GZ_Leisach_2020_12

9 gab es bereits eine Haushaltungsschule der Franziskanerinnen für Mädchen, eine Schule für Burschen war in Planung. Daran war Norbert neben seiner Arbeit in Wewak be- reits maßgeblich beteiligt. Unzählige Male pendelte er zwischen den beiden Einsatz- orten hin und her, zuerst mindestens fünf Stunden mit dem Auto auf einer staubigen Lehmstraße und dann weitere fünf Stunden mit einem Boot auf dem Sepik-Fluss. Der Bau des Schulgebäudes in Zusammen- arbeit mit den Einheimischen und das natur- nahe Leben mit ihnen im Busch banden Norbert so an dieses Projekt, dass er noch einmal zwei Jahre an seinen Einsatz an- hängte. In dieser Zeit lernte er auch Bertha kennen, die in der Mädchenschule Religion unterrichtete und den Haushalt in der Missi- onsstation führte. Durch ihre große Familie und ihren Clan konnte er viele Traditionen und Einstellungen kennenlernen, die sonst nur Insidern vorbehalten sind. Die Natur- verbundenheit und die spirituelle Welt dieser Stammesgemeinschaften hat Norbert schätzen gelernt. Nicht immer ging alles problemlos: Er musste sich gegen engstirnige Obrigkeiten durch- setzen, Verletzungen und Malaria-Anfälle auskurieren, und es gab auch einzelne Anfeindungen und Angriffe missgünstiger Clans. Aber durch seine Tatkraft und den Zusammenhalt der Menschen, die in seine Projekte involviert waren, konnten alle Schwierigkeiten gemeistert werden. Nach sechs Jahren im Einsatz zog Norbert im September 1996 wieder zurück in sein Elternhaus nach Leisach, begleitet von Bertha, die sich entschlossen hatte, ihre vertraute Heimat und ihre Familie zurück- zulassen, um an seiner Seite zu bleiben. Für sie war es das Eintauchen in eine völlig neue Welt mit anderer Sprache, anderer Lebens- weise, anderem Klima. Mit den kalten Temperaturen im Osttiroler Winter kam Bertha fast besser zurecht als Norbert, für den die Rückkehr in seine alte Heimat ein regelrechter Kulturschock war. Im darauffolgenden Jahr heirateten die bei- den und zogen ins Kernfeld. Im Jahre 1998 kam ihre Tochter Vanessa zur Welt, 2001 Rebecca und 2005 ihr Sohn Norbert, alle drei mit getönter Gesichtshaut und dem typischen dunklen Kraushaar der Melanesier. Zuhause sprachen sie weiterhin über- wiegend Pidgin, aber Bertha versuchte die deutsche Sprache zu lernen und besuchte auch einen Deutschkurs. Das wurde sehr schwierig, als sie über Nacht stark schwer- hörig wurde. Inzwischen kann sie auch mit einem guten Hörgerät nur auf einem Ohr ca. 20 % hören. Das macht Unterhaltungen mit Menschen, die ihr nicht vertraut sind, sehr schwierig. Wohl fühlt sich Bertha im Wald, wo sie liebend gern und mit viel Gespür Pilze sammelt. Nur zweimal kamen Bertha und Norbert bisher nach Ambunti zurück und verbrachten einige Wochen dort, das letzte Mal 2003, mit Vanessa und Rebecca. Auf ihre tüchtigen, weltoffenen Kinder sind Norbert und Bertha zu Recht stolz. Vanessa maturierte in der HLW und verbrachte danach ein halbes Jahr mit dem Work-and- Travel Programm in Neuseeland. Anschlie- ßend verdiente sie sich in Lienz Geld für ausgedehnte Reisen nach Kambodscha und Thailand. Derzeit arbeitet sie im Büro der Fahrschule Kontschieder und absolviert eine Ausbildung für Personal Management am WIFI. Rebecca schloss die HTL für Mechatro- nik in Lienz mit der Matura ab. Sie arbeitet jetzt in Lienz, möchte aber im kommenden Jahr nach Linz ziehen, um dort Medizintech- nik zu studieren. Unter den fernen Ländern interessiert sie sich vor allem für Japan und Korea, deshalb lernt sie seit einiger Zeit Japanisch. Norbert jun. ist derzeit Schüler der Fach- schule für Mechatronik. Er ist als äußerst talentierter Leichtathlet bekannt, der in den Disziplinen Weitsprung, Hochsprung und Hürdenlauf schon zahlreiche Tiroler Meister- schaften in der U16-Klasse gewonnen hat. An seinen freien Nachmittagen trainiert er regelmäßig und eisern in Lienz, wobei ihn sein Vater als Trainer betreut. Zum Stabhoch- sprung-Training fahren die beiden alle zwei Wochen nach Innsbruck. Mit seinen 57 Jahren tut Norbert alles, um auch sich selbst fit und gesund zu halten, denn er trägt sich mit dem Gedanken, nach seiner Pensionierung noch einmal einen Einsatz in Papua-Neuguinea anzutreten. Mit den Menschen, die ihn damals begleitet haben, steht er noch in Kontakt und er weiß, dass er mit seinem Wissen und seinen Fähig- keiten dort noch viel Gutes bewirken könnte. Mathilde Habernig

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