GZ_Kartitsch_2021_03

Seite 33 Ausgabe 87 Historisches: Nazi - Zeit in Kartitsch Abstimmung Bereits am 13. März verordnete Adolf Hitler eine für das ganze Reich geltende Volksbefragung zur nachträglichen Le- gitimierung des bereits vollzogenen Ein- marsches. Osttirol wurde dabei bereits dem Gau Kärnten zugeteilt. In den nächsten Wochen durchzog eine politi- sche Werbe - und Hetzkampagne das ganze Land. Bis in die kleinsten Ge- meinden reichten die Versammlungen, Aufmärsche und Geschenkverteilungen. Zur möglichst flächendeckenden Nut- zung von Rundfunk - Propaganda wurden österreichweit ca. 20.000 Radiogeräte (Volksempfänger) verteilt. In Kartitsch waren es etwa 8 Geräte, die von der SA verschenkt wurden. Kurz- fristig erfolgten Lebensmittelspende - Aktionen, mit denen auch die ländliche Bevölkerung bedacht wurde. In Kartitsch wurden die Gaben im Wert von etwa 5,00 Reichsmark pro Person in der Alten Schule verteilt, woran sich ältere Gemeindebürger noch gut erin- nern konnten. Eine spürbare Hilfe für die Arbeitslosen und bereits Ausgesteuerten bedeutete die Wiedereinführung der Notstandshilfe sowie deren Krankenversicherungs- schutz. Ebenso wurde den Familien wie im Altreich ab dem 4. Kind eine Kinder- beihilfe bis zum 16. Lebensjahr zugesi- chert, worauf aber nicht jeder Anspruch hatte. In der zweiten Märzhälfte konnten rund 50 Osttiroler Kinder zur Erholung ins Altreich reisen, davon fünf Mädchen von Kartitsch, die dann viel zu erzählen wussten. Der Ende März verordnete vorläufige Stopp von Zwangsversteigerungen be- deutete auch für schwer verschuldete Kartitscher Bauernhöfe eine große Er- leichterung. In den Landgemeinden des Oberlandes hatten zumindest zwei bis drei Wahlwer- beversammlungen für ein „ Ja “ bei der Volksabstimmung stattzufinden. Für Kartitsch und auch für die kleine Ge- meinde Hollbruck waren es je zwei. In Kartitsch fanden diese im Saal des Gast- hofs Ebner, heute Dolomitenhof, statt. Wie die darauf folgenden Presseberichte ähnelten sie sich im Ablauf: Fahnen - und Girlandenschmuck, Blasmusik, Auf- marsch der Fahnen und Parteigenossen, Heldenehrung, Deutschland - und Horst - Wessellied nach der Parteirede. In Innsbruck und Klagenfurt wurden Großkundgebungen im Beisein des Füh- rers inszeniert. Zur Veranstaltung am 5. April in Klagenfurt wurde auch die Be- völkerung von Osttirol mit rund 5.000 Teilnehmern vergattert. Von Kartitsch waren die Blasmusik und eine Schützen- abordnung dabei. Mit weiteren Personen waren es insgesamt 100 Teilnehmer. Dem Erzählen nach soll die Veranstal- tung je nach politischer Gesinnung über- wältigend bis erschreckend gewesen sein. Zum Wahlsonntag, den 10. April, galt Dorfbeflaggung und Girlandenschmuck. Spruchbänder wurden aufgehängt und das Läuten der Kirchenglocken wurde angeordnet. Abends waren ein Fackel- zug mit Böller und Blasmusik, Anspra- chen sowie eine Häuser - und Bergbe- leuchtung. Am Platz vor dem Wahllokal im Kellergeschoss der Volksschule (heute Kindergarten) wurde ein ta- xenumwundenes Hitler - Monument er- richtet. Viele Hitlerbilder wurden aufge- stellt und sogar in St. Oswald war neben Fahnen und Taxengebinden ein Spruch- band ausgehängt, darauf zu lesen stand: „ Ein Volk! Ein Reich! Ein Führer! “ Im „ Deutschen Osttiroler “ las man dazu: Kartitsch: „… Mit großer Begeisterung wurde die Volksabstimmung durchge- führt, die ganze Ortschaft prangte im Festschmuck von Fahnen, Girlanden umrahmten das Bild des Führers. – Am Tage der Wahl sah man ganze Scharen zu den Wahlurnen schreiten. Der Weiler Waldviertel (heute Neuwinkl d. V.) ging geschlossen, Männer und Frauen im Zuge zur Wahl, voran trugen sie eine Tafel mit der Inschrift: ,Waldviertel stimmt geschlossen mit Ja ’. Jeder Wahl- berechtigte ging zur Wahl. Alle abgege- benen Stimmen waren mit ‚ Ja ’ bis auf eine einzige. Groß war der Jubel beim Fackelzug und die Rufe ‚ Heil Hitler ’ und ‚ Ein Volk ein Reich ein Führer ’ wollten kein Ende nehmen “. In Kartitsch wurde bei 482 Wählern eine Gegenstimme abgegeben, in Hollbruck stimmten alle 51 Wähler mit „ Ja “, wo- mit sich der Ort fortan „ Hitlergemeinde “ nennen durfte. Aus heutiger Sicht war diese fast hundertprozentige Zustim- mung unverständlich, allerdings war sie nicht mehr eine freie Entscheidung der Wähler. Vielmehr gingen ihr Wochen voll Misstrauen und Gesinnungsterror voraus, neben Versprechungen und Pro- Werbeplakat zur Volksabstimmungam 10. April 1938 Kartitsch, um 1940

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