GZ_Kals_2020_04

FODN - 74/01/2020 83 WIRTSCHAFT & TOURISMUS wandkamp ein Gemeinschaftsprojekt. Der Glocknerkamm bildet die Grenze zwischen Tirol und Kärnten und die ÖAV-Sektionen Villach und Klagenfurt zogen damals an einem Strang. Maßgeb- licher Antreiber war damals Leo Spann- raft, der die Entstehungsgeschichte auch für den Alpenverein festhielt. Die Idee, am inneren Glocknerkar ei- nen Stützpunkt einzurichten, bestand schon seit einer Weile, als am Mittags- kogel die im Krieg zerstörte Bertahütte wieder aufgebaut wurde. Für den Neu- bau „war eine so rege Mitarbeit fest- zustellen, dass ich die Überzeugung gewann, es würden sich auch genug freiwillige Helfer für den Bau der Bi- wakschachtel finden“, schreibt Spann- raft. Und sie fanden sich tatsächlich. Nicht jeder Berg erfordert eine Schutz- hütte – viele sind leicht zugänglich, mit Liften erschlossen oder mit Hütten schon ausreichend gerüstet. Das innere Glocknerkar jedoch, so betont Spann- raft, fordert „die Errichtung einer Bi- wakschachtel heraus. Der Großglockner vom inneren Glocknerkar, also an seiner Nordseite, weist eine Anzahl großzügi- ger und interessanter Anstiege auf. Sie aufzuzählen, kommt einer Wiederho- lung gleich. Pallavicinirinne, Nordgrat, Nordwand, Berglerrinne und die Über- schreitung Glocknerwand–Großglock- ner bieten bei ihrer Begehung nicht nur einen ästhetischen Genuss, sondern sie sind auch eine vorzügliche Vorberei- tung für größere Westalpenfahrten.“ So wurde Anfang 1958 in Villach mit dem Bau der Biwakschachtel begonnen, während die Kärntner den Transport organisierten. Schon damals wurde das Material gespendet oder über Spenden finanziert. Es entstand eine Stahlkons- truktion „aus Grundrahmen, Streben, Spanten, Diagonalen, und ihre Gewich- te und Maße waren so bestimmt, dass sie mit Rücksicht auf den Transport entsprachen. Das Gerippe erhielt eine Holzverkleidung, gefügt mit Nut und Feder, über welche dann an der Bau- stelle einen Schutzüberzug aus Alumi- niumblech angebracht wurde. Anstatt eines Schutzanstriches ließen wir die Stahlteile feuerverzinken, um so eine größere Lebensdauer zu erreichen.“ Fünf Monate betrug die Bauzeit. Dann, am Pfingstsonntag 1958, entstand auf 3.205 Metern Österreichs höchste Baustelle, um den ausgesuchten Platz und die Zustiege herzurichten. Über 100 Bergretter fanden sich schließlich am 07. Juli ein, um die sperrigen, 15 bis 35 Kilogramm schweren Einzeltei- le durch den Gletscherbruch hinaufzu- tragen. „Es war ein erhebendes Bild“, schreibt Spannraft, „als die letzten den Bauplatz erreichten, mehr denn hundert Bergsteiger und Rettungsmänner, ver- eint in dem Bewusstsein, durch ihren selbstlosen Einsatz mitgeholfen zu ha- ben, diesen wunderbaren Stützpunkt zu schaffen.“ Heute, über sechs Jahrzehnte später, ist die Schachtel baufällig und zu klein für den Ansturm bei guten Bedingun- gen. „Wir Erbauer hatten es uns nicht träumen lassen, dass es dort oben ein- mal zu Platzschwierigkeiten kommen wird“, meint Spannraft in Retrospektive. Für Vitto stehen nun die Planungsmo- nate an. „Wir haben verschiedene An- sätze und es ist noch nichts entschieden. Wir wollen den Platzmangel lösen, aber auch die Zustiege in Ordnung bringen. Der Gletscherrückgang bringt neue Herausforderungen, aber auch neue Möglichkeiten.“ Frühestens im Herbst 2020 oder aber im Sommer 2021 wird die neue Lösung dann stehen. Für SA- LEWA3000 werden die Glocknernord- wanddurchsteiger also noch mit der alten Biwakschachtel Vorlieb nehmen müssen, bei aller Kargheit vielleicht auch mit einem Hauch Nostalgie – und mit dem Wissen, dass sie mit ihrem Gipfelfoto 5 Euro für bessere Biwakzei- ten spenden werden. Die "Glockner-Biwakschachtel", erbaut 1958

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