GZ_Kals_2022_04

Menschen in Kals am Großglockner Fodn Nr. 80 66 Kalser Gemeindezeitung 67 Diese drei Personen treffen in Pradell aufeinander, dadurch wird der Kirchweg kurzweiliger. Ein allge- meines „Grieß enk“ macht die Runde. Carolus: „So viele Leute waren letztes Jahr beim Kreuzgang nach Obermauern (Jcoby 24. Juli). Wie wird es wohl dieses Mal sein? So viel wird gebetet und trotzdem …“ Magdalena: „Bald kommt man mit dem ‚Beten ge- hen‘ nicht mehr zurecht – so viele Unglücke in den Familien. So wie die erst 24 Jahre alte Maria Jagglerin – fällt über die Bretterwand herab. Aufgebahrt ist sie beim ‚Kuenzer unter der Burg‘. Dort war sie Magd. Für Christianus Obermayer war ich zwei Tage vorher im ‚großen Dorf‘ beten. Barbara: „Jemand aus der Familie des Verstorbenen muss in den Fraktionen den Todesfall ‚ansagen‘, das erfolgt ‚zu Fuß‘. Eine Aufgabe. (Die Arbeit am Hof ruht, solange die Leiche im Haus ist.) Begräbnisse, Hochzeiten, Taufen – unser Pfarrer Christoph Grue- ber ist ganz schön gefordert. Christophorus (*1680 +1769), Sohn des Augustinus und der Brigitta Werna- cher, ist im Moment der jüngste Kalser.“ Carolus: „ Nachwuchs ist auch notwendig bei 118 Bauernhöfen in ganz Kals. Leider ist die Kinder- sterblichkeit sehr hoch. Vor einem Monat haben sich Rupertus Schuester und Veronica Payerin das ‚Ja-Wort‘ gegeben. Barba- ra, wann wirst du nach Arnig zum Jaggler heiraten?“ Barbara: „Jetzt ist nicht daran zu denken. Es ist wichtig, meine Familie mit meiner Hilfe zu unter- stützen. Hoffentlich reift der Hafer dieses Jahr gut aus, damit es für die tägliche ‚Gailitze‘ (Grütze aus Mehl und Wasser – ohne Salz und Schmalz) reicht. Viele hungrige Mäuler sind zu verköstigen. Gut ist etwas anderes, aber sehr sättigend. (Kartoffeln gab es zu der Zeit noch nicht.)“ Magdalena: „Letztens musste ich den weiten Weg zum Niederster-Bauern Josephus Santner in ‚Nie- derpeuschlern‘ (Unterpeischlach) gehen. Durch das mildere Klima und die windgeschützte Lage gedei- hen dort Äpfel, Birnen, Zwetschken und sogar Wal- nüsse. Welch ein Unterschied. Sehr abgeschieden ist es hingegen beim Rantschner in ‚Tanischg‘ (Staniska). Casparus und Juliana sind sehr arbeitsam und halten fest zusammen.“ Carolus: „Außerdem stellen die Rantschners beim ‚Khalser Marktl‘ (Viehmarkt im Frühjahr und im Herbst) bestes Vieh zum Verkauf. Seit die Lienzner Viehhändler das Kalser Vieh zu schätzen wissen, geht es aufwärts. Lese- und schreibkundige Bauern gibt es genug, sodass sie sich nicht über den Tisch ziehen lassen müssen. Nicht nur gescheit sind unsere Bauern, sondern auch sauber. Die Badstuben (7 Stück) sind gut besucht.“ Das Ziel – die Kirche – ist erreicht. Ein allgemeines „Pfiat enk“ mit besten Wünschen zugleich. Jeder einzelne unserer Vorfahren hat unter unvor- stellbar fordernden Bedingungen seinen Teil beige- tragen, damit wir den Istzustand so vorfinden, wie wir es gewohnt sind. Das verlangt geschätzte HOCH- ACHTUNG! Etliche gebräuchliche Vornamen von DAMALS Maskulin: Mathäus, Christianus, Josephus, Simonis, Lucas, Joannes, Lamentius, Urbanus, Gregorius, Bla- sius, Philippus, Nicolaus, Dionysius, Petrus, Rupertus, Antonius, Georgius, Jacobus, Albinus, Paulus, Henri- cus, Vincentius, Casparus, Florianus, Martinus, Michaële, Vitus, Ambrosius, Patricus, Leonhardus Feminin: Helena, Catharina, Agatha, Rosina, Gertrudis, Maria, Margaretha, Sabina, Brigitta, Christina, Cune- gundis, Ursula, Juditha, Lucia, Magdalena, Elisabetha, Eva, Martha, Anna, Juliana, Regina, Susanna, Barbara, Agnetis, Victoria, Esther, Petagia, Radegundis, Mia, Melania, Affra, Salome Auf dem Weg zur Kirche Gedanklich begleiten wir am 20. Juli 1680 drei Personen, die nicht frei erfunden – sondern wirklich zu dieser Zeit gelebt haben, auf ihrem Weg zur Kirche. Auch wenn wir das Gefühl haben, dass es zeitlich unheimlich lange zurück liegt, darf man nicht vergessen, dass die Besiedelung des Kalsertales schon ca. 800 Jahre vor der Zeit unseres Einsteigens begonnen hat. 20. Juli 1680 Den Kirchweg beschreiten 3 Protagonisten – So könnte es gewesen sein … Die ledige junge Frau: BARBARA HOLAUSIN, Tochter des Georgius Holaus und der Ursula Hanserin, Oberlesach. * 17.01.1658 – (Bei Frauen wurde der Nachname gegendert!) Der Bauer: CAROLUS GORGASSER (mit 72 Jahren verstorben am 20.03.1698) verehelicht mit CATHERINA WERNACHER (verstorben am 9.10.1704) – Elleparte Die Witwe: MAGDALENA geb. STALLERIN (mit 56 Jahren verstorben am 29.04.1694) verehelicht mit HENRICO ZEINER – Pradell Bericht Monika Rubisoier-Schneider Zeichnung Elisabeth Rubisoier

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