GZ_Kartitsch_2021_03

Seite 32 Ausgabe 87 Historisches: Nazi - Zeit in Kartitsch Nazi - Zeit von 1938 - 1945 in Kartitsch (Teil 1) Mit der Annexion Österreichs durch Nazi - Deutschland und dem Einmarsch reichsdeutscher Truppen am 12. März 1938 begann eine länger als sieben Jahre dauernde nationalsozialistische Diktatur, die in den Zweiten Weltkrieg mündete und deren politische und gesellschaftli- che Auswirkungen sich bis in die kleins- ten Dörfer und alle Bevölkerungsschich- ten zeigte. Wie ähnliche Gemeinden war auch Kartitsch davon betroffen. Dieser politische Umsturz kam nicht überraschend und zeichnete sich seit längerem ab. Die Erwartungen waren unterschiedlich, Sympathisanten freuten sich darauf, andere waren in Sorge. Aufgrund jahrelanger Not und Armut, Arbeitslosigkeit, niedriger Erträge in der Landwirtschaft mit hoher Verschuldung und jahrelangen Terrors radikaler und illegaler Nazis war die Meinung der Bevölkerung gespalten und verunsichert. Es gab propagandistische Versprechun- gen für Arbeit, Brot und wirtschaftliche Verbesserungen nach dem Anschluss, aber auch die Sorge der Radikalisierung, Gefährdung der Meinungsfreiheit und die Angst um eine ähnliche Entwicklung wie in Deutschland seit der Machtüber- nahme durch die NSDAP: Kaltstellung Andersgesinnter und politischer Gegner durch Gefängnis und Zwangseinweisung in KZ, Verfolgung jüdischer Bürger, der Kirche und weiterer Glaubensgemein- schaften, politischer Terror. Vieles davon konnte man in der österrei- chischen Presse bis dahin noch lesen. Vielleicht liegt hier der Grund, dass über diese politische Wende von Zeitzeugen nicht viel erzählt wurde. Noch in der Nacht zum 12. März 1938 wurde der bisherige Bezirkshauptmann Hermann Riffeser abgesetzt und der Lienzer Finanzbeamte Anton Stremitzer zum ersten kommissarischen NS - Be- zirkshauptmann Osttirols ernannt. Zu- gleich erfolgte die Gleichschaltung von Exekutive, Bundesheer und Presse. Wie für ähnliche kleine Gemeinden Ost- tirols gibt es für Kartitsch keinen Hin- weis einer spontanen Anschlussfeier oder eines Aufmarsches an diesem Samstag, den 12. März 1938, wohl aber wurden Versammlungsverbot und die Beflaggung öffentlicher Gebäude (Schule, Gemeindeamt, Gendarmerie) mit Hakenkreuzfahnen angeordnet, die ebenso wie SA - Uniformen bei illegalen Anhängern bereits versteckt lagerten. Sofort wurde die bisherige Bezirkszei- tung „ Lienzer Nachrichten “ verboten und bereits am Montag, den 14. März, erschien in großer Aufmachung die 1. Folge des „ Der Deutsche Osttiroler “. Ab Herbst 1938 wurde diese Zeitung von der nun von Klagenfurt redigierten „ Lienzer Zeitung “ abgelöst. Vielerorts bereits am Samstag oder Sonntag, bei uns wahrscheinlich am Montag, den 14. März, wurden die Bür- germeister abgesetzt und durch regime- genehme ersetzt. In Kartitsch wurde Bürgermeister Andrä Außerlechner, vlg. Greter, gegen Bürgermeister Andrä Au- ßerlechner, vlg. Joaser, ausgetauscht und zugleich wurde der Gemeinderat aufge- löst. Bereits für Dienstag, den 15. März, wurde österreichweit eine schulische Anschlussfeier angeordnet und auch in Kartitsch abgehalten. Am 17. März folg- te die Vereidigung der Gendarmerie - Beamten und am 30. März jene der Leh- rerschaft. Unverzüglich wurde die Orts- gruppe der Heimatwehr und der Vater- ländischen Front aufgelöst. Der Kartit- scher Gendarmerieposten wurde um zwei linientreue Beamte aufgestockt und die Zollwachabteilung wurde am 22. März mit insgesamt sechs Zollwachebe- amten verstärkt, letztere kamen alle vom Saarland und waren überwiegend der SA zugehörig. Der verstärkte Grenzschutz sollte vor allem illegale jüdische Vermö- gensverschiebungen ins Ausland verhin- dern. Zug um Zug mit der politischen Umstel- lung erfolgten auch in Osttirol erste Ver- haftungen: führende bisherige Bezirks- beamte des Ständestaates und der Hei- matwehr, die beiden jüdischen Kaufleu- tefamilien aus Lienz, vom Oberland Bürgermeister LA. Jakob Annewanter (Obertilliach) als bisheriger Bezirksfüh- rer der Vaterländischen Front und der Heimwehrler, Anton Leiter (Außervillgraten) sowie weitere. Von den insgesamt 24 Verhafteten sind 16 bereits am 15. März genannt. Ende März 1938 wurden einige Sicherheitswache- beamte sowie die Gendarmen Jakob Weiler aus Obertilliach und der mit ei- ner Kartitscherin verheiratete Ägydius Pirkner (Lienz), da politisch unverläss- lich, entlassen. Der einfache Bürger er- fuhr von alledem wenig. Die Symbole der neuen Machthaber am Tiroler Landhaus in Innsbruck Sofortige Gleichschaltung der Presse, bereits am Montag, 14. März erschien die erste Nummer „ Der Deutsche Osttiroler “

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