GZ_Virgen_2021_03

45 Dorfleben – Menschen Virger Zeitung Gefangenschaft nach Hause kam und er ihr nun berichten möchte, wo und wie ihr Mann und unser Vater zu Tode kam. „Es war Sonntag, der 25. März 1945, ein sonniger, warmer Früh- lingstag. Wir hatten in Kahlholz, am Frischen Haff in Ostpreußen unsere Feldbäckerei aufgebaut und die Soldaten der 4. Armee mit frischem Brot versorgt. Ernst war ein Sonnenanbeter und hat sich nach der Arbeit in den Garten gelegt und ein Buch gelesen. Er kam nicht mehr rechtzeitig in Deckung, als russische Tiefflieger unsere Stellung beschossen. Die Flugzeuge kamen von Osten hinter einemWaldhügel der Ortschaft Balga und waren in Sekunden da. Er war sofort tot. Mit noch zwei Kameraden wurde er an Ort und Stelle begraben.“ Durch diesen Brief bin ich unru- hig geworden. Ich wollte unbe- dingt den Ort, wo unser Vater sein Leben an den Schöpfer zurückgab, einmal besuchen. Ich konnte mit Hilfe der deutschen Kriegsgräber- fürsorge (Schwarzes Kreuz), die mich mit Kartenmaterial in Deutsch ver- sorgte – heute ist dieses Gebiet eine russische Enklave – den Ort ausfindig machen. Bei meinem ers- ten Besuch habe ich ein kleines Fichtenbäumchen aus Virgen mit- gebracht und es als letzten Gruß der Heimat in fremde Erde einge- pflanzt. Mittlerweile konnte ich die letzte Ruhestätte meines Vaters dreimal besuchen. Der dritte Be- such war der emotionalste für mich. Meine Kinder schenken mir diese Reise zum 70er. Dieser Be- such war ein Schlüsselerlebnis für mich und meine Söhne. Diese Ver- abschiedung nach 63 Jahren, mit der Anbringung einer Gedenktafel christel und Fritz gaben sich 1961 das ja-Wort. und dem Lied vom „Guten Kame- raden“ und der „Friedensmelo- die“, komponiert von Fritz und ge- blasen von Norbert und Fritz, bleibt bis zum Lebensende in unsere aller Herzen tief verankert. bescheidene kindheit Zurück zu meiner sehr einfachen, aber auch glücklichen Kindheit. Mit meiner um zwei Jahre jüngeren Schwester konnte ich als Bub nicht viel anfangen. So war ich in der Nachbarschaft, hauptsächlich beim „Roll“. Das war einer der größten Bauernhöfe im Dorf. Stall, Haus, Hof und die umliegenden Felder und Wiesen waren für uns ein Pa- radies. Die Roll-Mame, eine wun- derbare Frau voller Güte und Ein- sicht, hat nie ein Wort des Tadels oder der Zurechtweisung ausgespro- chen, wenn es noch so laut und räu- berisch im Hause zuging. In dieser bäuerlichen Umwelt wurde die Hal- tung für mein späteres Leben mit- beeinflusst. Auch der frühe Kon- takt zum kirchlichen Leben, ich war ein sehr gewissenhafter Ministrant, hat mich sehr geprägt. Der Koope- rator hätte es gerne gesehen, dass ich studieren gehe. Eine Vorladung ins Büro des Widums brachte mich Almblasen auf Zupal am 15. juli 2007.

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