GZ_Gaimberg_2019_12

30 Die Sonnseiten Nummer 64 - Dezember 2019 Stichwort: „Kraftvolle Im- pulse und Gebete aus der Bibel“ - wir Katholiken be- schäftigen uns zu wenig mit der Bibel. Einer meiner Lieblingsver- gleiche lautet: „Ein guter Christ hat in der einen Hand die Tageszeitung und in der anderen die Bibel.“ Was heißt das? Wir dürfen und sollen uns mit den Ereignis- sen des Tages beschäftigen, sonst wären wir weltfremd oder würden die Sorgen der Menschen nicht ernstneh- men. Gleichzeitig braucht es eine Hilfe, die Ereignisse zu deuten. Die Bibel spannt den großen Bogen und hilft uns, immer wieder zu schauen, was wichtig ist und was ne- bensächlich. Ich war in biblischen Län- dern (Jordanien und Israel). Die Gebetspraxis der Ange- hörigen aller drei monothe- istischen Religionen (Juden- tum, Christentum, Islam) ist eine unverkrampfte, unver- schämte. Man betet „immer & überall“, den jeweiligen Glauben im Gebet zu bezeu- gen gilt dort als „normal“. Warum fällt uns das hier so schwer? In unserer modernen west- lichen Welt wird immer wie- der die Forderung erhoben, Religion und religiöse Zei- chen sollen vom öffentlichen Raum verschwinden. Das wäre schade. Der Reichtum der kirchlichen Traditionen würde verschwinden oder in- haltsleer werden, wie es teil- weise schon geschieht. Damit wird unserem Glauben jede sozialpolitische Kraft ge- nommen, Glaube wird zu einer Wohlfühloase daheim oder im Kirchenraum. Das widerspricht dem Auftrag Jesu, Licht der Erde und Salz der Welt zu sein. Bitte helft mit, dass unser Glaube nicht zu einem Museumsprodukt wird. Schämt euch nicht, über den Glauben zu reden und z. B. beim Mittagessen im Gasthaus ein schlichtes Kreuzzeichen zu machen. Sie beginnen Ihre Predigten mit der Anrede: „Liebe Ge- betsgemeinschaft am Sonn- tag“...jemand sagte mir - „in der Meß‘ konn i nit bet‘n, da muaß i zualousn“...Das ein- fache Dabeisein (Teilnah- me am Gottesdienst) ist aber auch Gebet? Ich weiß nicht, ob ich regel- mäßig beten würde, wenn ich keine Gebetsgemein- schaft am Sonntag erfahren würde. Das Gebet allein und das Gebet mit anderen ergän- zen sich gegenseitig. Beten hat viele Dimensionen, es hilft hoffentlich, zur Ruhe zu kommen, aufmerksam zu sein, zuzuhören und Klar- heit zu bekommen. Klar, das einfache Dabeisein ist bereits Gebet! In Ihrem Buch widmen Sie ein tolles Kapitel dem Hl. Geist; das Gebet ZUM oder UM den Hl. Geist ist nach meinem Empfinden seit dem Konzil verschwunden. Zu Pfingsten oder bei der Firmung bemüht man „die Taube“ noch, dann sucht man nach anderen „Er- leuchtungen“. Warum diese Entfremdung? Auch ich wundere mich oft, wie der Hl. Geist aus un- serem Denken, Fühlen und Beten verschwunden ist. Deshalb singe ich das Lied „Der Geist des Herrn erfüllt das All“ bei Gottesdiensten immer wieder, nicht nur zu Pfingsten. In meinem Buch versuche ich aufzuzeigen, dass Beten viel mit der Dreifaltigkeit zu tun hat: Jesus ist der größte Beter und beste Lehrmeister fürs Beten. Er schenkt uns das Vaterunser, mit ihm gemein- sam können wir uns vertrau- ensvoll an den Vater wen- den und diesen persönlich anreden. Und was tut dabei der Hl. Geist? Er ist wie der Treibstoff und das Motoröl, der antreibt und vieles leich- ter macht. Die Bibel berich- tet, dass Jesus und viele an- dere „erfüllt vom Hl. Geist“ beten. Freikirchen wie die Pfingst- gemeinden erfreuen sich eines konstanten Zulaufes. Sie pflegen die persönliche Beziehung zu Jesus im Lob- preis. Bei uns scheint der „zahlungspflichtige Verein“ KIRCHE dazwischen zu ste- hen. Braucht man „Kirche“ unbedingt zum Beten? Von den Freikirchen können wir lernen, dass der persön- liche Kontakt in der Gruppe und auch zu Gott bewusster gepflegt wird. Wo persön- liche Nähe erfahren wird, sind Menschen motivierter und auch bereit, mehr zu tun als ihre Pflicht. In den mei- sten Freikirchen geben die Mitglieder einen viel grö- ßeren Geldbeitrag als unser Kirchenbeitrag. Wenn Gebet nur etwas ist, was mich und meinen Gott betrifft, wird es einseitig, vielleicht sogar egoistisch. Miteinander Beten fördert hoffentlich auch die Gemein- schaft. Ich vermute, dass fast niemand ohne die Hilfe der anderen auf Dauer beten kann. Bitte keine Experi- mente, ob es trotzdem ge- lingt. Das wäre eine Sack- gasse. Dreimal täglich läutet die Glocke zum Angelusgebet. Man hört kaum hin, schon gar nichts mehr weiß man über den „Englischen Gruß“. Die kath. Grundgebete schei- nen aus der Mode zu kom- men. Papst Benedikt XVI. sprach in diesem Zusammen- hang von einer „Erosion des Glaubens“. Bedrückt Sie als Priester diese Entwicklung hin und wieder? Wie begeg- nen Sie Zweifeln und Nieder- geschlagenheit? Der Hl. Franziskus war vor 800 Jahren im Hl. Land und sah dort, wie die Mos- lems fünfmal am Tag beten. Davon beeindruckt wollte er auch bei uns etwas Ähnliches einführen. Heute erinnern uns sogar die Glocken zum Angelusgebet. Dies ist eine Verneigung vor der Mensch- werdung Gottes und lädt ein, dankbar und aufmerksam zu sein. Der moderne Mensch Verwandelt Beten? Fragen an Pfarrer Franz Troyer zu seinem neuen Buch „Beten verwandelt“ (Tyrolia Verlag) Pfarre i i -

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