GZ_Kartitsch_2021_03

Seite 34 Ausgabe 87 Historisches: Nazi - Zeit in Kartitsch paganda gab es Einschüchterung gegen- über Andersdenkenden, Bespitzelung bis Schutzhaft. Viele Wähler stimmten da- her offen ab, um nicht als Regimegegner verdächtigt zu werden. Auch von Kar- titsch wurde glaubhaft erzählt, dass, von der Wahlkommission bedrängt, nur 10 Wähler in der Wahlzelle ankreuzten, unter denen die Nein - Stimme war. Trotz bohrender Verhöre und Nachforschun- gen durch Parteifunktionäre konnte sie jedoch nicht zugeordnet werden. Oswald Sint schrieb über diese Abstim- mung und das Ergebnis später: „… mit welchen Mitteln dies aber erzwungen wurde, wissen nur die Menschen, die damals den ganzen Krampf mitmachen mussten. “ Ernüchterung – Enttäuschung Umgehend wurden nun, soweit dies nicht schon nach dem Umsturz erfolgte, bestehende Vereine im Dorf aufgelöst. Die Freiwillige Feuerwehr galt nicht mehr als Verein und wurde als „ uniformierte Ordnungspolizei “ für ver- schiedene Aufgaben (Feuerwache, Hilfs- polizei, Sanität, später Landwacht, usw.) dem Bürgermeister unterstellt. Musikka- pelle und Schützenkompanie wurden als Verein aufgelöst. Über Ausrückungen entschied nun die Partei. Ebenso wurde der Fremdenverkehrsverein aufgelöst und durch KdF ersetzt. KdF (Kraft durch Freude) war eine dem Bürgermeister unterstellte Unterorganisation der DAF (Deutsche Arbeitsfront), zuständig für Erholung, Urlaub und Freizeit. Der Kir- chenchor entging der Auflösung, da er nicht Vereinsstatus hatte. Tatsächlich trat in den nächsten Wochen und Monaten für viele, vor allem kinder- reiche Familien, auch in Kartitsch eine wirtschaftliche Erleichterung ein. Kurz- fristig fanden einige bei Ausbesserungen an der Straße Arbeit. Andere wurden in den RAD (Reichsarbeitsdienst) über- nommen, in dem Jungmänner sechsmo- natigen Dienst leisten mussten. Beim Bau des Sportplatzes (neben dem heuti- gen Gasthof Bergkristall) im Frühjahr 1938 fanden arbeitslose Kartitscher Bur- schen Beschäftigung und ab Mai 1938 gab es Arbeitsmöglichkeiten beim Zoll- hausbau, ebenso bei Trockenlegungsar- beiten in den Sillianer Feldern und bei Straßenarbeiten im westlichen Gosten- wald. Das Lohnniveau und auch die Holzar- beiterpreise stiegen etwas an. Allerdings wurde die finanzielle Verbesserung bei der Umstellung auf die neue RM - Währung durch die zu geringe Schilling - Bewertung (1 ½ : 1) relativiert. Für 1,50 Schilling wurde 1,00 RM gerechnet. Für 1. Mai wurde von der Parteileitung die Aufstellung eines Maibaumes ver- ordnet. Wie in einigen anderen Orten des Oberlandes war es in Kartitsch der bisher erste. Er stand am Schulplatz und am Vormittgag wurde mit Musik, An- sprachen, Schuhplattlern und Deutsch- landlied der Tag der Arbeit gefeiert. Zum Aufmarsch waren neben der SA in hellbrauner Uniform bereits HJ - Burschen und BdM - Mädchen dabei, obwohl Uniformierung nur für einige zur Verfügung war. Als nach der Maifei- er der Grellerbauer zur Feldarbeit gehen wollte und von einem SA - Zöllner in Werktagsschuhen gesehen wurde, erhielt er eine Verwarnung und musste mit ei- ner Anzeige rechnen. Ähnlich gefeiert mit Lied und Tanz wur- de zum Sonnwendfeuer im Juni, in Kar- titsch auch erstmals, im Stiefboden im Winklertal. Dabei wird erzählt, dass die Schulkinder am Vormittag einen großen Holzstapel zusammentragen und auf- richten mussten. Als die Parteifreunde sich am Abend zur Sonnwendfeier ver- sammelten, war der Holzstapel bereits völlig abgebrannt. Jemand erlaubte sich den Scherz, das Holz bereits am späten Nachmittag anzuzünden. Der Täter konnte zum Glück nicht gefunden wer- den. Bereits im Mai 1938 wurde der „ Reichsdeutsche Nährstand “ auf die Ostmark ausgedehnt. Damit wurden die Agrarpreise, einschließlich Holzpreis, staatlich reguliert. Bäuerliche Produkte waren nun um einen Festpreis zu ver- kaufen. Bäuerlicher Besitz war genau zu registrieren und der Bauer erhielt eine Hofkarte. Zusätzlich kam die bis Ende Dezember 1938 laufenden Anmeldung zur Entschuldung verschuldeter Höfe mit umfangreichen Fragebögen. So war bäuerlicher Besitz damit bis ins kleinste Detail erhoben. Mit dieser Entschuldung konnten zwar Zwangsversteigerungen verhindert wer- den, tatsächlich war es eine Umschul- dung durch langfristige Darlehen. In Kartitsch mit Hollbruck wurde sie für 65 Höfe angemeldet und für 49 Höfe bewil- ligt. Letztlich blieben neun Höfe länger- fristig und grundbücherlich belastet. Durch das Erbhöfegesetz vom Juli 1938 wurden Bauernhöfe über 7,5 ha Anbau- fläche automatisch Erbhöfe und durften nur an männliche Nachkommen vererbt werden. Die beiden von 1938 - 1940 erbauten ehemaligen Zollhäuser Die 1938 - 39 für jeden landwirtschaftlichen Betrieb verpflichtend vorgeschriebene Hofkarte

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