GZ_Dölsach_2021_11

Seite 12 Dölsacher Dorfzeitung November 2021 Der vorliegende Band ist die bisher vierte Folge von Gertraud Patterers „Osttiroler Miniaturen“. Die erste Folge trägt den Titel „Die Schuhe sind meine Heimat“ (2018), die zweite den Titel „Grüner Wind er- zählte mir Geschichten“ (2019), die dritte den Titel „Im Strahl des Mon- des“ (2020). Der Titel der vierten Folge erklärt sich aus der hier (S. 26) veröffent- lichten Erzählung „Die Schneider- kreitlärchen“, die zuvor schon ein- mal in dem Band „Mein Baum“ 1 erschienen ist. „Schneiderkreit“ ist der Name einer Bergwiese in Döl- sach. In dem Mundart-Gedicht „Franz von Defregger“ (S. 67) bezieht sich die Autorin auf dessen Geburt in dem ganz nahe gelegenen Dorf „Stronach“ und auf den Beginn des kreativen Lebens dieses dauerhaft erfolgreichen Künstlers: auf sein schon in der Kindheit beginnendes, sensibles „Krit- zeln“ von „Feinstem“ und „Grobem“ auf einer „Tafel“, seine Unfolgsamkeit gegenüber den „Leu- ten“ um ihn, sein „Tun, wie er will“, das ihn „für Jahr- hunderte“ und „so Gott will, für die Ewigkeit be- rühmt“ machte. Es ist nicht zu übersehen, dass Defregger, wenn auch einige Generationen früher, 1835, als Sohn eines wohlhabenden Bauern auf dem Eder- hof in Stronach geboren, seine Kind- heit und Jugend (bis 1860) in unmit- telbarer Nähe zum späteren und heutigen Heimatort Gertraud Pat- terers verbrachte. Zu seinen ganz wenigen Werken mit religiösem Motiv zählt das Bild des linken Seiten-Altars: „Die Heilige Familie“ in der Dölsacher Pfarr- kirche St. Martin, das Gertraud Patterer natürlich seit ihrer Kindheit bekannt ist. Faszinie- rend ist dabei, dass der in ihrem Gedicht vollzogene Rückgang des „Buben“ De- fregger zum „Kritzeln“ auf eine „Tafel“ sich mutatis Vorwort zum neuen Buch von Gertraud Patterer „Die Schneiderkreitlärchen“ mutandis auch auf die Entstehung dieses Altarbilds beziehen lässt. „Es ist sicher kein Zufall, dass als einzige Vorarbeit zumAltarbild sich eine kleine Holztafel erhalten hat, auf der Defregger seine später noch mehrmals korrigierte Bildidee mit breiten Pinselzügen farbig skizziert hat.“ 2 Damit treffen sich auch die in Patterers Gedicht dargestellten Momente des „kritzelnden“ Skizzie- rens. 3 Dazu kommt noch, dass Defregger in späteren Jahren seine „Genrema- lerei“ zum Teil auch in der unmittel- baren Umgebung von Dölsach und Stronach fortgesetzt hat – oft mit Alltagsszenen: Menschengruppen, Begegnungs-Szenen und anderes als Schilderung von Lebensformen einer Bevölkerung und ihrer landwirt- schaftlichen Arbeits- undWohnumgebung. – Da zeigt sich doch eine deutliche thematische Vorwegnahme vieler von Gertraud Patterers „Osttiroler Miniaturen“. Viele der auch in diesem Band vorliegenden präsen- tieren eine sprachliche „Genremalerei“. Das soll überhaupt nicht heißen, dass die Autorin Pat- terer Franz von Defregger „nachgeahmt“ hat. So wie in den beiden vorigen Bänden sind auch hier die Texte in die Folge der Jahreszeiten eingefügt. Diese Zeit- Zuordnung tritt jedoch weitgehend zurück gegenüber der sehr selbstständigen Gestaltung der einzelnen Texte und ihrem oftmals formell und inhaltlich widersprüchlichen Nebeneinander. Dieses ist vor allem vorgegeben durch das Erscheinen zahlreicher Texte in Osttiroler Mundart und deren Übertra- gungen in die Hochsprache. Das beginnt mit dem lyrisch-mundartlichen Text: „Schreibn isch a Höndwerk“. Hinzuge- fügt ist diesem ein Aphorismus: „Schreiben Hochsprache ist glatt. Dialekt ist griffig.“ Das Hin und Her von „Griffig“-„Glatt“ und retour erzeugt den ganzen Band hindurch eine Abfolge rhythmischer und lautlicher Gegen- Foto: Dina Mariner

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