GZ_Kals_2019_12

FODN - 73/03/2019 31 auf dem lateinischen Adjektiv angulāris in der Bedeutung ‘winkelig, eckig’ be- ruht. Das lateinische Ausgangwort war letztlich angulus ‘Winkel, Ecke’. Ur- sprünglich bedeutete Anglar also so viel wie ‘winkelige, eckige Gegend’. Unter ‘Ecke’ bzw. ‘Winkel’ ist hier der Zwickel zwischen dem Zusammenfluss des Ködnitzbaches mit dem Dorferbach gemeint. In der Kalser Musterung von 1428 wird ein Steffan zu Angular ge- nannt. Interessant ist, dass dieser Be- leg, obwohl er jünger ist als derjenige von 1299, ein altertümlicheres Gepräge aufweist als dieser, denn er steht dem Etymon noch näher. (Dies lässt sich in der Namenkunde oft beobachten: der zeitlich jüngere Beleg entpuppt sich bei näherer Betrachtung als archaischer als der ältere). Fast 300 Jahre nach der frühesten Nennung von Glor taucht erstmals der Name Ködnitz auf. In einem Verfach- buch des Gerichtes Lienz von 1581 ist die Wendung in der Ködnitz bezeugt. Auch hier sieht man, dass Ködnitz ur- sprünglich ein Gegendname war. Sol- che und ähnliche Wendungen begegnen uns später immer wieder, so etwa an der Ködniz (in einem Stockurbar der Herr- schaft Lienz von 1583), auf der Ködniz (in einem Urbar der Herrschaft Lienz von 1601), in der Ködniz (in einem Ver- fachbuch des Gerichtes Kals von 1664) usw. Während nun Glor ein romanischer Name ist, lässt sich der Name Ködnitz der slawischen Sprachschicht zuordnen. Auszugehen ist von *Kǫtьnica, was so viel wie ‘Gegend im Winkel’ bedeute- te. Das slawische Basiswort war *kǫtъ ‘Winkel’. Aber slaw. *kǫtьnica kann im Zuge des Eindeutschungsprozesses nicht direkt in deutschen Mund gekom- men sein. Denn sonst würde man heu- te Kötnitz †, und nicht Ködnitz sagen. Das weiche -d- ist nur erklärbar, wenn man eine romanische Zwischenstufe annimmt, denn in der Alpenromania wird jeder harte Konsonant zwischen Vokalen erweicht. Man muss also fol- gende Entwicklungskette annehmen: slaw. *Kǫtьnica → roman. *Codiniza → deutsch *Ködnitz (mit -ö- wegen des folgenden -i-). Bei Glor und Ködnitz handelt es sich offenbar um Übersetzungsnamen, denn beide Namen bedeuten ja prak- tisch dasselbe. Dazu kommen noch die eben genannten lautlichen Phänomene, die zeigen, wie verzahnt die einzelnen Sprachschichten waren. Dies wird noch verdeutlicht durch eine Belegstelle aus einem Verfachbuch des Gerichtes Kals von 1653, wo es heißt: ain Pergmad in der Kedniz der Winckhl genandt. Hier haben wir sogar noch einen deutschen Namen vorliegen, der dieselbe Semantik wie Glor und Ködnitz aufweist. Zur Person: ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Peter Anreiter P eter Anreiter, geboren 1954, besuchte das Akademische Gymnasium Inns- bruck (Humanistischer Zweig) und matu- rierte dortselbst im Juni 1972. Hernach inskribierte er an der Universität Innsbruck die Fächer „Sprachwissenschaft“ (Schwer- punkt: Indogermanistik) und „Klassische Philologie“ (Lehramt für „Latein“ und „Grie- chisch“ an den Allgemeinbildenden Höhe- ren Schulen). Er schloss sein Erststudium mit der Dissertation „Bemerkungen zu den indogermanischen Dentalen im To- charischen“ (das Tocharische ist eine aus- gestorbene indogermanische Sprache in Chinesisch-Turkestan) und den Rigorosen aus „Sprachwissenschaft“ und „Griechisch“ ab und erhielt seinen akademischen Grad (Dr. phil.) am 5. 12. 1980 sub auspiciis pra- esidentis rei publicae. Seine Dissertation wurde in der von Wolfgang Meid herausge- gebenen renommierten Reihe „Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft“ im Jahre 1984 als Band 42 veröffentlicht. Nach dem Probejahr im Öffentlichen Gymnasium der Franziskaner zu Hall in Tirol 1985/1986 erhielt er eine Ganztage- sassistentur am Institut für Sprachwissen- schaft der Universität Innsbruck. Die Habili- tation erfolgte 1993, die Habilitationsschrift trägt den Titel: „Substratviskosität und Superstratpermeabilität. Zum Nachleben keltischer Appellativa in den romanischen Sprachen“. Bis zur Versetzung in den Ru- hestand war Peter Anreiter seither als au- ßerordentlicher Professor für das Gesamt- fach „Sprachwissenschaft“ tätig. Peter Anreiter ist nicht nur durch zahlrei- che Veröffentlichungen der scientific com- munity bekannt (vgl. http://www.onomastik. at/files/Anreiter-Homepage.pdf), sondern ist auch der Herausgeber zweier Publi- kationsorgane, nämlich der „Innsbrucker Beiträge zur Onomastik“, die sich der Er- forschung namenkundlicher Themen wid- met, und der „Studia Interdisciplinaria Æni- pontana“, die zeigen soll, welche zentrale Rolle die menschliche Sprache im Wissen- schaftsspektrum darstellt und wie oft man andererseits in der Linguistik gezwungen ist, interdisziplinär zu agieren. Die wichtigsten Forschungsschwerpunk- te Peter Anreiters sind die Onomastik, die Indogermanische Altertumskunde und die Festlandkeltologie. Er arbeitete ferner an mehreren nationalen und internationalen wissenschaftlichen Projekten mit, so z. B. a. am Projekt „Lesachtal – Tiroler Gailtal – Comelico – Sappada (Pladen): Sprach- wissenschaftliche, namenkundliche und volkskundliche Aspekte“ (zusammen mit der Fondazione Angelini (Belluno) und dem Institut für Sprachwissenschaft und Computerlinguistik der Alpen-Adria-Uni- versität Klagenfurt; b. am keltologischen Projekt „PTOLEMY: Towards a Linguistic Atlas of the Earliest Celtic Place-names of Europe“ unter der Leitung von Patrick Sims-Williams von der Aberystwyth University in Wales (Prifysgol Cymru Aberystwyth/Universi- ty of Aberystwyth); c. c.am Projekt „Alpkultur – kulturhisto- rische Namen-Dokumentation im Al- penraum“ (Ins Leben gerufen von der Österreichischen Akademie der Wissen- schaften Wien); d. am interdisziplinären Spezialforschungs- bereich HiMAT (“The History of Mining Activities in the Tyrol”); Leitung des Pro- jektteils „Linguistik und Onomastik“; e. am „Altdeutschen Namenbuch“ (Institut für Österr. Dialekt und Namenlexika der Österreichischen Akademie der Wis- senschaften): Bearbeitung der vorrömi- schen Namen ab der 9. Lieferung. Wegen seiner onomastischen For- schungen erhielt er im Jahre 1997 den Forschungspreis der Stadt Innsbruck und im Jahre 2010 den begehrten Henning- Kaufmann-Preis, vergeben von der Hen- ning-Kaufmann-Stiftung zur Förderung der deutschen Namenforschung auf sprachge- schichtlicher Grundlage. GESCHICHTE & KULTUR

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