GZ_Tristach_2022_03

März 2022 Nachrufe 19 ist bekannt, dass dieses Lager mehr als menschenverach- tend war. Aber er hatte Glück und kam im April 1945 als Gefangener nach Frankreich in der Nähe von Lyon auf ein Weingut zur Zwangsarbeit. Unter den Gefangen war auch ein Professor Berger aus Wien, der französisch unterrichtete. Thomas erlernte dort die Sprache und konnte seine Franzö- sischkenntnisse in den 80er Jahren bei Besuchen in Frank- reich, wo seine Tochter Hanni lebte, anwenden. Bis dahin blieben der Familie mehr oder weniger diese Kenntnisse ver- borgen. Hanni war erstaunt, dass ihr Vater besser französisch sprach als sie. Das war halt der Thomas: Er hat sich immer im Hintergrund gehalten, zugehört und erst etwas erzählt, wenn man ihn darum gebeten hat. Das Prahlen lag ihm fern. Die Gefangenschaft hatte ihn zum Freund des Feindes ge- macht und hatte seinen Horizont erweitert. Endlich wieder zu- rück in der Heimat, hatte seine Mutter das Defereggental ver- lassen und es wurde ihr vom Amt eine notdürftige Wohnung in Jungbrunn zugeteilt. Der Überlebenskampf ging weiter. Mit rie- sigem Zusammenhalt unter den Geschwistern und viel Bauern- schläue schlug sich die Familie halbwegs durch. Eines Tages sah seine Mutter in der Peggetz einen Bienenschwarm hängen. Thomas bekam den Auftrag, diesen einzufangen, denn so die Mutter: „An Henig kemma a brauchn“. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen, aber die Einsicht, dass man Honig immer brauchen kann, verstand Thomas schon. Der Schwarm wurde vorläufig in einem alten Nachtkästchen einquartiert und mit viel Skepsis beobachtet. Der gute Geruch, das interessante He- rumgefliege und natürlich die erste Honigernte, wo die Waben noch ausgequetscht wurden, ließen Thomas schnell zum be- geisterten Imker werden. Er hatte inzwischen von Hufschmied auf Kunstschlosser umgesattelt. Auch das Tischlern war ihm zur Leidenschaft geworden. Schnell wurden Bienenhütte und Beu- ten gezimmert, und die Imkerei „Thomas Steiner“ war geboren. Den schönen Kreithof hatte die Familie Hofer aus Südtirol nach dem Krieg gepachtet. Es war auch gleich bekannt, dass dort eine sehr fesche 15jährige „Gitsche“, die Angela, den Haushalt für ihren Vater und ihre fünf Geschwister führt, weil deren Mutter sehr kränklich war. Für Thomas war es Liebe auf den ersten Blick. So hartnäckig wie er alle seine Arbeiten be- trieb, war er auch bei der Umwerbung seiner zukünftigen Frau. Täglich nach der Arbeit wanderte er, bewaffnet mit seiner Zi- ther, die 4 km bei jedem Wetter hinauf zum Kreithof um An- gela schließlich nach fast vier Jahren Brautwerbung 1950 zu ehelichen. Thomas zog Mitte der Fünzigerjahre nach Lienz und arbeitete nun als Maschinenschlosser in der Landwirtschaftli- chen Genossenschaft. Angela wurde Schulwartin in der Sonder- schule in Patriasdorf. Die Familie mit inzwischen fünf Kindern lebte im Keller der Schule neben den Kohlen. Auch diese Zeit war noch mit großen Entbehrungen für die Familie verbunden. Als bekannt wurde, dass Pfarrer Sternbach in Tristach günstige Baugründe für junge Familien verkauft, erwarb Tho- mas ein Grundstück. Nun begann der Hausbau. Unter der Mit- hilfe von Schwägern, Geschwistern, Cousins und Onkeln wurde in nur zwei Jahren das Einfamilienhaus in der Sternbachstraße errichtet, alles nach Feierabend und an Wochenenden. Hand- werker gab es ja zum Glück genug in der Familie. Thomas wurde dadurch zum handwerklichen „Allrounder“. Der Einzug in das neue Haus, das heißt in den Rohbau, erfolgte 1963. Es war erst das Erdgeschoß bewohnbar und nicht viel mehr Platz als in der Kellerwohnung, aber dafür war alles neu und luftig. Thomas spielte in einer Volksmusikgruppe Hackbrett, war Gründungsmitglied der Lienzer Schützenkapelle und spielte dort die Tuba, Horn oder Posaune. Später spielte er in der Tris- tacher Musikkapelle die Posaune. Mit seinem damals besten Freund Joseph Oberpichler aus Patriasdorf, der leider schon jung verstorben ist, besuchte er Imkerkurse, machte die Wan- derlehrer- und Gesundheitswartausbildung in Wien und über- nahmdann die Abteilung Bienenzucht der Landwirtschaftlichen Genossenschaft. Er schrieb zwei Jahre lang die Monatsanwei- sungen für die Imkerzeitung in wunderbarem poetischen Stil. Er war ein ganz hervorragender Lehrer und wurde von den Im- kern hochgeschätzt. Jedes Wochenende im Frühling hielt er im großen Bienenhaus am Iselhof in Lienz praktischen Unterricht. Damals hat man noch 50 Stunden gearbeitet, also auch am Samstag bis zu Mittag. Danach ging es samt Musikinstrumen- ten hinauf auf den Berg, um am Sonntag bei einer Bergmesse zu spielen. Davon konnte er abenteuerlichste Geschichten er- zählen. Mit seinem Schwager Albin und Freunden hat er am Laserzkopf ein Kreuz hinaufgeschleppt und aufgestellt. Tho- mas und seine Frau haben lange Zeit jeden Sommer zusätzlich zu ihren fünf Kindern, noch ihre Nichte und ihren Neffen in der Familie aufgenommen, da die Kinder für einen Gastbetrieb auf der Dolomitenhütte noch zu klein waren. Viele Wanderungen auf die Dolomiten- oder Karlsbaderhütte mit dieser Kin- ►

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