GZ_Kals_2021_12

Bunt gemischt Fodn Nr. 79 86 Kalser Gemeindezeitung 87 merzahl bis zum Kriegsbeginn auf 28 Haushalte - vorwiegend zur Raumbeleuchtung mit jeweils einer Lampe. Petroliumknappheit während des ersten Weltkrieges bewegte schlussendlich viele zur Stromabnahme. 1920 gab es an die 100 Hausanschlüsse und um 1926 waren dann schon die meisten Häuser von Großdorf, Ködnitz, Burg, Glor und sogar Lesach angeschlossen. Dadurch wurde im Jah- re 1928 Erweiterung und Leistungssteigerung des Kraftwerks mit Verlegung der Wasserfassung hinter der Mündung des Wurgerba- ches zur Deckung des gesteigerten Bedarfs notwendig. Eine neue Peltonturbine mit Generator leistete dann stolze 75 PS, mit der später die Stomlieferung nach Peischlach und sogar nach Huben ermöglicht wurde. Die Druckrohrleitung zur Turbine mit der Gesamtlänge von 525 Me- tern wurde in Lärchenholz mit Nut- und Federdauben vom Fass- bindemeister Heinz aus Oberlienz gefertigt und als Stecksystem ausgeführt. Der Durchmesser der zwei Meter langen und konisch verjüngten Rohre betrug auf der Spitzseite 55 cm und auf der Steck- seite 65 cm. Jedes Rohr wurde mit 5 mm starken und 40 mm breiten Eisenreifen (Ringen) im 20 cm Abständen gebunden, um dem enor- men Wasserdruck über 10 bar standzuhalten. Wie die Steckverbin- dungen abgedichtet wurden, ist nicht bekannt. Möglicherweise war es Harzeinguss. Für die benötigten 290 Stück Holzrohre waren also knapp 2.100 handgeschmiedete Eisenreifen mit unterschiedlichem Durchmes- ser und rund 4.400 Dauben in fünf cm Stärke anzufertigen, was für die damalige Zeit von den Handwerkern enorme Anstrengun- gen und Präzision verlangte. Wie diese große Rohrfracht damals nach Kals transportiert wurde, ist ebenfalls nicht bekannt, vermut- Stumme Zeugen einstiger Kraftwerkspionierszeit entsorgt Wer im Spätherbst einen Blick auf die Stropnitzerfelder zwischen der Gratz- brücke und der Wurg richtete, hat sich sicher über die dortigen Baggerarbei- ten gewundert. Bei genauem Hinsehen konnte man unzählige ausgegrabene Holzrohre erkennen, die mit Metallreifen fassartig gebunden waren und ent- sorgt werden mussten. Es handelte sich um die Druckrohrleitung des ersten Elektrizitätswerkes, das bereits im Jahre 1907 am Dorferbach im „Weidete“ in Unterburg von weitsichtigen Kalser Bauern und Gastwirten noch zu „Kaisers- Zeiten“ gebaut wurde. Obmann und Geschäftsführer des Konsortiums war damals Johann Gratz vom Bergerhof. Mit dem Kraftwerksbau begann für Kals eine sehr erfolgreiche, aber auch leidvolle Geschichte. Der Zerfall der Monarchie, die Zwischenkriegsjahre und der zweite Weltkrieg, die einhergehende Hungersnot, sowie der welt- weite Börsenkrach mit Geldentwertung und Verschuldung wurde für die Kraftwerkspioniere und die Gemeinde auch eine Zeit voller Hindernisse und Rückschläge. Kals hatte also bereits seit dem Lichtmesstag im Februar 1907 ein eigenes Elektrizitätswerk mit 18 KW Leistung in Betrieb genommen, das damals an einige Häuser Strom zur Beleuchtung und bereits auch Kraftstrom für Moto- ren lieferte. Nur den Toblachern gelang das bereits einige Jahre früher und Lienz erbaute sein erstes Elektrizitätswerk zwei Jahre später am Debantbach. Nach anfänglicher Skepsis und Abwarten steigerte sich in Kals die Abneh- Bericht Peter Gruber lich wurden sie mit Pferdefuhrwerken über den holprigen Karrenweg ins Kalsertal geliefert. Die Rohrverlegung erfolgte dann im händisch errichteten Graben, der am Wiesenhang entlang mindestens einen Meter und an den Geländekuppen sogar bis zu zwei Me- ter tief ausgehoben wurde. Mit der Bergung zur Altlastenentsor- gung im heurigen November wurden die letzten Spuren dieser großartigen Pionierleistung beseitigt. Den Auftrag dazu erteilte die Gemeinde, denn die Rohre waren nach 114 Jahren im Erd- reich an einigen Stellen angefault und eingebrochen, was vereinzelt zu Be- hinderungen bei der Feldarbeit mit heutigen Traktoren geführt hat. Die Ausgrabung übernahm das Transport- unternehmen Holzer mit den betrof- fenen Bauern. Im Jahre 1948 wurde das Kalser E-Werk schließlich aus dem Alleinbesitz der Gemeinde an die Tiwag verkauft. Es lie- ferte noch zwei Jahre Baustrom für das Kalserbachkraftwerk-Oblass und wurde nach 42 Betriebsjahren stillgelegt. Die wechselhafte Erfolgsgeschichte Kalser Pionierleistung des 20. Jahr- hunderts ging damit zu Ende. Josef Haidenberger hat diese Ge- schichte auf 25 Seiten im Band II der Kalser Chronik 2012 in spannender Weise ausführlich dokumentiert. Vie- le dieser Informationen stammen aus seinen Zeilen, wofür ihmDank gebührt. Nach fast 115 Jahren im feuchten Erdreich waren die hölzernen Druckrohre mit den Eisenreifen noch in erstaunlich gutem Zustand. Im Bild auch sichtbar der Turm des einstigen Krafthauses, von dem sich die Elektrofreileitungen verzweigten. Foto: Expa-Gruber Gut erhaltenes Rohr aus Lärchendauben mit sieben zusammengenieteten und im Umfang genau an den Konusverlauf angepassten Eisenbändern. Eine wohl zeitaufwändige und präzise Handarbeit des Fassbindemeisters Heinz aus Oberlienz. Foto: Expa-Gruber Durch 270 Stück dieser hölzernen Druck- rohre wurde Wasser aus dem Dorferbach zur Turbine in „Weidach“ geleitet. Foto: Walter Holzer

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