GZ_Kals_2020_09

INSTITUTIONEN & VEREINE 42  FODN - 75/02/2020 FODN - 75/02/2020   43 INSTITUTIONEN & VEREINE "In der Ruhe liegt die Kraft" Von Johann Wolfgang von Goethe stammt der Satz: "Auch aus Steinen, die in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen." - Dies gilt wohl für die Herausforderungen des Lebens, wie auch für eine Wander- oder Bergtour, bei der man sich am Gipfel staunend über die Schönheit der Natur und den erziel- ten Erfolg erfreuen kann. Von Pfarrer Mag. Ferdinand Pittl W ie kleine Stufen nach oben lie- gen sie da, die vielen Steine auf dem Weg. Und während ich so dahingehe - meistens allein - gehen mir verschiedene Gedanken durch den Kopf: Gedanken über mein Leben, ein Problem, wo ich nach einer Lösung su- che, schöne Erfahrungen, für die ich dankbar bin,... Ludwig Thoma hat ein- mal geschrieben: "Es gibt Berge, über die man hinüber muss, sonst geht der Weg nicht weiter." Und immer wieder werde ich unterbrochen von den faszi- nierenden Augenblicken, die eine Wan- derung oder eine Bergtour bietet. Und natürlich möchte ich diese Augenblicke festhalten und ziehe schnell das Handy aus der Tasche um ein Foto zu machen. Aber die schönsten Fotos sind in den Gedanken - oder besser gesagt - im Her- zen - gespeichert, Augenblicke, die sich mit verschiedenen Gefühlen der Dank- barkeit, des Staunens und der Ehrfurcht vor Gottes Schöpfung und Größe ver- binden. Am Gipfel angekommen, ist es für mich schon ein gewohntes Ritual ge- worden, ein "Vater-unser" zu beten, das Lied "Großer Gott, wir loben dich" zu singen und den Segen zu spenden... So steht auf dem Gipfelbuch am Rotenkogl (2762m) folgendes geschrieben: "Gott achtet dich wenn du arbeitest, aber er liebt dich, wenn du singst." Danach darf das "Panorama-Video" und das "Gipfel- Bier" nicht fehlen! Natürlich ist für mich eine Bergmes- se immer ein besonderes Erlebnis. Und dann denke ich zurück, dass eben nicht ein einziger großer Schritt zum Ziel geführt hat, sondern die vielen kleinen Schritte... manches im Leben braucht eben "kleinere Schritte", um ein großes Ziel zu erreichen. Gerne verweile ich 1 Stunde oder län- ger am Gipfel und genieß die herrliche Aussicht. Ob ein luftiger 3000nder, oder ein "kleinerer Bruder", jeder Berg und jede Wanderung bietet mir Stunden der Erholung und neuer Kraft. Gerne verweile ich auch bei einem Gebirgssee und lass die Sonne, die sich im Wasser spiegelt, und die Ruhe, die ein Gebirgs- see ausstrahlt, in mich hineinwirken. Laotse meinte: "In fließendem Wasser kann man sein eigenes Bild nicht sehen, wohl aber in ruhendem Wasser. Nur wer selber ruhig bleibt, kann zur Ruhestätte all dessen werden, was Ruhe sucht." Bei so mancher Tour ergeben sich auch so manche "Gespräche" mit an- deren Wanderern. So bemerkte ich bei der Rast auf dem Almerhorn (2986m), wie eine Frau in einiger Entfernung immer wieder zu mir herüberschaute. Nach einiger Zeit fasste sie doch den Mut und fragte: "Entschuldige, bisch du nit a Pforra?" Es ergab sich ein nettes Gespräch ... Oder am "Bösen Weibele in Lienz (2521m) fragte ich einen mir ortskundig erscheinenden Wanderer, ob hier manchmal auch eine Bergmes- se stattfinden würde. Er meinte darauf etwas verärgert: "Ja, früher jedes Jahr. Aber jetzt machen wir nur mehr ca. alle 3 Jahre eine Messe, weil - woasch - des mit de Pfarrer - des isch ollm a so a Ge- bettle!" Und so ergab sich für mich eine wun- derbare Bergtour, die mit vielen schö- nen Augenblicken angereichert war und ich denke mir, wenn ich wieder zu Hau- se angekommen bin: "Geh deinen Weg gelassen und ruhig inmitten des Lärms und der Hast dieser Zeit und erinnere dich, welcher Frieden in der Stille liegt." (Lebensregel von Baltimore) Pfarrer Mag. Ferdinand Pittl am Gipfel des Großvenedigers

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