GZ_Virgen_2021_08

Virger Zeitung 53 Dorfleben – Menschen men Tourismus geweckt. Anderer- seits habe ich als ‚Auswanderer‘ auch schnell gemerkt, dass Leben, Stu- dium und Arbeit im Ausland nicht immer leicht fällt, daher mein Enga- gement mit internationalen Studie- renden und mein Interesse an Hoch- schulpädagogik und -mobilität. Ich denke einer der schönsten Aspekte meiner Arbeit ist die Begegnung mit jungen Menschen aus den verschie- densten Ländern, was für mich sehr bereichernd ist und auch manchmal zeigt wie klein die Welt eigentlich ist. Einmal kam eine Studentin aus Thailand, die erfahren hatte dass ich aus Österreich komme, nach einer Vorlesung zu mir und wollte Ge- naueres wissen: „Woher genau aus Österreich kommen Sie?“ fragte sie. Als ich mit „Tirol“ und „Osttirol“ antwortete, war ihr das noch zu wenig und sie fragte weiter: „Wo genau in Osttirol?“. Erstaunt über ihr ausgezeichnetes geografisches Wissen antwortete ich mit „Virgen“, woraufhin ihre Augen zu leuchten begannen und sie mir auch gleich auf dem Handy zahlreiche Urlaubs- fotos aus dem Virgental zeigte. Es stellte sich heraus, dass sie im Jahr zuvor auf einer Europarundreise ein paar Tage Urlaub beim Haberer in Niedermauern verbrachte! A l s „Be r gbauernk i nd“ i n Mi t - t eldor f geboren , l ebst du nun i n e i ne r gr oße n engl i s che n St adt. Wi e g eht es di r damit? Ich wohne mit meiner aus Italien stammenden Frau, Arianna, in Shef- field in Nordengland, wo wir vor ein paar Jahren ein Haus gekauft haben. Obwohl eine beachtliche Stadt mit circa 580.000 Einwohnern, wird Sheffield wegen seiner weitläufigen Siedlungsstruktur, vielen Grünflä- chen und Nähe zum Peak District Nationalpark auch oft humorvoll als das das „größte Dorf Englands“ be- zeichnet. Dieses ländliche Flair passt mir als gebürtigem Virger/Mitteldor- fer ganz gut und nur wenige Spazier- minuten von unserem Haus eröff- nen sich Felder und Wiesen wo die Kühe, Pferde und „Happlen“ grasen. Du bist in einer großen Familie in Vir gen au fgewa ch sen. J etzt has t dir mit deiner Frau Arianna ein Zuhaus e in Sh ef f ild ges cha f fen. Vermis st du das Leb en in einer Großfamilie? Was ver bindest du mit dem Begrif f Heimat? Für mich ist Heimat weniger ein Ort, als vielmehr die Beziehung zu Menschen die mir lieb und teuer sind – meine Familie, Verwandte, Freunde, Bekannte und Kollegen. So gesehen fühle ich mich sowohl im Virgental als auch in England „da- heim“. Allerdings lernt man viele der Schön- und Besonderheiten des Herkunftsortes erst dann wirklich zu schätzen wenn man anderswo lebt und arbeitet. Daher verbringe ich so viele Urlaubstage wie möglich in Mitteldorf. „Heimat“ bedeutet für mich auch über Grenzen hinwegzu- sehen und ich stehe dem Gebrauch des Wortes für politische Zwecke der Ausgrenzung kritisch gegenüber. Der Bre xi t und di e Corona- Pan- demie haben g roße Auswir kun- ge n au f dei ne Ar b ei t/Al l t ag/ Ar bei t sumfe l d/Fami l i e … Wa s ha t si ch für d ich/euch dadurch veränder t? Das knappe Ergebnis im Brexit Refe- rendum hat das Vereinigte Königreich in zwei Lager gespaltet und es wird ei- nige Zeit dauern diesen Spalt in der britischen Bevölkerung politisch und gesellschaftlich auszuheilen. Wegen Brexit gibt es auch ernsthafte Bestre- bungen von Schottland, Wales und Nordirland aus der Britischen Union auszutreten, daher ist die politische Stimmung im Land sehr unruhig. Neben erschwerten Aus- und Einrei- sebestimmungen sowie Ansuchen um eine Aufenthaltsgenehmigung hat sich für mich und meine Frau noch relativ wenig geändert, aber wir beob- achten aufmerksam wie sich die Situa- tion weiterhin entwickelt. Die Co- rona-Pandemie haben wir soweit recht gut gemeistert und erhielten relativ rasch unsere Impfungen. Schwieriger war aus beruflicher Sicht die ständige Arbeit im „Heimbüro“ da die gesamte Universitätslehre online abgehalten wurde was einiges an Organisation ab- verlangte. Der menschliche Kontakt mit Studierenden und KollegInnen hat leider gefehlt. De nks t d u an ei ne Rückk eh r nach Österrei ch ? Obwohl uns das Leben und der Beruf in England sehr freut und er- füllt, spreche ich mit meiner Frau neulich auch öfters über eine mögli- che Rückkehr nach Österreich bzw. Oberitalien und vielleicht ergibt sich da etwas. Die Nähe zu unseren Fami- lien und vielleicht auch der Brexit sind zwei Gründe, die hier eine Rolle für unsere Zukunftspläne spielen. Josef mit seiner frau arianna auf heimaturlaub in Virgen.

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