GZ_Assling_2021_02

Wenn wir unseren Körper im Spiegel betrachten, dann neh- men wir meist nur uns selbst wahr. Den Menschen, den selb- ständigen Organismus. Was wir nicht sehen, sind all die Alliierten in uns und auf uns: Mikroskopisch kleine Verbün- dete, die uns immer begleiten, uns unterstützen und oft auch gegen Feinde verteidigen. Sie sind für uns unsichtbar, aber wir bilden dennoch eine sym- biotische Gemeinschaft mit ihnen und können nicht ohne einander. Die Milliarden, ja Billionen von Mikroorganis- men, also Bakterien, Viren und andere, die uns vor allem im Darm, aber auch auf der Haut, auf den Schleimhäuten und auf anderen Körperregionen besiedeln, sind von zen- traler Bedeutung für uns. Diese Lebensgemeinschaft nen- nen Experten das „Mikrobiom“. Das Mikrobiom leistet also einen wichtigen Beitrag zu unserer Gesundheit, allerdings sind die Zusammensetzung und die genaue Funktion noch nicht genau bekannt. Ähnlich wie ein tropischer Regenwald ist auch das Mikrobiom ein komplexes Ökosystem. Nur durch ein perfektes Zusammenspiel der ver- schiedenen Organismen funktioniert es. Zwar bilden wir als Wirtsorganismus Mensch mit etwa 99% den deutlich größten Teil der Biomasse, also des Gewichts dieser Gemeinschaft. Vergleicht man aber die Anzahl der menschlichen Körperzellen - so an die 50 Billionen – mit den sehr viel kleineren Mikroben, sind diese mit 10 zu 1 – also an die 500 Billionen – in der Überzahl. Diese Mikroorganismen helfen uns u.a. bei der Verdauung und schützen uns sogar vor Krankheitserregern. Durch die dichte Besetzung der Lebensräume auf der Darm- wand und den anderen Regionen ist kein Platz für krankma- chende Erreger. Die „guten“ Bakterien verteidigen uns sozusagen gegen die „bösen“. Außerdem trainieren sie unser Immunsystem. Studien haben gezeigt, dass die sich entwik- kelnde Darmflora entscheidend zur Ausbildung unseres Immunsystems beiträgt. Die Zusammensetzung des menschlichen Mikrobioms ist sehr variabel und wird unter anderem von der Ernährung, der Immunkompetenz und auch Medikamenten beeinflusst. In der Regel leben wir als „Wirt“ zwar friedlich mit unserem Mikro- biom zusammen, allerdings können sich auch Krankheitserre- ger hinzugesellen oder normale Mitglieder des Mikrobioms werden durch Veränderung des Umfeldes - der Umgebung zu Krankheitserregern. Diese siedeln sich vor allem dann an oder vermehren sich, wenn das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Solche Störungen können sowohl von inneren als auch von äußeren Faktoren ausgelöst werden. Eine Behandlung mit Antibiotika beispielsweise soll in erster Linie krankmachende Bakterien abtöten, richtet sich aber teilweise auch gegen die vorhandenen „guten“ Bakterien. Auch bei vie- len menschlichen Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes und entzündliche Darmerkrankungen und auch noch anderen Erkrankungen, kann man das beobachten. Solche Erkrankun- gen können auf eine Störung des Mikrobioms folgen, sie kön- nen aber auch selbst der Auslöser dafür sein. Tatsächlich kann man heute sogar aufgrund einer Untersu- chung der Mikroflora auf den Gesundheitszustand eines Patienten schließen. Mediziner können zwischen einer gesun- den und gestörten Gemeinschaft von Mikroorganismen im Mund, auf der Haut oder im Genitalbereich unterscheiden und aufgrund dessen Diagnosen stellen. Die Herausforderung für die Mikrobiomforschung ist es, die- ses komplexe Geflecht im Detail zu verstehen, die Zusammen- hänge zu erkennen und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Körper zu entschlüsseln. Eine Hürde, die es bei der Erforschung zu überwinden gilt ist allerdings auch, dass bei weitem nicht alle Organismen bekannt sind. Das bedeutet, dass man oft zwar weiß, wie viele Bakterienarten dem Mikro- biom angehören, aber nicht, welche Funktion jede einzelne Art hat und was sie zum Überleben braucht. Es wäre wichtig, das Wechselspiel zwischen dem Immunsy- stem des „Wirtes“, den besiedelnden Mikroorganismen und den bakteriellen und viralen „Krankheitserregern“ zu analysie- ren. Das Verständnis der zugrundeliegenden regulatorischen Netzwerke kann zu neuen Medikamenten oder Therapiefor- men führen, mit denen sich Infektionskrankheiten, die jedes Jahr Millionen Menschenleben kosten, behandeln oder sogar verhindern lassen. Das Mikrobiom gibt es natürlich nicht nur auf oder in uns Menschen. Mikrobiome befinden sich in allen Lebewesen, auch Tieren, natürlich auch Pflanzen, auch die sogenannte unbelebte Natur ist voller Leben, voller Mikrobiome, der fruchtbare Boden, die gesamte Erde hat ihr Mikrobiom. Und wer zerstört gerade das „Mikrobiom“ der Erde in gewaltigem Tempo? Alle Pandemien haben ihren Ursprung in Mikrobiomen. Wenn die Balance im Mikrobiom gestört wird, kommt es zu Krankheitsausbrüchen – dann vermehrt sich ein Mikroorga- nismus mehr als die anderen. Ob sich daraus Krankheiten, Epi- demien oder Pandemien entwickeln, ist von vielen weiteren Faktoren abhängig, zum Beispiel von der Virulenz des Erre- gers, das heißt dessen Fähigkeit zur Ansteckung und der Emp- findlichkeit des Wirtes. Krankheiten können in vielen Mikrobiomen ihren Ursprung haben, sie können von anderen Menschen, Tieren, Pflanzen oder durch Wasser übertragen werden. Die Vernetzung und Bedeutung der Mikrobiome hat zum „one health“ Ansatz der Weltgesundheitsorganisation Seite 22 02/2021 Fortsetzung nächste Seite unten Das Microbiom - Nur gemeinsam sind wir stark Die Seite für die Gesundheit mit Doktor Adelbert Bachlechner

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