GZ_Kals_2021_12

Bunt gemischt Fodn Nr. 79 88 Kalser Gemeindezeitung 89 es zu einem gültigen Misstrauensvotum gegen einen Minister, muss dieser zurücktreten. Zudem muss das Amt zurückgelegt werden, wenn es zu einer recht- lichen Anklage in Form einer Ministerklage, Grund- lage dafür ist ein Rechtsvergehen, kommt. Zweitens bedeutet das Ressortprinzip folgendes, Minister:in- nen besitzen Personalhoheit über ihr Ressort, das bedeutet, dass Minister:innen bestimmen, welche Personen für ihr Ministerium arbeiten. Nicht die Re- gierung als Kollektiv, sondern die einzelnen Minis- ter:innen entscheiden, welche Personen wichtige Posten in den jeweiligen Ressorts erhalten. Welche möglichen Regierungsvarianten gibt es? Die Regierung will gestalten und Ziele aus Wahlverspre- chen umsetzen, dafür werden Gesetze verabschiedet. Wie bereits in der letzten Ausgabe erwähnt, braucht es bei einfachen Bundesgesetzen eine Mehrheit von 50%+1 der Stimmen der Abgeordneten im National- rat, und die meisten Gesetzesvorlagen fußen auf Regierungsvorlagen. Um reibungslos und einfach ge- stalten und verändern zu können, ist demnach eine Mehrheit der Regierungsparteien im Nationalrat sinnvoll. Dies ist einerseits bei Alleinregierung, an- dererseits bei Koalitions- regierung gegeben, eine Alleinregierung besteht aus einer Partei, die auf einer Mehrheit von min- destens 50%+1 der Abge- ordneten zum Nationalrat beruht. Bei Koalitionsre- gierungen unterscheidet man zwischen großen und kleinen Koalitionen, bei großen Koalitionen arbei- ten jene Parteien zusam- men, die bei den letzten Wahlen die meisten Stim- men erreicht haben – z.B. frühere Koalition aus ÖVP und SPÖ. Kleine Koalitionen formieren sich aus der mandatsstärksten Partei und einer kleineren Partei – beispielsweise die aktuelle Regierung der ÖVP und den Grünen. Bevor es zu konkreten Koalitionsver- handlungen zwischen Parteien kommt, führt der Ob- mann bzw. die Obfrau der stimmenstärksten Partei Sondierungsgespräche mit allen Parteien durch. Es werden Ziele, Vorstellungen und Gemeinsamkeiten der Parteien herausgearbeitet, um herauszufinden, welche Parteien für mögliche Regierungsbildungen in Form einer Koalition in Frage kommen. Hat die stimmenstärkste Partei mit einer anderen Partei einen Koalitionsvertrag ausgehandelt, kommt der Bundespräsident ins Spiel. Der Bundespräsident betraut den Parteiobmann oder die Parteiobfrau der stimmenstärksten Partei mit der Bildung einer Re- gierung. Nachher bestellt der Präsident den Kanzler und die vom Kanzler vorgeschlagenen Minister:in- nen ins Amt. Der Bundespräsident ist zudem Ober- befehlshaber des Bundesheeres und wird direkt vom Volk für eine Amtsdauer von sechs Jahren ge- wählt. Der Rollenverzicht ist ein wichtiges Stichwort, der Präsident muss nicht jene Parteivorsitzende mit den meisten Mandaten im Nationalrat mit dem Re- gierungsbildungsauftrag betrauen, jedoch verzich- tet er auf seine Kernkompetenz, der Ernennung des Kanzlers, und beauftragt den Parteivorsitz der stim- menstärksten Partei mit der Regierungsbildung. Der Präsident beachtet somit bewusst die Mehrheitsver- hältnisse, um für politische Stabilität (z.B. Misstrau- ensvoten verhindern) zu sorgen. Die Sonderfälle der Jahre 1945, 1970, 2000 und 2019. 1945 wurde Dr. Karl Renner (SPÖ) vom Nationalrat, nicht vom Volk, zum ersten Bundespräsidenten der zweiten Republik gewählt. Weiters gab es 1945 zuerst eine provisorische Staatsregierung und von 1945 bis 1947 eine Regierung aus allen Parlamentsparteien (SPÖ, ÖVP und KPÖ), hierbei spricht man von einer Konzentrationsregierung. 1970 bis 1971 ging die SPÖ als stimmenstärkste Partei nach den Nationalrats- wahlen hervor und bildete eine Minderheitsregie- rung unter Duldung der freiheitlichen Partei, Min- derheitsregierung bedeu- tet, dass die Regierung im Nationalrat weniger als 50% der Mandate hält (Beginn Ära Kreisky). 2000 beauftragte der damali- ge Präsident Klestil den Klubobmann der SPÖ mit der Regierungsbildung, jedoch scheiterten die Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP, mit der FPÖ konnte die SPÖ aus ideo- logischen Gründen nicht koalieren. Im weiteren Verlauf kristallisierte sich eine Zusammenarbeit der ÖVP mit der FPÖ heraus, dafür gab es keinen Auftrag vom Präsidenten, dennoch sah sich Klestil aus Alter- nativlosigkeit gezwungen, die ÖVP-FPÖ-Regierung anzugeloben. Klestil lehnte zwei Minister ab und mit dem fehlenden Auftrag zur Bildung einer Regierung drückte der damalige Präsident seine Distanz zu ei- ner Regierung mit einer Partei rechts der politischen Mitte aus. 2019 lobte der Bundespräsident Van der Bellen die erste Expertenregierung sowie die erste Bundeskanzlerin, Brigitte Bierlein, der Republik Ös- terreich an, dies geschah als Konsequenz der Ibiza- Affäre und dem Scheitern der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Kurz und Strache. In der nächsten Ausgabe von politik. verstehen. geht es um zwei Politgrößen, die die österreichische Poli- tik prägten, Bruno Kreisky und Jörg Haider. BKA/Christopher Dunker politik. verstehen. Österreich ist eine Republik, das bedeutet, dass die Staatsaufgaben auf mehrere Organe aufgeteilt sind, demnach gibt es in Österreich das Bundes- präsidentenamt und das Bundeskanzleramt. Das Gegenstück zur Republik bildet die Monarchie, hierbei liegt die Entscheidungskompetenz bei einer Person oder einem Herrschergeschlecht. Welche Aufgaben und Kompeten- zen hat nun der Kanzler, welche der Bundespräsident? Der Bundeskanzler ist neben Vizekanzler, den Minister:innen und Staatsse- kretär:innen Teil der Bundesregierung. Die Regierung agiert als Kollektiv- organ, im Ministerrat werden Regierungsvorlagen oder die Besetzung von wichtigen Staatsposten diskutiert und beschlossen, dabei hat der Kanz- ler, der Vizekanzler und alle Minister:innen eine gleichgewichtige Stimme. Staatssekretär:innen sind den Minister:innen unterstellt und haben so- mit kein Stimmrecht. Im Ministerrat gilt die Regel der Einstimmigkeit, alle Stimmberechtigten müssen den Beschlüssen zustimmen, demnach besitzt jede stimmberechtigte Person ein Veto und kann Entscheidungen des Minis- terrats ablehnen, sprich blockieren. Man sieht, dass der Bundeskanzler keine Vormachtstellung gegenüber anderen Regierungsmitgliedern hat, dennoch muss man dem Kanzler alleinige Kompetenzen anrechnen. Der Kanzler er- nennt potenzielle Personen für Regierungsämter, somit verdanken die Minis- ter:innen dem Kanzler das Amt. Formell gesehen können Regierungsmitglieder unabhängig entscheiden, faktisch sind sie jedoch auf das Vertrauen des Kanzlers bzw. des Vizekanzlers angewiesen. Wichtig ist zudem das Ressortprinzip, Ressort ist ein Synonym für Ministerium. Dieses Prinzip besagt erstens, dass Bundesminister:innen die politische Verantwortung für ihr Ministerium bzw. Ressort tragen, kommt Bericht Stefan Huter HBF/Lechner BKA/Fritz Kern

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