GZ_Oberlienz_2020_12

Oberlienz erlesen 27 Oberlienz ernst wäre, müßte man darüber lachen. Mit dem Beschlusse vom 28. Dez. vor. Jahres betreffs Milchpreiserhöhung ist eine solche Gährung eingetreten, daß selbst die besten Freunde sich wegen den Paar Milchkreuzern in den Haaren liegen und macht man die Erfahrung, daß derjenige, der keine Kuh hält, als heftiger Gegner zu betrachten, und als solcher einer Bespre- chung über wirtschaftliche Angelegenhei- ten unzugänglich ist; man gibt uns den Rat, wenn wir mit den früheren Milchprei- sen nicht auslangen, sollen wir unsere Bu- de zusperren;...Es klingt fast wie Größen- wahn, den Milchproduzenten vorschreiben zu wollen, daß sie das Liter Milch zu 16 Heller, sage sechzehn Heller, abgeben müssen und sich so die Früchte ihres Schweißes landwirtschaftlichem Betriebe anbringen lassen sollen, nachdem talauf und talab das Liter Milch schon seit Jahren zu 20 Heller geliefert wird. Eine weitere Widerlegung der unlängst verbreiteten Flugschrift an die „Bewohner von Lienz“ ist ganz überflüssig und die Milchlieferanten von Lienz und Umgebung sollen wissen, daß es bei der abgemach- ten Erhöhung von 10 Kreuzer 20 Heller per Liter bleibt und sich nicht durch törichte Schreckmittel irre führen zu lassen brau- chen. Schließlich wird noch bemerkt, daß die Absicht ist, daß die Sennereigenossen- schaften Oberlienz und Grafendorf in Einvernehmen mit größeren Milchlieferan- ten in Lienz eine Filiale der Zentral Molke- rei Innsbruck gründen, wodurch eine Er- höhung der Milchpreise über die 20 Heller nicht ausgeschlossen ist.“ Dem konterte die Lienzer Bevölkerung „Wenn aber die Milchverkäufer glaubten, daß es mit einer kleinen Aufregung abge- tan sei und ohne weiteres der erhöhte Milchpreis als etwas Unvermeidliches an- gesehen und bezahlt werden müsse, so haben sie diesmal die Rechnung ohne den Wirt, d. h. ohne die Eisenbahner ge- macht, ein Faktor, mit welchem in Lienz in jeder Beziehung gerechnet werden muß. Die drei in Lienz bestehenden Organisatio- nen, nämlich das Zugsförderungspersonal, das Verkehrspersonal und der christlich soziale Verkehrsbund, haben sich bereits zum Kampfe gegen die Milchverkäufer geeinigt und ein Komitee gewählt, wel- ches die Aufgabe hat, die Milchverkäufer zu zwingen, die Milch um den bisherigen Preis von 16 Hellern zu verkaufen, oder ihnen durch Schaffung einer anderen Be- zugsquelle scharfen Wettbewerb zu machen. Ein Teil der Milchverkäufer hat sich auch bereits entschlossen, zum alten Preise zu- rückzukehren; gegen die übrigen geht das Eisenbahn Komitee nun mit aller Entschie- denheit vor, indem es in einer erschiene- nen Flugschrift an die Bewohner von Lienz mitteilt, daß es ihm gelungen ist, einen auswärtigen Lieferanten zu finden, welcher bereit ist, die Milch um 16 Heller das Liter nach Lienz zu stellen und von der Ausfüh- rung dieses Planes nur dann Abstand ge- nommen wird, wenn die hiesigen Milch- verkäufer ihren Beschluß zurücknehmen und in der nächsten Nummer der „Lienzer Zeitung“ veröffentlichen, daß sie die Milch wieder zum früheren Preise abgeben wol- len. Da in dieser Flugschrift auch die Nicht Eisenbahner eingeladen werden, ihren Milchbedarf bei diesem auswärtigen Liefe- ranten zu decken, so dürfte diesmal den Milchverkäufern nichts anderes übrig blei- ben, als nachzugeben, falls sie ihre Milch nicht selbst trinken wollen.“ – Bozner Zeitung vom 16.01.1905, S. 5 Auch Jahre später wurde der „Milchkrieg“ zwischen Land- und Stadtbevölkerung weitergeführt. Nichtsdestotrotz umfasste die Genossenschaft im Jahr 1912 stolze 157 Mitglieder. Und dennoch wurde 1913 der Sennerei/Molkerei-Betrieb vom Standort in Oberlienz (heutiges Durnwalderhaus) nach Lienz verlegt. „Vor kurzer Zeit wurde auch der technische Molkereibetrieb von Oberlienz nach Lienz, Kreuzgasse 13 verlegt und wird die Milch von der Umgebung namentlich von den größeren Besitzern in Oberlienz bezogen. Man erhält deshalb in der Molkerei täg- lich 2 mal frischgekühlte Milch, wie auch alle sonstigen frisch hergestellten Molkerei- produkte, welche auf Verlangen frei in´s Haus gestellt werden. Die Molkerei besitzt auch in Velden am Wörthersee eine Filiale, welche sich eines regen Zuspru- ches erfreut.“ – Lienzer Zeitung vom 11.11.1913, S. 2 von Elisabeth Hainzer und Gottfried Stotter © Erich Gratz © Chronik Oberlienz

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