GZ_Gaimberg_2021_09

10 10 Die Sonnseiten Nummer 60 - August 2018 Allgemein i i Nummer 69 - September 2021 Geschichten vom Gaimberger Almsommer erzählt von Maria Mayerl aufgeschrieben von Johanna Adlaoui Mayerl Meine Familie, die Neumairs vom „Ackererhof“, waren über lange Jahre mit der Gaimberger Almwirtschaft im Debanttal verbunden. Meine Mutter Anna Neu- mair und ihre Kinder betreu- ten jahrzehntelang das Vieh der Gaimberger Bauern und sorgten für eine bescheide- ne Milchwirtschaft auf der Gaimberger Alm. Aus dieser Zeit gibt es viele Erinnerun- gen und Anekdoten, die ich hier erzählen möchte. Mein erster Hirtensommer auf der Gasslbodenhütte Die Gaimberger Bau- ern brauchten einen neuen Junghirten für die Almwirt- schaft im Debanttal. Also hat mein Bruder Alois die Verantwortung für die Scha- fe, Pferde und Kälber über- tragen bekommen. Das war 1949. Als Sommerdomizil war noch die alte Gasslbo- denhütte für ihn vorgesehen. Damit der sechzehnjährige Junghirte einigermaßen gut versorgt wird, hat meine Mutter entschieden, unsere Schwester Liesl, die 15 Jahre alt war, mitzuschicken. Liesl aber bestand drauf, die Jüng- ste, also mich mitzunehmen. Ich war damals fünf Jahre. Zu Beginn der Almsaison machten wir uns auf den Weg von daheim - dem „Acke- rerhof“ in Untergaimberg - über den Hochstubenweg ins Debanttal. Wir waren wohl schon stundenlang unter- wegs, als mir der Weg zu lang wurde. Ich fing an zu weinen. Es war kurz vor dem letzten Anstieg beim Wasserfall, also nicht mehr weit bis zum Ziel. Meine Schwester tröstete mich, dass wir gleich da wä- ren. Und tatsächlich kamen wir bei der Äußeren Lacke, dem heutigen Seichenbrunn Parkplatz, an. Und oberhalb lag endlich die Gasslboden Alm. Die alte Hütte war derma- ßen aus dem Lot, dass meine Schwester kaum die Gaden- tür (Speis oder Vorratskam- mer) aufbekam. Zu unserer Versorgung war eine Kuh für die Milch vorgesehen. Der Speiseplan war äußerst karg. Ich erinnere mich vor allem an Milchmus. In regelmä- ßigen Abständen brachten Bauern aus dem Tal unsere Hirtenkost: Ein Kilo Mehl und ein Laib Brot pro Groß- vieh-Einheit war vereinbart. So mussten wir nicht Hunger leiden. Manch fürsorglicher Bauer brachte sogar Leck für sein Vieh vorbei. Besonders gefreut haben wir uns, wenn der eine oder an- dere Bauer ein paar Kirschen oder Frühäpfel vorbeibrachte. Meine Spielgefährten waren die munter durchs Gras hüp- fenden Frösche. Alle paar Tage brachten wir die Rohmilch zur benachbar- ten „Rohracher Alm“, um sie zentrifugieren zu lassen. So bekamen wir auch Butter. Einmal trauten wir uns auch, Fische aus dem Bach zu fan- gen. Das war als Schwarz- fischerei streng verboten. Dementsprechend aufgeregt waren wir, als wir zwei Forel- len fingen. Als Köder diente ein Wurm, den wir unter einer Kuhflade gefunden hatten. Eines Tages machten wir uns zur Unteren Seescharte in Richtung Wangenitzsee auf. Natürlich barfuß. Denn wir trugen damals den ganzen Sommer keine festen Schuhe. Die Wangenitzseehütte war damals noch eine Brandrui- ne. Sie war Ende des Krieges geplündert und angezündet worden. Wir erreichten die Untere Wangenitz Seeschar- te. Heute geht dort die Ma- terialseilbahn drüber. Mein Bruder entdeckte dort ein verstiegenes Schaf und mach- te sich auf, um es zu befrei- en. Er geriet in dieselbe ver- zwickte Lage wie das Schaf und kam nicht mehr vor und zurück. Wir Schwestern un- ten bekamen es jetzt auch mit der Angst zu tun. Unser Ge- bet muss wohl erhört worden sein, denn irgendwie schaffte er es, sich doch zu befreien und brachte auch das Schaf sicher herunter. Wir besuchten die Brandru- ine. Die alte Wangenitzsee- hütte gehörte damals einer mährischen Bergsteiger Vereinigung. Es fanden sich Scherben von feinem Por- zellan in den Brandresten der Hütte. So erreichten wir an diesem aufregenden Tag wie- der zufrieden unsere kleine Almhütte. Der lange Weg zum ersten Schultag Im Jahr 1950 verbrachte ich den Sommer bei der Moser- Bäuerin, meiner einzigen Tante väterlicherseits, auf der Moser Alm auf der Sonnsei- te im äußeren Debanttal. Ich war sieben Jahre. Zugleich mit mir waren zwei Gleich- altrige dort bei der Tante: Der Moser Sepp und das Nuss- baumer Seppele. Die Lausbu- ben machten sich einen Spaß daraus, mir Silberdisteln und Lois Neumair als junger Hirte beim Wangenitzsee. Die „Moser-Leute“ Josef und Balbina Kollnig (links Besu- cher auf der Alm); Balbina war allen „Ackerer“-Kindern von Gaimberg Taufpatin. Fotos: privat

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