GZ_Kals_2020_09

40  FODN - 75/02/2020 FODN - 75/02/2020   41 PFARRGEMEINDE KALS PFARRGEMEINDE KALS Von Stefan Huter W eiters kann man auch die ruhige und authentische Atmosphäre im Ködnitz-, und Leitertal ge- nießen. Wallfahren heißt, sich auf Wan- derschaft befinden, um etwas zu suchen, dabei ist es einem selbst überlassen, auf welche Suche man sich begibt. Zunächst soll geklärt werden, wie sich das Wallfahren im historischen Zu- sammenhang entwickelt hat und welche Gründe Menschen dazu bewegen, sich auf Wanderschaft zu begeben. Im Christentum hat die Pilgerschaft im frühen Mittelalter begonnen. Da- bei ist es den Menschen vor allem darum gegangen, den Glauben aus- zuleben, Sünden wiedergutzumachen oder Dankbarkeit auszudrücken. Diese Wallfahrten sind mit langen und gefähr- lichen Wegen verbunden gewesen und die Ziele haben entweder in das Heili- ge Land oder zu Gräbern von Aposteln oder Päpsten geführt. Im Laufe der Zeit hat sich rund um das Thema Wallfahrt einiges geändert. Es gibt Pilgerwege, berühmte Pilgerorte sowie wunderschöne und prächtige sa- krale Bauwerke – an diesen Orten soll man Gott oder eben sich selbst beson- ders nahe sein. Die Faszination des Wallfahrens ist omnipräsent und wächst: Der berühm- te Jakobsweg mit dem Ziel des Grabes des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela zum Beispiel zählt jährlich über 200.000 Pilgerinnen und Pilger. Diese Entwicklung ist einerseits darauf zurückzuführen, dass die alltäglichen Aufgaben im Leben stressiger und die Leistungsanforderungen höher werden. Viele Menschen möchten demnach die- sem anstrengenden Alltagstrott entflie- hen, neue Prinzipien für ihr Leben fin- den und somit in ein ausgeglicheneres Dasein starten. Eine Pilgerschaft oder Wallfahrt bietet die Zeit und die nötige Ruhe, um darüber zu reflektieren und dies umzusetzen. Andererseits leben viele Menschen ihre religiöse Überzeu- gung beim Wallfahren aus. Man dankt Gott, dass es einem gut geht, man betet, dass man das bekommt, was man zum Leben benötigt oder man schaltet ein- fach ab und genießt die ruhige medita- tive Stimmung. „Was das Herz berührt, setzt die Füße in Bewegung“ – so ein- fach und präzise kann man die Motivati- on für das Wallfahren beschreiben. Jährlich findet auch in Kals eine Wall- fahrt statt, dazu habe ich den Organisa- tor Gerhard Gratz interviewt. Gerhard Gratz im Interview Die Wallfahrt von Kals nach Heili- genblut ist Tradition und erfreut sich hoher Beliebtheit. Seit wann bist du der Organisator dieser spirituellen Wallfahrt nach Heiligenblut Sich ein Stück weit Gott oder sich selbst nähern – das sind wohl die Hauptgründe, aus denen sich jährlich viele Menschen auf Pilgerschaft von Kals nach Heiligenblut begeben. Der lange Weg bietet die Möglichkeit, in sich zu gehen, seine Prioritäten zu überdenken und anzupassen. Wanderung und welche Umstände ha- ben sich im Laufe der Zeit verändert? Seit 2002 organisiere ich die Wall- fahrt von Kals ausgehend über die Glo- rerhütte und das anschließende Leitertal nach Heiligenblut. Anfangs pilgerten wir im Oktober nach Heiligenblut. Da diese religiöse Wanderung jedoch eine Ganztagestour ist und somit stabile Wetterbedingungen erfordert, haben wir uns entschlossen, den Termin für die Wallfahrt zu verschieben. Seit dem Jahre 2008 findet die Pilgerschaft wie gewohnt Ende Juni statt. Welche organisatorischen Hürden erwarteten dich, um diese Wallfahrt trotz der Corona-Krise durchführen zu können? Wie verlief die Corona- Version der Wanderung und wie war die Stimmung der Beteiligten? Aufgrund der behördlichen und ge- setzlichen Auflagen musste ich in die- sem Jahr einige Aspekte überdenken. Um die Abstandsregeln einzuhalten und enge soziale Kontakte zu vermei- den, gab es heuer keine heilige Messe in der Pfarrkirche zu Heilgenblut. Auch auf das gemeinsame Abendessen und das gemütliche Beisammensein im An- schluss sowie auf die Rückfahrt mit dem Bus nach Kals mussten wir verzichten. Die Corona-Version der Wallfahrt führte zur Bricciuskapelle, dort feierten wir gemeinsam einen Wortgottesdienst – damit endete auch der offizielle Teil der Wallfahrt. Für die Beteiligten war das überhaupt kein Problem und die Stimmung war trotz der aktuellen Situ- ation besonders und einzigartig. Was bedeutet für dich wallfahren, welche Emotionen wecken die atem- beraubende Natur und die meditative Stimmung? Wallfahren heißt für mich Gemein- samkeit, Rücksicht, Kennenlernen, zur Ruhe kommen und vieles mehr. Glau- ben bedeutet nicht nur, jeden Sonntag den Gottesdienst in der Pfarrkirche zu besuchen. Beten kann man überall – ist unsere Natur mit offenen Augen zu erle- ben und bewusst zu erfahren nicht auch eine Form von beten? Was treibt dich an, diese Pilgerreise jährlich zu organisieren und wer un- terstützt dich dabei? Erstens ist das Bergsteigen und Wandern eine Leidenschaft meiner- seits, zweitens ist die Begeisterung und Dankbarkeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer immer wieder ein neuer Ansporn, diese Wallfahrt zu organi- sieren. Da ich gerade die Organisation anspreche, muss ich erwähnen, dass die Jugend des Pfarrgemeinderrates den Großteil der organisatorischen Aufga- ben übernommen hat – ich bin nur mehr ein beratender Ansprechpartner. Jede Wallfahrt ist einzigartig, gibt es dennoch ein paar Highlights? Wie du richtig erwähnt hast, ist jede Wallfahrt einzigartig, alle Pilgerschaf- ten an sich waren Highlights. Die Texte, die zum Nachdenken anregen, die Wei- senbläser, die gelebte Gemeinschaft der Pilgerinnen und Pilger kreieren diese besonders angenehme und einzigartige Atmosphäre, die jede Wallfahrt nach Heiligenblut auszeichnet. Lieber Gerhard, ich bedanke mich bei dir für diese ausführlichen und persönlichen Auskünfte über die jährliche Wallfahrt von Kals nach Heiligenblut und wünsche dir noch viele schöne und beseelte Momente in deiner geliebten Bergwelt. Warum sollte man sich nun auf Pil- gerschaft begeben? Die Antwort liefert Thomas Morus, ein englischer Staats- mann und Humanist, mit Präzision: „Es kommt niemals ein Pilger nach Hause, ohne ein Vorurteil weniger und eine neue Idee mehr zu haben.“

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