GZ_Gaimberg_2021_12

16 16 Die Sonnseiten Nummer 60 - August 2018 Allgemein i i Nummer 70 - Dezember 2021 Zur Herkunft des Namens Gaimberg Vermutlich seit sich Men - schen Gedanken über die Sprache machen, die sie spre - chen, weckt die Frage nach der Herkunft und damit der „Bedeutung“ von Namen die Neugier jener, die sie tagtäg - lich verwenden. Als sich im 19. Jahrhundert die Sprach - wissenschaft im modernen Sinn herauszubilden begann, entwickelte sich mit ihr auch die Namenkunde oder Ono - mastik zu einem fixen Be - standteil der wissenschaft - lichen Beschäftigung mit Sprache. Gaimberg - eine Lücke in der Tiroler Ortsnamenfor- schung Während es zu den meisten größeren Orten bzw. Ge - meinden Osttirols schon seit langer Zeit mehr oder weni - ger fundierte und schlüssige Deutungen zur Herkunft ihrer jeweiligen Namen gibt, ist dies bei Gaimberg nicht der Fall. Soweit mir bekannt ist, hat sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts niemand mehr ernsthaft bemüht, diesen Na - men zu erklären. Damals, 1903, widmete der aus Tris - tach stammende Mittelschul - lehrer Augustin Unterforcher (1849-1924) in einem Auf - satz für die „Zeitschrift des Tiroler Landesmuseums Fer - dinandeum“ der Erklärung von Gaimberg eine knappe Seite. Doch seine Herleitung des Namens aus dem mit- telhochdeutschen Zeitwort goumen , das die Bedeutung ‚Acht geben, wachen‘ hatte und auch in Tiroler Mundar - ten vereinzelt noch im Sinne von ‚Haus oder Kinder hü - ten‘ fortlebt, ist in mehrerlei Hinsicht problematisch. Dies gilt weniger für die Bedeu - tungsseite, auf der Unterfor - cher eine Brücke hin zum Gaimberg als (Alm-)Weide (vor allem wohl mit Blick auf das Zettersfeld) bauen wollte. Unwahrscheinlich ist seine Namensdeutung vielmehr aus lautlicher Sicht, doch dazu weiter unten. Es muss - ten mehr als hundert Jahre vergehen, bis vor einiger Zeit ein neuer, auf soliden wis - senschaftlichen Grundlagen fußender Erklärungsversuch für den Namen Gaimberg ge- liefert wurde. Er stammt aus der Feder eines Teams von Sprachwissenschaftlern der Universität Innsbruck, näm - lich Peter Anreiter, Christi - an Chapman und Gerhard Rampl. Diese gaben 2009 in der Rei - he „Veröffentlichungen des Tiroler Landesarchivs“ den Band „Die Gemeindenamen Tirols. Herkunft und Bedeu - tung“ heraus. Darin wird vor allem auch den ältesten schriftlichen Zeugnissen der einzelnen Namen viel Auf - merksamkeit geschenkt, was für eine seriöse Deutung un - umgänglich ist. Die ältesten schriftlichen Erwähnungen Wann der Name Gaimberg zum ersten Mal schriftlich aufgezeichnet wurde, lässt sich aufs Jahr genau gar nicht sagen. Denn seine früheste Erwähnung stammt aus ei - nem interessanten Schrift - stück, das man nur ungefähr datieren kann. In der Zeit zwischen 1254 und 1268 wur - de in Brixen ein Dokument verfasst, das heute unter dem Namen „Calendarium Win - theri“ bekannt ist und eine wichtige historische Quelle vor allem für Süd- und Ostti - rol darstellt. Entstehung und Überlieferung dieses „Calen - darium“ sind eine kompli - zierte Angelegenheit, nur so viel sei gesagt: Seinen Namen verdankt es einem Winther de Monte-Neuenburg, seines Zeichens in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Brixner Dompropst. Er verfasste ei - nen Kalender, ein Nekrolo - gium (das heißt ein kalender - artiges Verzeichnis der Toten einer kirchlichen Gemein - schaft, etwa zur Verwendung für die jährliche Gedächtnis - feier) sowie ein Urbar, also ein Verzeichnis der Besitz - rechte des Domkapitels von Brixen. Das Original ist nicht überliefert, jedoch drei (teil - weise ergänzte) Abschriften. In zweien von diesen kommt auch Gaimberg vor. Die äl - tere der beiden Abschriften, auf die sich die oben ange - führte Datierung 1254-1268 bezieht, wird im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in Mün - chen aufbewahrt. Das Brixner Domkapitel hatte Besitzun - gen auch im Pustertal und in der Lienzer Gegend. So findet sich denn dort auch der Ein - trag: Item de quodam agro in Gainperge 30 sol . Das bedeutet, dass die Brix - ner geistlichen Herren ‚von einem gewissen Stück Land in Gaimberg 30 Solidi‘ be- zogen, wobei solidus eine Münzangabe ist. Der Eintrag vor jenem zu Gaimberg be - zieht sich übrigens auf Pan - zendorf bei Sillian, der nach - folgende auf Gödnach. 1320 treffen wir dann die Form Gaymperch in einem Urbar des Amtes Anras an. In jenem Musterregister, über das ich in den „Sonnseiten“ schon ein - mal (Nr. 66, Juli 2020) berich - tet habe, finden wir um 1385 eine Einwohnerbezeichnung Gamnperger , wobei auch eine Lesart Ganmperger möglich, jedoch unwahrscheinlich ist – vermutlich hat der Schreiber einfach ein Strichlein zu viel gemacht und der Eintrag soll - te in Wirklichkeit Gannper- ger lauten. Im Musterregister von 1410 wiederum ist ein Abschnitt mit Am Gamperg überschrieben. Weitere Bele - ge sind dann 1447-1458 am Gaymberg (in einem Bautai - ding des Stadt- und Landge - richtes Lienz) oder 1449 an dem Gaimberg (in einer Ur- kunde aus dem Tiroler Lan - desarchiv). Gaimberg , Goamberg und Gāmberg Der Name Gaimberg ist eine Zusammensetzung aus ei - nem relativ klaren zweiten Element -berg und einem ersten Teil Gaim- , der Rätsel aufgibt. Was -berg betrifft, so ist damit natürlich nicht ein Berg im klassischen Sinn, einschließlich eines Gipfels, gemeint, sondern in erster Li - nie ein bewohnter und bewirt - schafteter Bergabhang, wie in so vielen unserer Ortsnamen (vgl. Sillianberg , Tessenberg , Weerberg etc.). Schwieriger ist der erste Namensteil, also Gaim- . Um diesen zu ent - schlüsseln, müssen wir ihn lautgeschichtlich analysieren. Die Entwicklung der Laute unserer Mundarten aus älte - ren Sprachschichten herauf folgt nämlich bestimmten Ge - setzmäßigkeiten, weshalb man Dr. Hubert Bergmann ist Mitarbeiter an der Öster- reichischen Akademie der Wissenschaften. Foto: Dina Mariner

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