GZ_Virgen_2021_03

46 Dorfleben – Menschen Virger Zeitung in arge Schwierigkeiten. Ich wollte nicht weg, um zu studieren. Erst als die Tränen flossen, gab er auf. Was wäre wohl aus mir geworden? Sicherlich kein guter Theologe – ein Leben im Zölibat – so etwas Unmenschliches. Schulzeit Meine Einschulung 1944 in die Volksschule geschah im heutigen Gemeindeamte und meine erste Lehrerin war Frau Perfler – streng, aber gerecht. Die Klassen waren groß und mit 50 bis 60 Schülern besetzt. Ein sogenannter Abtei- lungsunterricht, also mehrere Altersstufen wurden hier unterrich- tet. Religion durfte an der Schule nicht unterrichtet werden, das ver- bat das Nationalsozialistische Re- gime. Unser Religionsunterricht wurde heimlich in der Kirche, ober- halb des Neugebäudes abgehalten. Die Hauptschulzeit in Lienz war sehr schwer – ich wurde wegen meiner Dorfherkunft und der ein- fachen, bäuerlichen Bekleidung von den Stadtkindern ausgelacht. Meine Schulleistungen waren schlecht und ich musste eine Klasse wiederholen. Besonders das Heimweh machte mir sehr zu schaffen. Erst im zweiten Schuljahr fand ich über den Sport Anerken- nung und Freunde. Damit verbun- den war eine Steigerung meiner Schulleistung und ich schloss in allen Fächern mit „Sehr gut“ ab. Die Almsommer in Zupal und auf dem „Firscht“ mit den „Roll-“ und „Kessler- Bübm“ waren ein Kapitel für sich. Man stelle sich vor, vier Buben zwischen 12 und 16 Jahren verbringen einen ganzen Sommer allein auf der Alm, mit Rindvie- chern, für die sie verantwortlich waren. Fahrweg gab es keinen und die 1.200 Höhenmeter mussten über einen steilen, schlecht begeh- baren Steig zu Fuß bewältigt wer- den. Wie man sich vorstellen kann, kam da selten Besuch und der Nachschub an Essbarem war mehr als mangelhaft. Milch und Wasser war in Überfülle vorhanden, aber ansonsten gab es hartes Brot, Kar- toffeln und Mehl. Der Roll Lois war der Chefkoch. Er versorgte uns mit Milchmus, Kartoffeln mit Milch, Palatschinken und einmal kann ich mich an einen Pudding erinnern – das war eine kulinarische Krönung. Es gab drei jugendliche „Kampf- truppen“ im Dorf. Die „Millenrett- lere“ (Mühlenrotte), die „Henikgass- lere“ (Honiggasse) und die „Ausser- rettlere“ (Außerrotte). Diese Revier- verteidigungskämpfe spielten sich im ganzen Dorf ab und endeten aber meist friedlich. Wir Ausserrett- lere waren eher human und zogen uns zurück, wenn es brenzlig oder gefährlich wurde – also die Hosen- scheißer. Es war ein unvergessliches, wunderbares Heranwachsen. Ausbildung zum bäcker Schon als Schüler musste ich in der Bäckerei mithelfen und ich tat es nicht ungern. Ein alter Holzback- ofen mit direkter Befeuerung war das Herzstück der kleinen Dorf- bäckerei. Es wurde alles händisch bearbeitet, es gab keine Maschinen. Die Teige wurden in einem Holz- trog gemischt. Der Ofen konnte nur maximal zweimal beschickt wer- den, dann musste man wieder me- terlange Holzscheite einlegen und anzünden. Es dauerte, die Glut wurde gleichmäßig auf der Herd- platte verteilt, nach dem Abglühen mit einer Ofenkrampe herausge- putzt und dann noch einmal mit einem nassen Tuch nachgewischt. Dann wurden händisch die teigigen Brotlaibe und weißen Wecken ein- geschossen. Also eine langwierige Prozedur. Das waren meine ersten Lernschritte mit dem kostbaren Grundnahrungsmittel Brot. Zusehends wuchs ich in diesen Beruf hinein und meine Mutter hatte schon einen Lehrplatz nach der Hauptschule bei der Bäckerei Schuster in Lienz für mich reser- viert. Während der Lehrzeit wohnte ich bei meiner Tante Midl in Lienz. Ein normaler Arbeitstag dauerte von 2.00 Uhr nachts bis 12.00 Uhr Mittag und dann wie- der von 16.00 bis 22.00 Uhr – also 16 Stunden und manchmal auch länger. Es war eine beinharte Zeit und trotzdem möchte ich sie nicht missen. Jedes Wochenende fuhr ich die Strecke Lienz und retour mit meinem grünen Puch Fahrrad, das ich mir selbst gekauft hatte und mein ganzer Stolz war. Nach der Lehrzeit wollte ich eigent- lich in die Schweiz gehen und mein Fachwissen vertiefen, ich hatte be- reits eine Stellte dort. Aber unser Fritz als junger bäckermeister vor dem „Machtler haus“ im jahr 1964 mit Waldemar und norbert aus Frankfurt.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTUxMzQ3