GZ_Kartitsch_2020_01

Seite 38 Ausgabe 83 Unter einer Zeitung schlechthin verstand und versteht man ein mit Nachrichten, Fotos und Informationen gefülltes mehr- seitiges Druckwerk, das öffentlich ver- trieben wird. In unseren ländlichen Gegenden gewann die Zeitung erst im beginnenden 19. Jahrhundert an Bedeutung und diente bis weit ins letzte Jahrhundert neben dem Laufzettel und Flugblatt, neben dem Buch und der Zeitschrift als einzige ak- tuelle Nachrichten- und Wissensinfor- mation, bis zuerst mit Telegraph und Telefon und später mit Rundfunk und Fernsehen die Medienpalette erweitert wurde, die inzwischen im digitalen Zeit- alter angekommen ist. In den Anfängen des Pressewesens dürf- ten den Vertrieb einer Zeitung neben den Herstellungskosten wohl auch eine allzu aufwendige Verteilung beeinflusst haben, erst mit dem organisierten Post- wesen und vor allem mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes gewann auch die tägliche oder wöchentliche Zeitung an Aktualität. Tirols älteste aktuelle Zeitung dürfte der „Bote für Tirol“ gewesen sein, die un- ter diesem oder ähnlichem Namen seit 2. Oktober 1813 je nach Bedarf zwei- bis viermal wöchentlich erschien. Neben dem amtlichen Teil fungierte sie auch als Nachrichtenblatt, bei Bedarf auch mit verschiedenen Sonderbeilagen. Als Erscheinungsort galt Brixen, später Bo- zen und ab 1849 Innsbruck. Ab 1850 kam der von J. Mahl in Brun- eck redigierte „Pustertaler Bote“ auf den Markt. Die eher liberale Zeitung erschien je nach Bedarf ein- bis zweimal wöchentlich und führte auch verschiede- ne Beilagen. Dem Umfang nach zu schließen war sie zuerst unbedeutend, entwickelte sich aber zu einem interes- santen Sprachrohr auch des oberen Pus- tertales, bis sie nach der Grenzziehung ab 1920 für Osttirol nicht mehr aktuell war und bald durch den Faschismus eingestellt wurde. 1886 kam erstmals ein für Osttirol eige- nes Presseorgan, die „Lienzer Zeitung“ auf den Markt, eher an den später deutsch-liberalen Lienzer Gemeinderat angelehnt, 1915 wegen Personalmangel eingestellt und 1919 nochmals herausge- bracht, wurde sie von den „Lienzer Nachrichten“ abgelöst, die seit 1911 auf dem Markt, den Christlich-Sozialen - der späteren Volkspartei zuzuordnen war. Nochmals war die Lienzer Zeitung von Oktober 1938 bis zum Kriegsende 1945 die nati- onalsozialistische Wochen- und Propa- gandazeitung für Osttirol. Neben den drei Letztgenannten war bei bäuerlichen Lesern ab 1882 noch der eher konservative „Tiroler Volksbote“ mit Naheverhältnis zum Reimichl ver- breitet, vierzehntägig mit verschiedenen Beilagen. Ab 1910 entwickelte er sich zur christlichsozialen Volkszeitung für alle Tiroler, ab 1920 nur mehr für die Südtiroler. Der von Tyrolia/Innsbuck redigierte „Tiroler Volksbote“ war ab 1920 als gute katholische Wochenzei- tung auf dem Markt, während der Nazi- zeit verboten, dann als „Volksbote“ und ab 1971 als „Präsent“ weitergeführt. Im Pustertal um die vorige Jahrhundert- wende vereinzelt verbreitet waren noch: „Brixner Chronik“, eine katholische Lokalzeitung, die ein- bis dreimal wö- chentlich erschien, sowie der konserva- tiv-katholische „Der Tiroler/der Landsmann“ , Bozen. Als Tageszeitung las man seit 1854 die unabhängigen „Innsbrucker Nachrich- ten“, die von 1938 - 1945 nicht mehr unabhängig als nationalsozialistische Amtszeitung galt und von 1921 bis 1938 auch den katholischen „Allgemeinen Tiroler Anzeiger“ . In Osttirol ist seit 1945 der „Osttiroler Bote“ die Wochenzeitung schlechthin. Für Geschichtsinteressierte und lokale Heimatforscher bedeuten die Tiroler- und die „Osttiroler Heimatblät- ter“ (seit 1924) eine wahre Fundgrube. Wenig bekannt ist über die lokalen Be- richterstatter einzelner Gebiete oder Ge- meinden in den alten Zeitungen, die selten namentlich genannt wurden. Ne- ben Beamten oder Lehrern waren oft auch begabte einfache Bürger mit Lust am Schreiben dabei. Für Kartitsch schrieben in der Zwischenkriegszeit der Schriftsteller Oswald Sint, aber auch Leonhard Egger und weitere. In den ländlichen Gemeinden des oberen Pustertales waren um die vorige Jahr- hundertwende noch wenige Zeitungen im Umlauf. Obwohl die Zustellung durch den Postboten gut funktionierte fehlte der bäuerlichen Leserschaft das Geld. Wohl aber ist bekannt, dass etwa in Kartitsch bei Weltkriegsbeginn 1914 bereits einige Bürger die Tageszeitung lasen und dann an Interessierte weiter- reichten, ebenso waren einige Wochen- zeitungen im Umlauf. Das Lesen von Lokalberichten in alten Zeitungen ist interessant, oft erheiternd, spannend und zugleich aufschlussreich. Für den Forscher als historische Infor- mationsquelle geben sie auch Einblick in damalige Verhaltensweisen und den mitmenschlichen Umgang. Nicht selten spiegeln Berichte die per- sönliche Sicht des Verfassers wieder, wurden aus heutiger Sicht Differenzen und Streitigkeiten bis Gehässigkeiten über die Zeitung ausgerichtet und war man auch in Wortwahl und Formulie- rung oft zu sorglos. Interessant ist auch, dass vielen Unfallsberichten eine Beleh- rung des Schreibers angefügt ist. Auffal- lend oft wird über Selbstmorde berich- Historisches Schnuppern in alten Zeitungen

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