GZ_Kartitsch_2020_10

Seite 16 Ausgabe 86 Bäuerinnen Kartitsch Das ist mein letzter Bericht als Ortsbäuerin von Kartitsch. Ir- gendwie komisch, jetzt wo ich mich schon so daran gewöhnt ha- be. Alle meine Lebensabschnitte lehrten mich und halfen mir, Menschen zu verstehen. So brachte auch die Zeit als Ortsbäu- erin mir die Nähe zu den Men- schen in Kartitsch und Osttirol, sowie ein Verstehen für die Art und Kultur dieser Gegend. Danke an alle, die mich in dieser Zeit begleiteten, unterstützten und lobten. Dass ich sicher aus Un- wissenheit und Inkompetenz auch viele Fehler machte, möchte ich gar nicht abstreiten. So möchte ich mich bei allen entschuldigen, denen ich unwissend „ auf die Fü- ße “ getreten bin. Auch wenn ich nicht mehr in der Funktion als Ortsbäuerin tätig bin, helfe ich gerne wo ich kann und gebe das, was ich mir an Wissen in der Landwirtschaft an- geeignet habe, weiter. Ich hoffe sehr, dass sich wieder junge Bäuerinnen finden, die die Landwirtschaft als Chance für eine besondere Zukunft sehen und sich als innovative Frauen stark machen für Kartitsch und die Region. Es braucht junge Menschen, die Freude haben an der Herstellung von Lebensmit- teln. Menschen, die die Landwirt- schaft als eine der schönsten Be- rufungen sehen, mit einer wun- derbaren Vielfalt wie in keinem anderen Beruf. Für mich ist jeder Morgen ein Geschenk, wenn ich mich mit ei- genem Brot, Butter, Joghurt, Mar- melade, Tee und Käse an den Frühstückstisch setzen und in al- ler Ruhe mit meiner Familie früh- stücken kann. Was können wir unseren Kindern für wunderbare Dinge mit auf den Weg geben? Der Anbau von Kar- toffeln, Gemüse und Obst wird ihnen genauso bleiben, wie das Fahrradfahren. Ich durfte aus einer total digitalen Welt aussteigen (immer online, ständig am PC, jeden Tag Essen gehen, WE mit Freizeitablen- kung) und in eine bodenständige Landwirtschaft einsteigen. Mein Mann und seine Familie ließen mir die Freiheiten, meinen eige- nen Weg als Bäuerin zu finden und zu gehen. Allen ein großes Dankeschön! Denn diese Freiheit haben nicht viele junge Frauen in Osttirol. Ob es meine Hennen wa- ren, die Jersey Kuh, der Käse- raum oder eine meiner vielen Fortbildungen, es gab nie einen Einwand oder gar ein Verbot. Diese und viele andere Freiheiten schenken mir die Freude an mei- ner Arbeit und stärken mich als Botschafterin für die biologische Landwirtschaft. Der größte Dank gilt meiner Schwiegermutter! Ich kenne kei- nen zweiten Menschen, der so offen und dankbar ist, mich in meinem Tun unterstützt, für Har- monie im Hause sorgt und das beste Kindermädchen ist. Danke Elisabeth, schön dass du da bist! Aus Interesse für alle Formen der Landwirtschaft besuchte ich vor 6 Jahren einen Grundkurs der De- meter. Ich durfte unseren kleinen Bio Bauernhof zu einem Demeter Hof zertifizieren. Diesen kleinen Schritt zu einer ganz besonderen Art der Land- wirtschaft habe ich bis heute nicht bereut. Viele haben sicher hinter „ vorgehaltener Hand “ gesagt: „ Wie soll das funktionieren? Das geht doch nicht! “ Wer hinterfragt die konventionel- le Landwirtschaft, die globale Wachstumswirtschaft (Klimawandel, Biodiversitätsver- lust)? Eigentlich ist es schon in vielen Studien belegt und von Wissenschaftlern bestätigt. In- dustrialisierte Landwirtschaft, ebenso wie wachstumsorientierte Wirtschaft ist losgelöst vom Standort, losgelöst von der Um- gebung. Es ist ein Modell, um maximale Erträge herauszuholen. Vergleichbar mit einem triebge- steuertem Mensch, der jetzt im Moment alle Bedürfnisse sofort befriedigen will, auf Kosten aller! Deswegen sollte sich jeder die Frage stellen: Was wünsche ich mir von der Zukunft, außer einem neuem Auto (Handy, etc.)? Ich kann für mich sagen: Gute Laune und gesunde Lebensmittel! Wenn wir alle an einer solidari- schen Landwirtschaft arbeiten, regionale Lebensmittel kaufen, unseren Garten mit den Bienen teilen und eigene Lebensmittel anbauen, dann glaube ich an eine gute Chance für unsere Kinder und Kindeskinder. Dann habe nicht nur ich ein Le- ben, sondern alle die mit mir auf diesem Planeten leben. Für die Bäuerinnen Brigitte Außerlechner

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