GZ_Virgen_2020_07

30 Dorfleben – Menschen Virger Zeitung 3. Die Reinlichkeit in den Wohnstu- ben, der Kleidung und Wäsche ist vor allem nöthig, auch sollen täglich die Fenster in den Wohnzimmern zu den Mittagsstunden geöffnet werden. Auch sollen diejenigen, die den Kranken auf- warten, und jene, die von der Krank- heit genesen sind, nicht unter die an- dern Leuthe, und um so minder in die Kirche gehen, ehevor sie nicht vom auf- gestellten Arzt hiezu die Erlaubnis haben. 4. Der Genuß verdorbener Nahrungs- mittel, so wie das Essen in den Zim- mern, wo sich Kranke befinden, ist vor- züglich zu vermeiden … 5. Alle Krankenbesuche sind zu vermei- den, die Kranken selbst müssen aber einer besonderen Reinlichkeit unterzo- gen werden. 6. Wird der Kranke gesund, oder stirbt er, so soll die von ihm gebrauchte Wä- sche, Kleidungsstüke, oder Bettgeräth von Niemand gebraucht werden, bis sie nicht einer vollständigen Reinigung un- terzogen ist. Was man zur genauen Beachtung hie- mit wohlmeinend eröffnet. K.K. Landght. W. Mattrey den 9. Juny 1824, halb 8 Uhr Früh.“ Finanzielles: „Was ich während der heurigen Epide- mie allhier von Anfang May bis Hälfte July zur Verpflegung der Kranken und Krankenwärter, die auf Anordnung des Arztes täglich ihren Kaffee, Wein und Brandwein nebst der übrigen ganzen Verpflegung von Widum aus erhielten, wie auch zum täglichen Unterhalt der übrigen ärmsten Dorffamilien während der Dauer der Epidemie beygeschaffen und hergegeben, und wozu ich die mil- den Beyträge, wie selbe rückwerts ange- setzt erscheinen, verwendet habe.“ Die Armen durften in dieser Zeit ja nicht, wie sonst üblich, betteln gehen. Pest, Pocken, Cholera, Ruhr, Ty- phus, Tuberkulose, Diphtherie (Halsbräune), Kinderlähmung … durch die Jahrhunderte – Jahrtau- sende – war die Menschheit Krank- heiten völlig hilflos ausgeliefert. Heutzutage sind wir zwar dank un- seres hochtechnisierten Gesund- heitswesens im Stande, die Folgen einer neuen Epidemie abzumildern (Ebola, jetzt SARS-CoV-2), den Er- reger können wir aber zumindest eine Zeit lang mit keinem Medika- ment, keiner Impfung gezielt be- kämpfen. Da helfen heute wie frü- her nur Einschränkungen, sowie unpopuläre Maßnahmen. Pfarrer Joseph Andreas Hofmann (1771 – 1840, in Virgen von 1810 bis zu seinem Tod) hat Berichte und Schriftstücke über drei örtliche Typhus-Epidemien im Pfarrarchiv hinterlegt, sodass ein Vergleich der damaligen Erschwernisse mit den jetzigen, durch das Coronavirus hervorgerufenen möglich ist. Zitate stehen zwischen Anfüh- rungszeichen („ … “), sind im „Ori- ginalton“ belassen und kursiv ge- schrieben. typhus-epidemie Mai bis Juli 1824 „Im Jahre 1816 grassirte ein bösartiges Fieber in Dorfe Prägratten, wo zwey Priester, beyde als dortige Provisoren, von der Seuche ein Liebesopfer gewor- den sind. Nur durch aufgestellte Wa- chen und getroffene Polizeianstalten wurde die Verbreitung dieser Seuche in hiesiger Pfarrgemeinde verhütet. Die aber 1824 auch im hiesigen Dorf ausbrach. Ende April zeugte sich im Oberhölers Haus ein hitziges Fieber, das nach und nach epidemisch wurde. … wo sodann die Krankheit als Typhus erkannt wurde und die transportabeln 7 Kranken, um die Verbreitung zu ver- hüten, in das Panzlische Bräuhaus übertragen wurden. …“ Einiges aus den vorliegenden Akten: Auch Experten können irren: „Auf das Schreiben vom 1., 2. d. M. hat man zu erwiedern, daß nach Aeußerung des hln [hochlöblichen] Chyrurgen Remler die Krankheit nicht anstekend seye, und die Erkrankten geheilt seyn würden, wenn sie Diaet gehalten hätten. K.K. Landgericht W. Mattrey, 2. May 1824 Maßnahmen zur Bekämpfung der Epidemie: Schreiben an den Pfarrer: „Es bestättiget sich die traurige Erfah- rung, daß sich die Krankheit in Virgen durch das Besuchen verbreitet habe, und desfalls die strengste Vorsichts Masregel nothwendig sey. Euer Hoch- würden sind daher gebethen, das Volk von der Kanzel aus hierüber zu war- nen, und dafür Sorge zu tragen, daß die Kranken von den Gesunden abge- sondert, und wo möglich nur in jenen Häusern untergebracht werden, wo sich schon solche befinden. K.K. Landght Windischmattrey, 2. Juny 1824“ Mitteilung an die Gemeinde: „Hinsichtlich des in Virgen ausgebro- chenen Typhus wird folgende Warnung bekannt gemacht: 1. daß zur Verhinderung des Ausbrei- tens der Krankheit … es nichts nütze, mit Arzneymitteln, Aderlässen und der- gleichen vorzugehen, sondern daß 2. sich noch gesund fühlende Menschen am leichtesten dadurch verwahren, daß sie einen ordentlichen Lebenswandel führen, mässig sind, und sich einen fro- hen Muth zu bewahren wissen. Alle Unmässigkeit im Essen und Trinken, sowie Ausschweifungen jeder Art sind zu vermeiden. epidemien in virgen CHRONIK

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