GZ_Sillian_2020_07

BLICK Ein 12 Aus der Gemeindestube Innichen Das Coronavirus hat die Welt auf den Kopf gestellt. Kindergarten und Schulen wur- den in Innichen am 6. März geschlossen, Liftanlagen am 11. März und anschlie- ßend auch Hotels, Gasthäuser, Bars und Restaurants, sowie alle Geschäfte mit Ausnahme der Lebensmittelgeschäfte. Die Gäste mussten abreisen, allein eini- ge Zweitwohnungsbesitzer befolgten die Verordnungen nicht und verbarrikadierten sich in ihren Feriendomizilen. Spaziergän- ge waren nur innerhalb eines Radius von 200 Metern von Zuhause gestattet. Besu- che im Seniorenheim Innichen waren ab 6. März nicht mehr erlaubt. Gewiss mit ein Grund, weshalb es als eines der – Südtirol weit - wenigen Corona-frei blieb. Kein Wunder also, dass dieses Virus auch an der Staatsgrenze Winnebach-Arnbach einiges verändert hat. Die Staatsgrenze ist nun einmal der pulsierende Berüh- rungspunkt zwischen den Gemeinden Sillian und Innichen. Nach den dramati- schen Berichten aus der Lombardei und den Restriktionen auf dem gesamten itali- enischen Staatsgebiet begann Österreich zuerst mit Grenzkontrollen, um dann, am 11. März, die Grenze auch in Winnebach ganz zu schließen. In der berechtigten Annahme, dass das Virus nicht von Ös- terreich nach Italien überspringen wird, kontrollierten italienische Ordnungs- kräfte den Verkehr an der Staatsgren- ze nur sporadisch. Dagegen wollte die österreichische Regierung sichergehen, dass das Virus vom Sperrgebiet Italien nicht nach Österreich verschleppt wird. Innerhalb weniger Stunden wurde auf österreichischer Seite ein Container zum Grenzposten umfunktioniert, der von Mi- litär, Polizei und von den Beamten der Bezirkshauptmannschaft bedient wurde. Von Südtirol nach Osttirol gab es plötz- lich kein Durchkommen mehr, außer man konnte nachweisen, einen Arbeitsauftrag ausführen zu müssen, oder man konnte einen höchstens 4 Tage alten, negativen Coronavirus-Test vorweisen. Viele Innich- ner Bürgerinnen und Bürger, die bis dahin beinah wöchentlich nach Sillian fuhren, um Freunde oder Verwandte zu besuchen, Besorgungen zu machen, Pakete im Post- amt oder Medikamente in der Apotheke abzuholen, mussten feststellen, dass die Grenze dicht war. Das Coronavirus dreh- te die Zeit um beinahe 30 Jahre zurück. Am Grenzübergang wurde alles angehal- ten, die Ausreise aus Österreich wie die Einreise nach Südtirol war für alle offen. Mit Ausnahme weniger Grenzpendler und LKW-Fahrer mussten sich dagegen alle Einreisenden nach Österreich in eine 14-tägige Quarantäne begeben. Hatte bis zur Entfernung des Grenzbalkens im Jahr 1998 die Zollabfertigung das Geschehen an der Grenze bestimmt, waren es jetzt die Überprüfung der Fahrgenehmigung und die Gesundheitskontrollen. Weil die Grenze für Personen undurch- lässig war, kam es beim Kontrollposten zur fliegenden Übergabe von Kleingütern und Geschenken. Daneben etablierte sich eine besondere Dienstleistung: Im soge- nannten „Niemandsland“ konnten sich an manchen Wochentagen Bürgerinnen und Bürger des Südtiroler Hochpustertal beim bekannten Ausservillgraten Immu- nologen Dr. Gernot Walder einem aus eigener Tasche bezahlten Covid19-Test unterziehen. Eine sanitäre Dienstleis- tung, die im Südtiroler Pustertal nur auf Einladung des Sanitätssystems mög- lich war. Anstatt an den Zapfsäulen der Tankstellen standen die Südtiroler an der Grenze zum PCR-Abstrich an. Dr. Walders Labor für Hygiene, Mikrobiologie und In- fektiologie in Außervillgraten hatte schon in den vergangenen Monaten die PCR- Abstriche der Pustertaler Krankenhäuser ausgewertet. Bestimmt spielten sich in dieser Corona-Sperrzeit an der Grenze viele Geschichten ab. So wollte z.B. der Koch des Innichner Kindergartens, ein Sillianer Bürger, in der Küche des Kinder- gartens nach dem Rechten schauen, den Kühlschrank ausräumen, nachdem der Kindergarten überraschend geschlossen worden war. Bei Nachfrage in einem Ost- tiroler Bezirksamt, ob ihm für die Rück- reise aus Innichen eine Genehmigung ausgestellt würde, um die Quarantäne zu vermeiden, hielt das Amt entgegen, die Entleerung des Kühlschrankes könne die Bürgermeisterin von Innichen selbst vornehmen. Dagegen war der Bürgermeister von Sil- lian zuvorkommender. Er begleitete or- ganisatorisch die Grenzschließung und musste u.a. dafür Sorge tragen, dass die aufgelassenen Toiletten der ehemaligen österreichischen Grenzpolizei für die Coronavirus-Grenzkontrolleure wieder in Betrieb genommen werden. Trotz aller Hektik fand Bürgermeister Hermann Mitteregger die Zeit, einem an der Grenze zurückgewiesenen Innichner Bürger einen Flakon mit Desinfektions- mittel für den Bürgermeistertisch in In- nichen mit auf den Rückweg zu geben, auf dass sich Bürgermeisterin Rosmarie Burgmann vor Ansteckung schütze. Eine symbolische Geste für die gute Zusam- menarbeit zwischen beiden Gemeinden auch in Zeiten von Social Distancing. Text und Foto: Marktgemeinde Innichen Das Coronavirus und die Staatsgrenze, ein Bericht aus Innichner Sicht Wo sonst Autos stehen - Ansicht des Pflegplatzes am 18. April um 19.30 Uhr.

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