GZ_Tristach_2020_03

März 2020 Pflege betagter Mitbürger 19 Pflegen - Trösten - Aufheitern 45.000 Österreicher nahmen im vergangenen Jahr eine 24 Stunden Pflege in Anspruch. Von den Pfle- gekräften kamen 22.200 aus Rumänien, 15.000 aus der Slowakei, 2.400 aus Ungarn und 2.800 aus Kroatien. Sie gehören auch bei uns schon zum Dorfbild - die ausländischen Betreuerinnen, die unsere betagten Mitbürger pflegen. Sie spazieren im „Rollstuhlcorso“ fröhlich plaudernd durch das Dorf. Zwei von ihnen, die den Hofer Siegi betreuen, kommen im Koflkurier zu Wort. Marija Domazet I ch wohne in der Nähe von Vukobar, etwa 50 km ent- fernt. Ich bin gelernte Schneiderin und in meinem Beruf gab es keine Arbeit mehr. An meinem 38. Geburtstag wurde ich beim Einkaufen darauf angesprochen, ob ich als Pflegerin nach Österreich gehen wolle. Wir hatten Haus gebaut und ich wollte zur Finanzierung auch etwas beitragen. Zuerst besprach ich diese Möglichkeit mit meiner Familie, denn unsere Kinder waren erst 6, 12, und 16 Jahre alt. Der Familienrat war einverstanden und so bin ich über die Agen- tur ISL seit sechs Jahren als Pflegerin tätig. Für die Kinder ist es erträglich, weil ich nach drei Wochen wieder für drei Wochen nach Hause komme. Trotzdem sind sie traurig, wenn ich wieder fahre. Mein Mann ist Waldarbeiter und versorgt die Kinder gut. Am Anfang lebte noch meine Mutter und meine Schwester wohnt in der Nähe. Mein Ältester studiert inzwi- schen Landwirtschaft. Ich hatte den Vorteil, dass ich schon Deutsch konnte. Während des Jugoslawienkrie- ges war ich für einen Monat bei Bekannten meines Bruders in Wien. Drei Monate war ich bei meinem Onkel in der Schweiz zum Kinderhüten. Als wir jung verheiratet waren, arbeitete mein Mann in Deutschland und ich begleitete ihn für ein paar Monate. Meine erste Stelle in Österreich war bei einem Paar in Kitzbühel. Die Frau war aus Deutschland und sprach Hoch- deutsch. Ich konnte sie gut verstehen. Dann kam ich nach Tamsweg zu einer alten Dame. Ich verstand kein Wort und ich dachte, die spricht eine andere Sprache. Erst als ihre Kin- der sie aufforderten, nach der Schrift zu sprechen, verstanden wir uns ausgezeichnet. Drei Jahre durfte ich die nette Frau begleiten. Seit zwei Jahren komme ich zu Familie Hofer. Ich wur- de sehr herzlich aufgenommen und trotz Dialekt klappte das Verstehen schon nach ein paar Tagen problemlos. Ich fühle mich hier sehr wohl und bin dankbar. Dank Internet und Handy bin ich mit meiner Familie immer in Kontakt. Anica Pranjić I ch komme aus Stitar, das ist 585 km von Tristach ent- fernt. Ich bin verheiratet und habe zwei erwachsene Töchter. 23 Jahre lang habe ich in einer Holzfabrik schwer gearbeitet. Davon bekam ich starke Kreuzschmerzen. Dann wurde ich auf die Möglichkeit hingewiesen, als Pflegerin in Österreich zu arbeiten. Ich hatte vorher noch nie davon gehört. Nach einigem Zögern bewarb ich mich und bekam nach zwei Monaten die Möglichkeit, für zwei Wochen probeweise als Pflegerin zu arbeiten. Ich konnte mir das Arbeiten in Österreich überhaupt nicht vorstellen. An einem nebligen Novembertag 2017 fuhr ich das erste Mal mit dem Zug nach Lienz. Ich hatte mit der Familie Hofer so großes Glück. Sie gab mir die Chance, mich zu be- währen. Ich hatte das erste Mal in meinem Leben jemanden ge- pflegt und es ging gut. Freilich musste ich noch allerhand lernen. Vor allem beim Kochen musste ich mich umstellen. Wir essen zu Hause viel Fleisch, salzig und stark gewürzt. Hier habe ich in einer Woche mehr Gemüse gegessen, als in meinem Leben vorher. Ich koche und backe gerne und habe mich schon an Tiroler Knödel gewagt. Bei Hofers fühle ich mich als Familienmitglied, alle sind sehr nett zu mir. Ich darf sogar meine Kolleginnen, die auch in Tristach arbeiten, zum Kaffee einladen. Mit Siegi gehe ich viel spazieren und sonst arbeite ich so, als „ob der Laden“ mir gehöre. Trotz der geringen Deutschkenntnisse, die Anica vor drei Jahren nach Österreich mitbrachte, bilanziert sie heute er- staunlich weise und wortgewandt: „In unserem Beruf ist das Wollen wichtiger als das Können. Man muss gerne arbeiten wollen und die alten Menschen gerne haben. Alles Andere kann man lernen.“ Anicas Fröhlichkeit ist ansteckend. Burgl Kofler Marija, Siegi und Anica

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