GZ_Gaimberg_2021_12

33 Die Sonnseiten Nummer 60 - August 2018 3 Chronik 7 Dezember 2021 ist ertragreich gewesen und schon stehen die Kornäcker in lichtgelbem Gewande dar, bereit zum Schnitt. Glühende Julihitze brü - tet über dem Tal. Jeder Tag bringt neue Arbeit, aber auch neue Ernte. Eines Ta - ges, als der Kornschnitt ge - rade begonnen, ballen sich nachmittags dunkle Wetter - wolken zusammen, besorgt schaut der Bauer ab und zu von der Arbeit aufblickend zum Himmel, denn er kennt jene weißgelblichen Wolken, die sich vom dunklen Hin - tergrund scharf abheben und wie vom Winde geschwell - te Segel auf dem schwarzen Wolkenmeer dahinziehen, sie sind seine größten Fein - de, denn sie enthalten Hagel. Bald bricht das Unwetter los. Blitze zucken, Donner rollen - Ausruf „Herr im Himmel!“ Große Hagelkörner prasseln auf Acker und Wiese, auf Dach und Baum hernieder. Der Bauer steht unter der Haustüre, muss dem Un - wetter ohnmächtig zusehen, muss sehen, wie die weißen Körner die goldgelben Ähren auf seinen Äckern nieder - werfen, wie sie das Laub und das halbreife Obst von den Bäumen schlagen, wie sie die Maisstängel und das Kartof - felkraut zerfetzen. Ein Seuf - zer entringt sich des Bauern Brust: „Herrgott, lass nicht alles derschlagen!“ Kaum lässt das Wetter ein wenig nach, eilt er hinaus, um zu sehen, welche Verwüstun - gen das tobende Element angerichtet hat. Was muss er sehen? Blatt und Halm ist zu Boden geschlagen. Fast kahl stehen die Bäume da, hie und da hängt noch ein zerfetztes Blatt wie eine Sturmfahne am Baum. Die ganze Mühe, aller Fleiß eines Jahres ist in dieser kurzen Zeitspanne zerstört worden. Traurig steht der Bauer draußen auf dem verwüsteten Feld und als er wieder weiterschreitet, rinnt eine Träne über sein wetter - hartes Gesicht. „Herrgott, warum hast du das zugelas - sen, woher soll ich für meine Familie das Brot nehmen?“ Aber gegen den Schöpfer zu murren, das ist nicht des Bau - ern Art, mag auch ein noch so herber Schmerz in seiner Brust wühlen. Voll Gottver - trauen nimmt er das Unglück an und erntet, was der Hagel noch übrig gelassen hat. Aber der Spruch: „Ein Un - glück kommt selten allein“ wird leider zur traurigen Gewissheit. Ein paar Tage später meldet ein Unglücks - bote, auf der Alm sei ein Rind erkrankt. Am anderen Tage macht sich der Bauer voll Sorge auf den Weg; aber als er auf die Alpe kommt, ist es schon zu spät. Wieder ein schwerer Schlag. Beküm - mert tritt er den Heimweg an. Beim Almkreuz hält er einen Augenblick inne und blickt in stummem Schmerze den Er - löser am Kreuze an. Woher soll der Bauer bei sol - chen Unglücksfällen noch das Geld nehmen, seine Fa - milie zu erhalten, die Steuern zu zahlen, Haus und Hof in - stand zu halten? Kein Wun - der, wenn oft Mahnbriefe von der Steuerbehörde auf dem Stubentische liegen. Und wenn der Bauer nicht in der Lage ist, zu zahlen, erscheint bald der Exekutor und pfän - det ein Stück Vieh. Wohl steht dann der Bauer mit trotzigem Gesichte da, aber er muss sich in das Bittere fügen. Natürlich ist ihm auf solche Weise nichts geholfen, sondern nur geschadet. Und immer öfter wird etwas ge - pfändet, Rechnungen laufen von allen Seiten ein, immer wieder wird etwas gefordert und nach Jahr und Tag ist wieder ein schöner Bauern - hof unterm Hammer. An der Gemeindetafel hängt ein Zet - tel. Versteigerungsedikt steht drauf. Das ist das harte Wort, das manchem Bauern schon die Fassung raubte. Darauf kann man lesen, welcher Hof versteigert werden soll, was alles zu diesem gehört und seinen Preis. Aber wenn man ein bisschen zwischen den Zeilen liest, er - fährt man, mit wie viel Mühe und Sorge der Urahne den Boden rodete und auf diesem das Anwesen schuf, mit wie viel Schweißtropfen die Fel - der bestellt und die Gebäude instand gehalten wurden, mit wie viel Kummer die Bäue - rin oft das karge Mahl zube - reitet, mit wie großen Geld - nöten besonders der letzte Besitzer zu kämpfen hatte, in wie viel schlaflosen Näch - ten er sich vergeblich bemüht hat, einen Ausweg zu finden, wie oft großes Unglück über den Hof hereingebrochen, wie schreckliche Unwet - ter oft die Felder verwüstet, wie aber auch die Vorfahren durch unermüdlichen Fleiß und Arbeitseifer alle Schä - den wieder wettgemacht und so den Hof jahrhundertelang nicht nur gehalten, sondern auch vergrößert haben, bis schließlich das unerbittliche Schicksal eingegriffen und das angestammte Geschlecht von seiner Heimat vertrieben hat. Schwer findet sich dann ein solcher Bauer, der von seiner vererbten Vaterschol - le vertrieben wurde, in eine andere Lebensweise hinein und lange Jahre wühlt der Schmerz vom verlorenen Hof in seinem Innern. Aber es sind gottlob nicht allzu häufige Fälle. Nicht immer muss sich der Bau - er schinden und plagen, das Jahr bringt mit seinem Lauf auch schöne Feste mit, an de - nen der Tiroler Bauer ausruht von den täglichen Mühen und Sorgen, wo er die Sorgen so gut’s geht, vergisst und sich der Freude hingibt. Solche Feste, mit denen der Bauer besonders mitfeiert und sich mit einer kirchlichen Feier allein nicht begnügt, sondern auch außerkirchlich gehörig feiert, sind das Kirchweih - fest und Weihnachten. Der sogenannte Landkirchtag fällt auf den 3. Sonntag im Oktober, also in eine Zeit, wo die Ernte schon im Gro - ßen und Ganzen eingebracht Vor 145 Jahren...

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