GZ_Kartitsch_2021_03

Seite 35 Ausgabe 87 Historisches: Nazi - Zeit in Kartitsch Geschockt und verärgert war man auch in Kartitsch, als ab Juli 1938 aus „ Osttirol “ der Kreis Lienz wurde und dieser nun zum Gau Kärnten gehörte. Noch einschneidender war die völlig willkürliche Zusammenlegung der 50 Osttiroler Gemeinden zu nun 25, gültig ab 1. April 1939. Die Gemeinde Holl- bruck wurde aufgelassen und Kartitsch zugeteilt. Zugleich wurde im Herbst 1938 die „ Deutsche Gemeindeordnung “ einge- führt, soweit sie nicht schon seit dem Einmarsch angewendet wurde. Demnach war der Bürgermeister (Amtswalter) für die Gemeinde alleinverantwortlich und bestimmte mit dem Ortsgruppenleiter und Ortsbauernführer die lokale Politik. Dabei wurde er vom Beirat (bisher Ge- meinderat) unterstützt, der nur beratende Funktion hatte. In Kartitsch waren ab 1939 vier Beiräte sowie ein Beirat für Hollbruck bestellt. Gemeinsam bildeten sie den Gemeinderat. Die Entscheidun- gen des Bürgermeisters erforderten im- mer das Einverständnis des Kreisleiters als Beauftragter der NSDAP, der auch den Bürgermeister bestellen und abset- zen konnte sowie das Vorschlagsrecht für die Beiräte hatte. Natürlich mussten die Amtswalter (Bürgermeister) dem Regime hörig sein. Trotzdem war die Gemeindeverwaltung durch ortsansässige Funktionäre gegen- über fremden, behördlich bestellten Funktionären allemal besser. Manche Verordnung konnte dadurch abge- schwächt und oft ein Kompromiss ge- funden werden. Neben der laufenden Verwaltung be- schränkte sich die Gemeindeführung auf einige weisungsgebundene Aufgaben, wobei der Beirat beratend mitwirkte. Neben der Errichtung des Standesamtes Kartitsch, Auflösung des örtlichen Ver- kehrsverbandes und dem beabsichtigen Bau eines HJ - Jugendheimes lautete ein Beschluss vom 1. März 1939 wie folgt: Der Straßenabschnitt vom Schulhaus ostwärts bis zu Ebners Gasthof „ Zur Post “ sollte, nach dem plötzlichen Tod des SS - Obersturmbannführers und Kärntner Gauleiters, in „ Hubert Klaus- ner - Straße “ umbenannt werden. Nicht bekannt ist, ob diese Umbenennung tat- sächlich erfolgte. Auch Beschlüsse zum Bau eines Gemeindeweges nach Holl- bruck blieben ohne Erfolg. Ab Kriegsbeginn waren zusätzlich vom Reichsnährstand angeordnete Aufgaben zu erledigen, etwa Sammlungen, Be- zugskarten, Ablieferungen usw. In der NS - Zeit wesentlichen Einfluss hatte der jeweilige Ortsgruppenleiter, trotzdem in Kartitsch offiziell eine Orts- gruppe erst ab Ende 1940 bestand. Da im Ort niemand zu finden war, wurde zuerst (1938) ein Karl Donner aus Graz, Gasthofpächter in Obertilliach, bestellt und 1939 ist ein Ortsgruppenleiter Zieg- ler genannt, der die Funktion im Dezem- ber 1939 an Franz Mühlegger abgab. Sie waren alle ortsfremd. Ab April 1940 bis zum Kriegsende hatte Josef Innerkofler aus Sexten, Pächter des Gasthofes Waldruhe, die Ortsgrup- penleiterstelle inne. Die vielen politischen Aufmärsche, Ver- sammlungen und Feiern, einschließlich regelmäßiger Kinoabende durch die Gaufilmstelle mit Parteireklamefilmen, brachten Bewegung in das Dorf und wurden von einigen begeistert aufge- nommen, von einem guten Teil der Be- völkerung aber ignoriert. Auch von KdF organisierte Heimatabende erfreuten zwar die Sommergäste, wurden von der Bevölkerung aber eher misstrauisch wahrgenommen, vor allem, da man durch die Einbindung germanischer Kul- tur Tradition und echtes Brauchtum ge- fährdet sah. Verordnungen über Lichtverdunkelun- gen und vorgeschriebene Luftschutz- übungen ebenso wie Musterungen und Einberufungen deuteten bereits gegen Ende 1938 auf Krieg. Propagandistisch aufgezogene Feiern zum 50. Geburtsgag des Führers am 20. April 1939 täuschten über die Sorge der Bevölkerung hinweg. Pompös begangen wurde dieser Hitlergeburtstag in Sillian mit Beteiligung von SS, SA, HJ und Sportvereinen, Aufmarsch der Musikka- pellen von Panzendorf, Kartitsch, Stras- sen und Sillian sowie zwei Schützen- kompanien und Vereidigungen von „200 politischen Leitern “. Vermutlich waren auch einige aus Kartitsch dabei. Die wirtschaftliche Situation hatte sich leicht verbessert und im Sommer 1939 verzeichnete Kartitsch eine gute Frem- densaison, besonders auch durch Gäste aus dem Altreich. Kriegsbeginn Mit dem gewaltsamen Einmarsch deut- scher Truppen in Polen am 1. September begann der von Hitler - Deutschland ver- schuldete Zweite Weltkrieg. Wenn auch die Kampfhandlungen weit im Osten lagen, wurden sofort verschiedene Maß- nahmen verordnet, so etwa absolute Verdunkelung der Fenster, die streng kontrolliert wurden. Schon der geringste Lichtschein nach außen bedeutete Ver- warnung und im Wiederholungsfall An- zeige. Ebenso wurde Feuerschutz bei Luftangriffen vorgeschrieben und streng kontrolliert, in der Regel auf dem Dach- boden Sandsäcke, Löschwasser und eine Handlöschspritze. Vereidigung von 200 politischen Leitern auf dem Sillianer Adolf Hitler - Platz, 1. April 1939 Foto Herrnegger,Leiter

RkJQdWJsaXNoZXIy MTUxMzQ3