GZ_Thurn_2020_08

Seite 22 G EMEINDE Aus dem Chronikarchiv von Marian Unterlercher und Raimund Mußhauser Vor 134 Jahren - 1886 Eine Wanderung zum Helenenkirchl vor 134 Jahren Mai 1886: In der Lienzer Zeitung er- scheint die Kurzgeschichte eines Wanderers, der sich auf den Weg zum Helenekirchl macht und dabei mit einem Thurner Bauern ins Gespräch kommt. Es geht um Wind und Wetter und die drohenden Folgen eines sich verschlechternden Klimas. Die Worte des Autors klingen aus heutiger Sicht nahezu prophetisch. Lest selbst: Zum St. Helena Kirchlein bei Lienz J.L: Schon lange war es meine Absicht zu dem so idyllischen Plätzchen zu pil- gern, wo das St. Helenekirchlein zwi- schen üppigen Fichten, Tannen und Lärchen einladend hervorguckt. An einem schönen Morgen, wo kein Wölkchen den Himmel trübte und die Natur in ihrer vollkommenen Schönheit prangte, machte ich mich auf die Beine. Es dürfte 7 Uhr früh gewesen sein, als ich die Pfarrbrücke passirte und nach dem Kirchplatze schwenkte, von dort benützte ich den bei einzelnen Müh- len und Bauernhöfen vorbei führenden Kirchsteig, den eine Kapelle und eine von boshaften Händen zum Theil ver- stümmelte Baumanlage zierte. Hier holte ich einen Mann ein, der von der Kirch nach Hause ging. Ich schloß mich ihm an, und bald waren wir in ein Gespräch verwickelt. Über das Wetter war´s, das der Alte gar boshaft zu schelten wusste. Besonders der Wind, der nach seinen Begriffen alles zu Grunde richtet, gab uns Stoff zum Wettergespräche. Ich konnte meines Begleiters Ansicht nicht theilen, sondern glaubte bewei- sen zu können, dass Wind so notwen- dig ist, wie Sonnenschein und Regen. Zur Rechtfertigung dieser Ansicht will ich euch eine Geschichte erzäh- len, sagte ich, zuvor werden wir uns aber ein Morgenpfeifchen anzünden, denn heute bei dieser frischen Luft schmeckt´s gut. Der Alte war mit meinem Antrage ein- verstanden und ein großer Stein war die Ruhebank, worauf wir uns nieder- ließen, um unsere Pfeifen zu stopfen und in Brand zu strecken. Dann ging es wieder weiter und ich erzählte: Vor vielen hundert Jahren soll es ge- wesen sein, da war tief unter euren Feldern eine römische Stadt Leontium. Schon dortzumal sollen die Bewohner dieser Ansiedlung mit dem Wetter un- zufrieden gewesen sein. Da räumte ihnen der liebe Gott das Recht ein, über das Wetter schalten und walten zu können wie sie nur wollten. Damit waren sie natürlich alle einverstanden. Das Wetter kam nach Wunsch, und Jung und Alt, Klein und Groß, kurz al- les rechnete auf eine gute Ernte, auf ein segensreiches Jahr. Doch nein! Anstatt voller Scheunen und Getrei- dekammern war alles leer, ein elendes und jammervolles Jahr. Nun waren die enttäuschten Lienzer Wettermacher gezwungen, den Schöpfer zu bitten, dass wieder er das Regiment über- nehme, die Wiesen und Felder und Bäume, kurz alle Früchte in Schutz nehme und ihnen Gedeihen gebe. Da lachte der liebe Gott und erinnerte die unklugen Naturbezwinger auf den Wind, den sie als ein überflüssiges Element gehalten hatten und sprach: merkt euch, jedes Warum auf dieser Welt hat sein Darum, denn so habe ich die Welt erschaffen. Bei Vollendung dieser Erzählung waren wir am Hause meines Begleiters angekommen, wir setzten uns auf der vor der Hausthür angebrachten Bank nieder. Ich verstehe, sprach der Alte, was ihr mit dieser Erzählung sagen wollt, aber eines müßt ihr mir zusagen, daß unser Klima von Jahr zu Jahr rauher, die Ge- gend unfruchtbarer und von heftigen 1976: Das Helenekirchl ist seit altersher ein Anziehungspunkt für die Menschen aus der Umgebung. 1976 wird ein breiter Weg angelegt, damit die Renovierung auf St. Helena durchgeführt werden kann. Foto: Hans Kurzthaler

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