GZ_Kals_2021_09

Umwelt & Natur Fodn Nr. 78 36 Kalser Gemeindezeitung 37 an dieser Stelle erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die heuer gemessenen Bewegungsraten von bis zu 4,86 m/Jahr stellen Rekordwerte dar. Maximalwerte wurden auch an anderen Blockgletschern, welche vom Messteam in den Hohen Tauern zu Vergleichszwecken beobachtet werden, ermittelt. Durch die be- schleunigte Bewegung schiebt sich die Zunge des Tschadinhorn Blockgletschers zunehmend über eine Geländekante in tiefere Lagen und verursacht damit eine markante Sedimenterosion in Richtung Tschadinalm. Eine Analyse des Sturzweges von größe- ren Felsen ist aus Zeitgründen noch nicht erfolgt. Die Auswertung der Drohnenaufnahmen ist aufwendiger und be- inhaltet die Erstellung eines fototexturierten Modells (digitaler Zwilling) des Studiengebietes. Mit Hilfe von multi-temporalen digitalen Orthophotos (5cm Bodenauflösung) und digitalen Ge- ländemodellen (10 cm Rasterabstand) kann nicht nur das Be- wegungsverhalten des Blockgletschers flächendeckend und im Detail hochauflösend studiert werden, sondern auch die Volu- menänderung zufolge Permafrostdegradation analysiert werden. Das besondere Forschungsinteresse der Grazer Forschergruppe liegt u.a. in der hochgenauen GPS-gestützten Luftbildtriangulati- on von Drohnenaufnahmen, ohne Bodenkontrollpunkte verwen- den zu messen. Dadurch ist eine direkte Begehung der großteils instabilen Blockgletscheroberfläche und anderer schwer zugäng- licher Bereiche nicht mehr zwingend notwendig. Das von der Gra- zer Forschergruppe entwickelte Verfahren soll im Oktober dieses Jahres im Rahmen der Regional Conference on Permafrost (US Permafrost Association) erstmalig vorgestellt werden. Das gegenständliche Projekt wurde dankenswerter Weise auch von der Agrargemeinschaft Untertschadin-Berger-Ködnitz Alpe (Obmann Rupert Schnell) und der Weggemeinschaft Lesach Riegl (Obmann Raimund Duregger) unterstützt. Weitere Informationen unter https://www.staff.tugraz.at/viktor.kaufmann/Tschadinhorn_ Rock_Glacier.html Luftbildaufnahme am Tschadinhorn Blockgletscher mit der Drohne twinFold GEO, einem Y6 Hexacopter Die steinschlägige Blockgletscherstirn speist eine Quelle mit Schmelzwasser Das Team der Grazer Permafrostforschung bei den diesjährigen Messun- gen am Tschadinhorn Blockgletscher Computeranimationen der Fließbewegung Start der Drohne Landung der Drohne Dem Klimawandel auf der Spur Nationale und internationale Forschungsergebnisse haben ergeben, dass zwischen den kontinuierlich zunehmenden Jahresmittelwerten der Luft- temperatur – am Sonnblick Observatorium (3105 m) zeigt sich eine Zunah- me von +1,5 bis +1,9 °C seit den letzten 150 Jahren – und der beschleunig- ten Blockgletscherbewegung eine signifikante Korrelation besteht. Voriges Jahr war in Österreich das fünftwärmste Jahr der Messgeschichte (ZAMG, 2021). Am Tschadinhorn Blockgletscher, Gegenstand der Permafrost- forschung im Gemeindegebiet Kals am Großglockner, wurden heuer die höchsten Bewegungsraten seit der 1950er-Jahre gemessen. International ist geplant, die Fließgeschwindigkeit von Blockgletschern als klimarele- vanten Parameter für Permafrost in das Global Climate Observing System (GCOS) aufzunehmen. Ein wesentlicher Beitrag dazu kommt aus der Ge- meinde Kals. In FODN 69/02/2018 wurde erstmals in diesem Medium über das gegen- ständliche Permaforschungsprojekt des Instituts für Geodäsie der Tech- nischen Universität Graz und des Instituts für Geographie und Raumfor- schung der Universität Graz berichtet. Seit damals fanden nunmehr vier weitere Feldforschungseinsätze (2018-2021) statt. Im Fokus des vom Na- tionalpark Hohe Tauern unterstützen Projektes steht der 640 m lange und bis zu 100 m breite Tschadinhorn Blockgletscher, welcher unterhalb des Tschadinhorns liegt. Die diesjährigen Feldarbeiten wurden am 23. August 2021 bei gutem Bergwetter durchgeführt und beinhalteten die alljährli- che GPS-gestützte Wiederholungsmessung der vermarkten Beobachtungs- punkte am Blockgletscher und eine weitere drohnengestützte Luftbildauf- nahme, nach 2016, 2017, 2018 und 2020. Die Auswertung der geodätischen Messungen ist bereits abgeschlossen und die erzielten Ergebnisse können Bericht Viktor Kaufmann Andreas Kellerer-Pirklbauer Gernot Seier Permafrostforschung im Gemeindegebiet von Kals am Großglockner: Neue Ergebnisse Blick vom Weg von der Lesacher- Riegel-Hütte zur Glorerhütte hinauf zur Blockgletscherzunge (Fotos: Viktor Kaufmann, 23.8.2021)

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