GZ_Leisach_2021_12

8 Leisacher Gucklöcher Berta Mascher – ein Leben wie im Roman Die Bannberger Anger im westlichsten Teil von Burgfrieden sind vielen LeisacherInnen kaum bekannt, weil sie so abgelegen sind. Dabei ist die große Wiesenfläche am Wald- rand mit den wenigen verstreuten Häusern ein besonders idyllischer Platz. In einem dieser Häuser lebt seit 30 Jahren Berta Mascher. Vor ungefähr 100 Jahren hat Andrä Mascher, ein Eisenbahner und begeisterter Jäger, die kleine Landwirtschaft gekauft und das Haus mit eigenen Händen erbaut. Sein Sohn Karl, der als Finanzverwalter der Stadtgemeinde Lienz arbeitete, hat es erweitert und adaptiert. Bevor Berta den Witwer Karl Mascher heira- tete und sich in Burgfrieden niederließ, hat sie unglaublich viel erlebt. Ihre Kindheit in Oberdrauburg fiel in die Jahre des Zweiten Weltkriegs, und sie erinnert sich noch deut- lich an die Geräusche der Tiefflieger und die aufgeregten Rufe ihrer Mutter, die ihre sieben Kinder in das relativ sichere Gewölbe der Vorratskammer scheuchte, bevor die Bomben auf die beiden Eisenbahnbrücken fielen. Auch der Tross der Kosaken hat sich tief in ihr Gedächtnis eingegraben, weil sie mit zahlreiche Planwagen die freie Fläche unweit ihres Elternhauses besetzten. Die drahtigen Pferde und die dunkelhaarigen Mädchen mit den langen Röcken übten eine besondere, mit Angst gepaarte Faszination auf die einheimischen Kinder aus. Als nach Kriegsende Bertas Vater heil zurück- kam, übte er neben der kleinen Landwirtschaft und seinem Beruf als Schuhmachermeister das Amt des Bürgermeisters aus. Die Kinderschar vergrößerte sich auf zehn, und vor allem die älteren mussten bei allen anfallenden Arbei- ten kräftig mithelfen. Weil das Haus nahe bei der Kirche stand, übernahm der Vater die Auf- gabe des Mesners. Dabei hatten auch die Kinder viel zu tun, denn die Glocken mussten händisch geläutet werden, und dazu brauchte es bei 5 Glocken viele Hände. Eine von Bertas Spezialaufgaben war das Läuten des „Ziegenglöckls“, das bei jedem Todesfall im Ort eine Dreiviertelstunde lang geläutet werden musste. Außerdem musste sie täg- lich nach der Frühmesse in den Kirchturm steigen, um mit einer Eisenkur- bel die Turmuhr aufzuziehen. Mit Schaudern erinnert sie sich daran, wie kalt es in der Kirche oft war, besonders am Heiligen Abend, wenn nach der Rorate um 6 Uhr früh fünf große Christbäume aufgerichtet und geschmückt werden mussten. Danach war noch die Krippe aufzubauen und alles musste sauber gemacht werden. Die Mädchen trugen damals halblange lodene Faltenröcke und gestrickte Strümpfe und Woll- jacken, wärmere Kleidung gab es nicht. Im Haus waren nur Küche und Stube geheizt, dort spielte sich das Familienleben ab, und sogar die Schuhmacherwerkstatt nahm eine Ecke der Stube ein. In den Schlafräumen war es so kalt, dass innen Eisblumen an den Scheiben wuchsen. Jeweils zwei Kinder teil- ten sich ein Bett und wärmten es vor dem Schlafengehen mit erhitzten Ziegelsteinen auf. Es ist kaum zu glauben, dass die Kinder nie krank waren. Alle besuchten acht Jahre lang die Volks- schule in Oberdrauburg. Sobald eines der Geschwister ausgeschult war, gab es die lederne Schultasche an das nächste nach- rückende weiter. Berta besuchte noch für ein Jahr die Hauswirtschaftsschule und unter- stützte danach ihre Eltern im Haus und in der Landwirtschaft. Geld war im Hause immer knapp, aber man brauchte nicht viel, weil man ja Selbstversorger war. Korn, Mais und Erdäpfel wurden angebaut, Milch, Butter, Eier und Fleisch kamen vom eigenen Vieh und wurde teils auch verkauft. Das alles war mit viel Arbeit und umsichtiger Planung verbunden. Für Berta brachten das Singen im Jugend- und im Kirchenchor und die Gruppenstunden der Kath. Jugend und Jungschar willkommene Abwechslung in den arbeitsreichen Alltag. Als Berta 20 Jahre alt war, schlug das Schick- sal unbarmherzig zu. Zuerst musste sie eigen- händig das Sterbeglöcklein nach dem

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