GZ_Kals_2021_09

Bunt gemischt Fodn Nr. 78 108 Kalser Gemeindezeitung 109 politik. verstehen. Das Herzstück einer Demokratie ist das Parlament, die Vertreterinnen und Vertreter des Volkes disputieren dort Gesetze und führen Kontrollfunktionen aus. Jedes Parlament einer repräsentativen Demokratie übt grundsätzlich drei Funktionen aus: Repräsentation, Kontrolle und Gesetzgebung. Zuerst müssen die drei Hauptfunktionen eines Parlaments erläutert werden. Unter Repräsentation versteht man, dass die gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter, sprich Politikerinnen und Politiker, das Volk vertreten. Die gewählten Politikerinnen und Politiker sind demnach gewillt, im Sinne der Wählerinnen und Wähler zu agieren, ansonsten drohen Stimmverluste bei nächsten Wahlen. Zudem ist es üblich, dass Plenarsitzungen öffentlich ausgetragen und übertragen werden, somit kann sich jede Bürgerin und je- der Bürger informieren und entscheiden, ob die Volksvertretung adäquate Arbeit leistet. Eine weitere Kernaufgabe des Parlaments ist die Kontrolle der Regierung, in Österreich gilt die parlamentarische Verantwortung der Re- gierung gegenüber dem Parlament. Das bedeutet, dass der Nationalrat der Regierung das Misstrauen aussprechen kann, dafür sind mindestens 50%+1 der Stimmen im Nationalrat nötig. Tatsächlich kommt es im österreichischen Parlament oft zu Misstrauensvoten gegenüber einzelnen Ministerinnen und Ministern oder der Regierung als Kollektiv, da sich jedoch die Regierung auf eine Mehrheit im Parlament stützt, erreichen diese Voten keine Mehrheit. Wer nun aufmerksam gewesen ist, hat bemerkt, dass die Kontrollfunktion der Regierung im Nationalrat nicht von den gesamten Parteien ausgeführt wird, sondern von der parlamentarischen Opposition, die Opposition bilden jene Parteien, die nicht in der Regierung vertreten sind. Wie kann nun die Opposition als Minderheit die Kontrollfunktion ausüben, wenn ein Misstrau- Bericht Stefan Huter ensvotum unwahrscheinlich ist? Die Opposition be- sitzt sogenannte Minderheitenrechte, dazu zählen der Einsatz eines Untersuchungsausschusses, kurz UA, das Interpellationsrecht und die Einberufung von Sondersitzungen. Wichtig ist, dass der UA kein juristisches Instrument ist, es geht vielmehr darum, gewisse Sachverhalte aufzuklären und transparen- ter zu machen. Bei Verstößen kann es dennoch zu gerichtlichen Verhandlungen kommen. Ein Viertel der Abgeordneten zum Nationalrat kann einen UA einberufen. Das Interpellationsrecht ist jenes Recht der Parlamentarier, Ministerinnen und Ministern Fra- gen zu stellen, dabei soll man in Erfahrung bringen, warum beispielsweise ein Ministerium so entschie- den hat. Ein Drittel der Abgeordneten zum Natio- nalrat kann zudem eine Sondersitzung einberufen, um Sachverhalte, Verordnungen oder Entscheidung der Regierung oder einzelner Ministerien zu klären. Übrigens kam es in der Geschichte der zweiten Re- publik erst zu einem gültigen Misstrauensvotum im Jahre 2017 – Ibiza, da war doch was. Die Gesetzgebung gilt als wichtige Funktion von Parlamenten, da Gesetze das Zusammenleben der Menschen regeln. Wie läuft nun der Gesetzgebungs- prozess in Österreich ab und welche Rolle spielt da- bei die Regierung, welche das Parlament? Ein Ge- setzesantrag fußt auf eine Idee oder eine Initiative. Im vorparlamentarischen Raum werden diese Ideen und Initiativen besprochen und im weiteren Verlauf entsteht eine Gesetzesvorlage. In Österreich können solche Vorlagen in Form von Initiativanträgen von fünf Abgeordneten zum Nationalrat, einem Drittel der Abgeordneten zum Bundesrat, Volksbegehren und Regierungsvorlagen dem Parlament zur weite- ren Bearbeitung vorgelegt werden. Danach wandert die Gesetzesvorlage in den dafür vorgesehenen Aus- schuss, als aktuelles Beispiel dient der Bildungs- ausschuss, wo Vorlagen zur sicheren Schulöffnung debattiert werden. Im Ausschuss kann die Vorlage abgeändert werden, das Parlament ist in Ausschüs- se unterteilt, das bedeutet, dass Gesetzesvorlagen und etwaige Änderungen nicht im gesamten Natio- nalrat diskutiert werden, sondern in den jeweiligen Fachausschüssen. Nach den Ausschussverhandlun- gen wandert die Gesetzesvorlage zur Abstimmung in den Nationalrat, erst zu diesem Zeitpunkt ent- scheiden die Abgeordneten als Kollektiv. Grundsätz- lich kann man zwischen Bundesgesetze und Verfas- sungsgesetze differenzieren, der Unterschied liegt bei der Rechtserzeugung. Bundesgesetze können mit einer einfachen Mehrheit von 50%+1 der Stim- men des Nationalrats verabschiedet werden. Somit kann vor allem die Regierung verändern und gestal- ten, da diese eine Regierungsvorlage als Gesetzes- initiative dem Nationalrat vorlegt und diese mit der Regierungsmehrheit im Nationalrat ohne gröbere Diskussion verabschieden kann. Ein Beispiel soll diesen komplexen Prozess vereinfachen, angenom- men wird, dass die Regierung, bestehend aus ÖVP und Grüne, eine Regierungsvorlage dem Parlament zur weiteren Bearbeitung vorlegt. Nach den Aus- schusssitzungen kommt es zur Entscheidung im Na- tionalrat, da dort die ÖVP und Grüne eine Mehrheit von über 50% der Stimmen haben, kann das Gesetz ohne Zustimmung einer weiteren Partei verabschie- det werden. Für Verfassungsgesetze sieht das Bundes-Verfas- sungsgesetz (B-VG) kompliziertere Mehrheitsbestim- mungen vor, vergleiche Art 44 Abs 1 „Verfassungs- gesetze oder in einfachen Gesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen können vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden; sie sind als solche („Verfassungsgesetz“, „Verfassungs- bestimmung“) ausdrücklich zu bezeichnen.“ Bei Ver- fassungsgesetzen spielt nun auch die Opposition eine wichtige Rolle, da eine zwei Drittel Mehrheit bei der Beschließung benötigt werden. Eine Gesamtän- derung der Verfassung sieht neben der zwei Drittel Mehrheit im Nationalrat auch eine Volksabstimmung vor. Als Beispiel dient der EU-Beitritt 1995, da es zu gravierenden Änderungen der Verfassung gekom- men ist, beispielsweise EU-Recht über nationalem Recht, die eine Volksabstimmung nötig machten. Hat der Nationalrat einer Gesetzesvorlage zugestimmt, Parlamentsdirektion / Peter Korrak Parlamentsdirektion / Thomas Topf Parlamentsdirektion / Mike Ranz Parlamentsdirektion / Michael Buchner

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