GZ_Thurn_2020_08

Seite 23 G EMEINDE Stürmen heimgesucht wird und mit Wasserschäden immer mehr zu leiden bekommt, das muss seinen Grund ha- ben; nun frag ich, welches ist das Da- rum auf dieses Warum? Diese Frage ist bald erlediget. Ich sage euch nur, bevor wir nicht wieder in un- seren Wäldern Schutz suchen, wer- den wir immer traurigere Erfahrungen machen, und wahrscheinlich werden kalte und nackte Flächen auf die ver- gangene Pracht zurückblicken. Daß dann alle schon jetzt bemerkbaren Lei- den sich verschlimmern, ja verschlim- mern müssen, brauche ich euch wohl nicht mehr zu erklären, denn man hat ja doch heutzutage Beispiele, warnende Fingerzeige Gottes genug, dass wir anders wirtschaften müssen, wenn wir nicht von den Naturkräften entsetzlich bestraft werden wollen und schließ- lich das ganze Land verderben soll. Hoffen wir das Bessere, lieber Mann; mit diesen Worten verabschiedete ich mich von meinem Begleiter, der mich durchaus zu einem ländlichen Gabel- frühstück einladen wollte. Ich eilte nun dem einladenden Kirch- lein zu. Schon sah ich die vor dem Kirchplatze stehende uralte Linde hochaufragen; nun gings durch den Wald wo Hunderte von Sängern ihre Lieder in die Lüfte schmetterten, Glocken von herumlau- fendem Vieh, welches seine Nahrung schon auf den grünen Weideplätzen suchte, klangen zum Ohr. Ein Pfad zieht in mäßiger Steilheit zum Kirchlein hinan. Bald stand ich vor demselben. Ein reizendes Plätzchen, rings vom Tannenforst umschlossen, den die mächtige Linde, gleichsam als Wahr- zeichen der Civilisation überragt. Zu unseren Füßen entrollt sich aber ein so liebliches Bild vom Thalbecken Lienz, wie es lieblicher nicht gemalt werden könnte; wie ein grüner Teppich, worauf Schachbretter herumliegen, erscheint diese Ebene und dann als Gegenstück der Schöpfung die wild und unheimlich emporragenden Lienzer Dolomiten, an der Stirnseite der Spitzkofel, die Un- holden und all die Kolosse, die noch lange das Kleid nicht abwerfen wollen, das ihnen der Winter gegeben. All das gibt diesem Bilde einen Cha- rakter von Schönheit und Erhabenheit, wie man ähnliches auf so kleinem und unbeschwerlichen Gange selten ha- ben wird. Während wir dieses Bild be- wundern, rauscht der Schleinitzbach in furchtbarer Steilheit zur Tiefe. Das seltsame Rauschen gemahnt wieder an Überschwemmungsnoth und Ge- fahr. 1) Die Erinnerung an schauerliche Zeiten beengt die Brust, noch mehr die bange Besorgnis, die nur umso größer sein muß, je kleiner das Verständniß der berufenen Faktoren für die zweck- entsprechende Abhilfe ist, eine Abhilfe, die vor Allem im Walde gefunden und gegeben werden muß, in zweiter Reihe am Bachlaufe der Versicherung be- darf, wenn auch kein Südbahn-Schie- nenstrang parallel mit ihm läuft und in erster Linien in Gefahr steht. 1) Gemeint ist wohl das schwere Jahrhunderthochwasser 1882 2006 werden um St. Helene die Bäume entfernt. Der Blick auf die Kirche ist wieder frei. Foto: Raimund Mußhauser Mai 2020: Sturm- und Schneeschäden sorgen 2018 und 2019 dafür, dass sich die Waldhänge um St. Helene lichten. Erst nach monatelangen Aufräumarbeiten ist der Weg zum Helenekirchl wieder frei. Foto: Marian Unterlercher

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