumentalensembles beim Singen harmo- nisch begleitet und die Zuhörer konnten ihre Herzen öffnen und gestärkt und be- reichert nach Hause gehen. Aber auch in fröhlichen Runden und Stun- den nach den Proben waren wir so glück- lich. Wunderbare Erinnerungen haben wir an Ausflüge, wie zu den Seefestspielen Bregenz oder zum Musical nach Wien, wo du uns auf der Fahrt in musikalischer Form vom „Ungarnmädel“ erzählt und die wichtigste Botschaft mitgegeben hast: „LASSET UNS DAS LEBEN GENIEßEN“. Auf die gemeinsamen Bergtouren hat uns dein legendärer brauner Koffer begleitet – schwer beladen mit den selbst gestalte- ten Singheften. Mit deinen wunderschönen Weisen – intoniert auf der Basstrompete, hast du uns immer wieder motiviert und zum Ziel gebracht. Für all diese wertvollen Geschenke dan- ken wir auch deiner Monika und den Kin- dern, die dich immer unterstützt haben, obwohl sie oft auf gemeinsame Zeit mit dir verzichten mussten. Denn damit Menschen mit unterschiedlichen Stimmen am Ende gut zusammenklingen, braucht es viel konzentrierte Arbeit, unzählige Stunden der Vorbereitung und Weiterbildung. Nur wenige wissen, wie viel Zeit und Kraft du dafür aufgebracht hast. Wir sind so froh, dass wir dir für deine 20-jährige Chorleitertätigkeit noch das schöne Bild von unserem Sangeskollegen Herbert Gaschnig schenken konnten und auch Dekan Franz Troyer dir dafür noch die Dankesurkunde der Diözese überrei- chen konnte. Das waren Momente, die für immer in unseren Herzen bleiben werden und für die wir unendlich dankbar sind. Doch für eine Weile wird die Dankbarkeit noch schrecklich weh tun, weil sie so eng mit dem Verlust verbunden ist. Natürlich stellen wir uns deine Zukunft voll Musik inmitten von unendlichen Chören des Himmels vor. Noch tröstlicher wäre für uns der Gedanke, dass alle Komponisten, deren Lieder wir gesungen haben, sich nun bei dir für deinen Einsatz bedanken, weil du mit ihrer Musik Menschen glück- lich gemacht hast. Vielleicht entspinnt sich daraus noch eine Diskussion, wo sie sich mehr „piano“ oder „forte“ vorgestellt hät- ten. Martin, unser Chor wird nie mehr so klin- gen wie bisher, weil deine Stimme, Ener- gie und Liebe einzigartig waren. Irgend- wann werden wir die tiefe Wunde, die dein Tod uns zugefügt hat, mit Musik und Liedern zu heilen versuchen. Ganz beson- ders mit einem deiner Lieblingslieder: „Herr, wie du willst – soll mir geschehen“ – auch wenn wir noch lange nicht verste- hen werden, was mit dir geschehen ist. Lieber Martin – wo immer du jetzt auch bist – bitte sing mit uns, damit uns dies gelingt. Das wünschen sich von Herzen DEINE CHOR-LEITLN © Fotos Kirchenchor Oberlienz

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