GZ_Kals_2019_10

76 FODN - 72/02/2019 MENSCHEN Um seine -bald in ganz Tirol berühm- ten - Führer zu legitimieren, hat er eine Führerordnung ausgearbeitet, in der Rechte und Pflichten des Bergführers genau festgelegt waren. Vorbild dafür waren nicht zuletzt die entsprechenden Statuten des Schweizer Alpenclubs, die ihm der Schweizer Bergsteiger Johann Jakob Weilenmann, häufiger Gast im Widum von Vent, übersandt hatte. Stüdl übernahm manche Anregung aus Vent, als er in Kals den ersten Füh- rerverein der Ostalpen gründete. Neu an seinem Konzept war die Organisati- on auf der Grundlage von Statuten, die Einrichtung eines Bergführerbüros und die sogenannte "Kehrordnung", die die Reihenfolge, in welcher die Führer be- schäftigt wurden, regelte. Er hatte den Verein bei der K. K. Bezirkshauptmann- schaft in Lienz angemeldet und bewilli- gen lassen. Senn hatte zwar seine Bergführer geschult und organisiert, aber keinen Verein gegründet. Trotz seiner Erfolge konnte er aber nicht verhindern, dass sich auch weniger versierte Bauernbur- schen den Fremden als Führer anboten. Er drängte daher darauf, dass eine - zu- mindest für ganz Tirol - gültige Füh- rerordnung die Richtlinien festsetzen sollte, welche für die Ausübung des Führerberufes maßgebend waren. Er war daher über Stüdls Vorpreschen in Kals „etwas böse“, wie er in seinem Brief vom 4. 11. 1870 schrieb: „Es hatte mich, aufrichtig gestanden, etwas unan- genehm berührt, daß Du eigenmächtig, allein in unserer Führerangelegenheit vorgegangen bist. Unsere gemeinschaft- liche Eingabe sendete ich in der 1. Hälf- te des Juli d. J. an die Statthalterei. ...“ In seinem nächsten Brief vom 23. No- vember 1871 erfahren wir, dass Stüdls Vorbehalte gegen die höheren Instan- zen nicht ganz unbegründet waren und Senn musste für seine Rüge Abbitte leisten. Er schrieb: "... Das Führerwesen ist organisiert! Das klingt schön! Aber bei Gott! In meinen Ohren wie teufli- sche Musik. Hätte ich 1000 der ärgsten Schimpfwörter im Munde. Ich möchte sie alle diesen Schafsköpfen der Bü- reaukratie ins Gesicht schleudern. Wie? Was ist? Wirst Du fragen! Die dümms- ten Teufel sind der Hölle entronnen und sind plötzlich als Statthaltereiräthe, Bezirkshauptmänner und Gemeinde- vorsteher in Tirol aufgetreten, um das Fremdenführerwesen zu organisieren. O mein lieber Freund! Waren doch wir 2 Esel - das ist der richtige Ausdruck - daß wir uns um die Durchsetzung unserer Führerordnung so abgemüht haben! ..." Was war geschehen? Senn musste sich erst "... befleißigen, ruhiger zu werden ...", um dann fortzufahren: " ... Der Bezirkshauptmann von Imst hat, ohne mit Jemanden Rücksprache zu nehmen, ganz einfach an die Bezirks- vorsteher ein Zirkular erlassen, worin er sie auffordert, zum Fremdendienste taugliche Personen namhaft zu machen ... " Und weiter: " ... Die Herren Gemein- devorsteher hefteten eine geschriebene Aufforderung an die schwarze Tafel bei der Kirche an und weiter nichts. Wer sich meldet, ist Fremdenführer. 'Zu dem Geschäft ist ja jeder gut genug'. ..." Schließlich kam es aber zu einer Ver- einbarung zwischen den Behörden und dem Alpenverein. Qualifizierte und ge- schulte Führer sollten von den Sektio- nen namhaft gemacht werden und diese erhielten dann die Zulassung mit dem amtlichen Führerbuch. Die im Wesent- lichen von Senn und Stüdl organisierte Bergführerverordnung erlangte bald in der ganzen Donaumonarchie Gültigkeit und ist heute noch Grundlage für das Österreichische Bergführerwesen. Vent im Ötztal - von Johann Stüdl „Fremdenbuch“ von Franz Senn Einträge im „Fremdenbuch“

RkJQdWJsaXNoZXIy MTUxMzQ3