GZ_Kals_2019_10

46 FODN - 72/02/2019 NATUR & UMWELT Der Brief eines Aostataler Försters, un- terstützt von einem Schweizer Natur- forscher, bewegte 1820 die königliche Akademie der Wissenschaften von Tu- rin schlussendlich zum Handeln und am 21. September 1821 wurden vom Gene- ral-Leutnant des Königreichs Sardini- ens die Gesetzesartikel zum Schutz des Steinbocks im Gebiet des Hauses Savo- yen erlassen. Anfangs mit wenig Erfolg, denn das Aufsichtspersonal war unter- besetzt und die Einheimischen übten die Jagd weiterhin aus. 1856 fiel besagte Re- gion den Jagdrevieren des Königs Vit- torio Emanule II von Sardinien-Piemont zu. Da er weiterhin Steinböcke jagen wollte, formte er eine Gruppe von Wild- hütern, die ausschließlich dem Schutz des Steinwildes unterstellt war. Dass sich darunter viele ehemalige Wilderer wiederfanden war eine bewusst gewähl- te Strategie. Diese Leute kannten die be- vorzugten Einstände und Wechsel des Steinwildes, die heimlichen Pfade der Wilderer und die Gefahren des Hochge- birges. Gleichzeitig waren sie aber nun angesehene Angestellte des Königs und konnten sich dennoch weiterhin ihrer Leidenschaft, dem Steinbock, widmen. Es erscheint paradox, doch es war die Tatsache, dass sich der Steinbock zur bevorzugten Jagdbeute der Könige von Sardinien entwickelt hatte und ehemali- ge Wilderer, die den letzten Steinböcken in den Alpen das Überleben sicherten. Wiederansiedeln – aber wie? Obwohl sich der italienische Bestand erholt hatte, sollte das Steinwild aber exklusive Jagdbeute der italienischen Könige bleiben. Trotz zahlreicher An- fragen war es nicht möglich, Tiere zu erhalten. So griff der Wildpark Peter und Paul in St. Gallen/Schweiz zu ei- ner ungewöhnlichen Maßnahme. Man nahm das Angebot des Wilderers Jo- seph Berard an, Steinwildkitze aus der königlichen Population zu stehlen und über die Grenze zu schmuggeln. Auf diesem Weg gelangten 1906 drei Stein- kitze in die Schweiz und bildeten, wie die über 100 Jungtiere, die noch folgen sollten, den Grundstein für die Wieder- besiedlung der Alpen. In Österreich erfolgte die erste Frei- lassung 1924 im Salzburger Blühnbach- tal. Nach und nach entwickelten sich Interessen, dieses Wild in den verschie- denste Regionen (wieder) heimisch zu machen und so wuchsen auch in Kals Visionen, diese Art zurückzubringen. Geboren wurde die Idee von Rupert Rogl, vlg. Taurer. Pächter der Jagd war damals Josef Holaus, vlg. Christner. Für die Finanzierung der Tiere (eine Geiß kostete umgerechnet knapp 2.000 Euro, Böcke etwa die Hälfte) wurde auf Ab- schüsse verzichtet und diese an Gäste verkauft. Und so war es am 16. Juni 1969 soweit und die ersten vier Tiere Schweizer Herkunft entsprangen im Be- reich der Moa-Alm den Transportkisten. Zu diesem Zeitpunkt kam Steinwild aber schon wieder in den Hohen Tauern vor. Bereits ab 1960 waren Tiere nahe Heiligenblut (Kärnten) sowie 1963 im Obersulzbachtal (Salzburg) ausgesetzt worden. In Kals kamen schlussendlich zwi- schen 1969 und 1975 zwölf Böcke und dreizehn Geißen zur Freilassung. Zu- sätzlich wurden in Osttirol zwischen 1976 und 1999 noch weitere 30 Stück Steinwild in den Gemeindegebieten von Matrei, Prägraten, und St. Jakob ausge- setzt. Wie die Zahlen zeigen, hat sich seit Jahrzehnten eine große zusammen- hängende Population etabliert. So kann man in den Hohen Tauern derzeit von rund 1.100 bis 1.200 Stück Steinwild ausgehen, in Osttirol liegt die Zahl bei etwa 550 bis 600 Tieren. 50 Jahre Steinwild Mit den ersten Freilassungen in Kals wurde auch der Erfahrungsaustausch mit den Zuständigen der umliegenden Gebiete verstärkt. Dieser Austausch findet unter anderem noch alljährlich in Form des länderübergreifenden Stein- wildtages statt, der heuer am 28. Juni im Ködnitzhof auf Einladung des Jagd- vereins Kals am Großglockner stattfand. Vertreter aus den verschiedensten Steinwildregionen berichten dabei über die aktuellen Zahlen in den jeweiligen Gebieten. Neben einem interessanten Fachvortrag von Dr. Christian Messner über die Kolonie im Pitz- und Kauner- tal stand die leider nach wie vor kur- sierende Räude im Mittelpunkt vieler Gespräche. Den Abschluss anlässlich

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