GZ_Tristach_2021_09

20 Bunker und Fluchtorte zu Kriegsende Sept. 2021 A m 15. Dezember 1943 fielen die ersten Bomben auf Inns- bruck. „Die Reaktion an der ‚Heimat- front‘ der Nationalsozialisten war die rasche Inangriffnahme von Luftschutz- bauten, bzw. die Adaptierung beste- hender Kellerräume“ , schreibt Martin Kofler im Buch: Osttirol - Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart. Wohl im Zuge dieser Bescheide sind auch in Tris- tach Schutzbauten errichtet worden. Ei- nen Bunker am Bergfuß im Kahler-Wald in der Nähe vom Seebachl hatten Solda- ten der Deutschen Wehrmacht gegraben. Johann Ortner vlg. Valtn (1887-1968) hatte ihn ausgebolzt. Weil die Dorfbe- völkerung bei Fliegeralarm hauptsäch- lich in diesen sicheren Bau flüchtete, musste er später noch mit einem Stol- len in den Berg hinein erweitert werden. Ein zweiter Bunker in Jungbrunn stand nur den dort stationierten Soldaten zur Verfügung. Außerdem wurden mehrere Schutzräume von Zivilpersonen errichtet. Zu Kriegsende standen im Neudorf, damals „Grieß“ genannt, nur ein halbes Dutzend Häuser, manche davon erst während des Krieges gebaut. Im Haus Auer - heute Neubau Eh- renburgstraße 14 - hausten zu Kriegsen- de drei Familien auf engsten Raum. Im Keller war die Familie Ortner, genannt Weißgerber untergebracht. Ortner Franz teilte sich mit seinen Eltern und drei Geschwistern drei Räume. Im Parterre wohnte die Familie Einhauer: Andreas sen. mit seinen Eltern und zeitweise zwei Schwestern. Im ersten Stock lo- gierten abwechselnd auch noch drei bis vier Personen. Andreas Einhauer sen.: „Mein Vater, Andreas Einhauer, (1885-1950) hatte in den Abhang unterhalb der Straße nach Lienz einen Splittergraben ange- legt. Ich war ihm dabei behilflich. Vor einer Bombe wäre man drinnen nicht sicher gewesen, aber Bombensplit- ter hielt er verlässlich ab. Als am 22. November 1944 Bomben auf Tristach fielen, war ich schon Lehrling beim Webhofer, dem Tristacher Schmied am Seebachl. Ich ließ das Ross, dass ich gerade beschlagen hatte, einfach stehen und flüchtete mit Peter Web- hofer in den Wald. Wir konnten genau beobachten, wie zehn Flugzeuge beim Kärntner Tor heraufkamen und einen Bombenhagel über Tristach abwarfen. Mit Kind und Kegel hasteten die Leute dem Kahler Bunker, dem sicheren Un- terstand zu. Als der Zauber vorbei war, rannte ich nach Hause. Das Haus war, mit Ausnahme des Kellers, unbewohnbar geworden. Alle Fenster waren gebors- ten und dicker Staub hüllte alles ein. Meine Schwestern hatten für die Mut- ter eine einfache Biskuittorte zum Na- menstag gebacken. Sie lag flach wie ein Fladen auf dem Tisch. Unsere Fa- milie kam bis Juli 1945 beim Müller unter. Danach wohnten wir noch zehn Jahre in einer Baracke auf der Tratte, die im Krieg als Kindergarten gedient hatte. Zwei Bomben, Blindgänger die nicht detoniert waren, wurden später in der Schmiede als Wasserfässer ver- wendet.“ Franz Ortner: „Als am 22. Novem- ber 1944 Bombenalarm gegeben wur- de, flüchteten wir in den Unterstand, der im Abhang hineingegraben war. Neun Personen drängten sich angstvoll zusammen. Alle beteten und flehten Gott um Schutz an. Es fielen mehrere Bomben. Eine Esche, die hinter dem Schutzraum stand, mag das ärgste abgehalten haben. Die Erde zitterte und im Bunker rieselte Erde auf unse- re Köpfe. Wir stoben in Panik in alle Richtungen davon. Meine Mutter und ich liefen zum Erlenwald in Richtung Drau. Wir sorgten uns um unseren Bruder Gottfried. Er war auf dem Weg zu unseren Ziegen, die in einem Stall beim Bundschuh Lois (Sternbachstra- ße) untergebracht waren. Er konnte sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. Etwa dreißig Meter zwischen unserem Haus und der großen Schottergrube, aus der in den Dreißigerjahren Schot- ter für den Krankenhausbau entnom- men wurde (Anmerkung: heute Bruck- ner Werkstätte), war auch eine Bombe detoniert. Im Haus waren alle Fenster zerstört, der Keller war aber bewohnbar geblieben, allerdings hing der Plafond herunter.“ Josef Ortner , vlg. Frießlmair (1900- 1981) jahrzehntelang Ortsbauernob- Bunker und Fluchtorte zu Kriegsende Zeitzeugen erinnern sich Im Haus Auer – heute Neubau Ehrenburgstraße 14 - hausten zu Kriegsende drei Familien auf engsten Raum.

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