GZ_Leisach_2020_09

9 jedem Klassenzimmer der nahegelegenen Schule stand ein Holzofen, der es nie schaffte, den ganzen Raum zu wärmen. Die Lehrperso- nen waren sehr streng, sonst hätten sie es kaum geschafft, die großen Klassen ruhig zu halten. Tone hatte die ersten Schuljahre in kei- ner guten Erinnerung. Für die älteren Kinder endete das Schuljahr früher und begann spä- ter, damit sie auf den Feldern und Äckern mit- arbeiten konnten. Das gefiel Tone dann besser. Das Korn und auch der Türggen wurden am Schlossberg mit Sicheln gemäht, eine Maschine zum Häckseln wurde mit Strom von der Turbine vom Tumpf betrieben. Wenn diese ausfiel, mussten die Kinder den Häcks- ler mit einer Drehkurbel antreiben. Auch Flachs wurde damals von den Bauern am Schlossberg angebaut und in aufwendigen Arbeitsschritten verarbeitet. Es war der Ehr- geiz jeder Bäuerin, möglichst feines, weißes Leinen für die Hemden der Männer selbst herzustellen. Tone half fest mit und konnte den Arbeitsablauf bis hin zum Bleichen des fertigen Gewebes genau schildern. Einen scharfen Einschnitt in das geregelte Leben auf dem Bauernhof brachte der Zweite Weltkrieg. Die Bauern mussten einen be- trächtlichen Teil ihrer Ernte und ihres Arbeits- ertrages für die Versorgung des Heeres abliefern. Der junge Bauer, Tones Onkel, wurde zum Kriegsdienst eingezogen und auch das einzige Pferd, das wichtige Zugtier des Hofes, musste einrücken. Tones Groß- mutter richtete eine geeignete Kuh geduldig zum Zugtier ab. Vom Taxerhof aus kann man den gesamten Lienzer Talboden überblicken, und so waren die Bewohner Augenzeugen, als im Mai 1945 der Tross der Kosaken mit Menschen, Pferden und Planwagen von Kärnten herauf zog und sich auf den Lienzer Feldern nieder- ließ. Man konnte das Geschehen damals nicht einordnen, weil an die Bevölkerung kei- nerlei Informationen weitergegeben wurden. Als das unheilvolle Geschehen, das als Kosa- kentragödie in die Geschichte eingegangen ist, vorbei war, gab es billig Kosakenpferde zu kaufen, und zwei davon erwarb auch der Taxerbauer. Schöne, gepflegte Tiere, aller- dings Reitpferde, die für die Arbeit am Berg- bauernhof nicht zu gebrauchen waren und bald den Besitzer wechselten. Arbeiten hat Tone immer Freude gemacht. Ab ihrem 14. Lebensjahr musste sie im Stall mithelfen, und nach dem Ende der Pflicht- schulzeit arbeitete sie ein Jahr lang im Krankenhaus als Stockmädchen und in der Küche, danach bei einer Schneiderin in Lienz. Das Nähen gefiel ihr und sie stellte sich geschickt an. Weitere Erfahrungen sam- melte sie in Seefeld, wo sie in einem Hotel arbeitete. Aber dann zog es sie wieder nach Osttirol zurück und sie lernte Franz Trojer kennen. Als seine Mutter starb, bat er Tone, seine Frau zu werden. Die Aufgabe als junge Bäuerin war für Tone anfangs sehr schwer, weil sie zurückhaltend und schüchtern war und sich mit dem selbst- ständigen Führen des Haushalts und der Arbeit in der Landwirtschaft überfordert fühlte. Bald stellten sich auch nacheinander die Kin- der ein und Tone wunderte sich selber, wie sie ihre vielfältigen Aufgaben unter einen Hut gebracht hat. „Wir waren halt jung und kräftig“, meinte sie, „und gearbeitet hab ich immer gern.“ Mit der Zeit wuchs ihr Selbst- vertrauen und sie wurde von den anderen Bäuerinnen im Ort akzeptiert und geschätzt. Ihre fünf Kinder wurden auch von klein auf zum Mithelfen angehalten, daneben war es für Tone und Franz aber wichtig, ihnen eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Ein schwe- rer Schicksalsschlag war der Tod des ältesten Sohnes Franz, der mit knapp zehn Jahren auf dem Schulweg von einem Auto überfah- ren wurde. Die ältere Tochter Monika wurde Kranken- schwester und zog mit ihrem Mann nach Vor- arlberg. Peter wurde Hauptschullehrer und ist heute maßgeblich für die Lehrerausbildung an der Kirchlichen Pädagogischen Hoch- schulen in Westösterreich zuständig. Renate, die jüngste, besuchte die Kunstakademie in Wien und leitet dort mit ihrem Mann ein Graphik-Büro. Und Konrad wurde Tischler und übernahm später die Landwirtschaft, die er gemeinsam mit seiner Frau Gerda auf modernen Stand brachte. Er baute die Imke- rei zu einem wichtigen Standbein aus und gab als Imkermeister sein Wissen bei Führun- gen und Vorträgen weiter. Außerdem wurden Ferienwohnungen gebaut und neben vielen anderen Bauarbeiten die alte Mühle wieder in Stand gesetzt. Als Tone 1952 nach Burgfrieden kam, gab es noch kaum Maschinen auf dem Hof, ge- schweige denn Traktoren. Für das Lasten- ziehen und Pflügen wurden Pferde gehalten. Kleinere Bauern hatten nur ein Pferd im Stall, wenn mehrere gebraucht wurden, halfen die

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