GZ_Sillian_2019_06

BLICK Ein 36 Chronik - Wie es einmal war Vor vielen Jahrzehnten waren in Sillian noch weniger Häuser und auch weniger Einwohner. Am meisten vertreten war der Bauernstand. Es waren auch einige Ge- werbetreibende, deren Meister und Ge- sellen ihr tägliches Brot mit ihrem Hand- werk verdienten. Dazu zählen wir den Schuster, Gärber, Seiler, Sattler, Wagner und Wagenschmied usw. Diese Berufe sind inzwischen ausgestorben. Die Bauern waren Selbstversorger. Viele Güter des alltäglichen Lebens, vor al- lem Lebensmittel und Textilen, wurden noch auf den Höfen selbst hergestellt. Nur wenige Produkte wurden zugekauft. Natürlich war diese Lebensform mit viel händischer, bäuerlicher Arbeit verbun- den. Aber es gab noch mehr Arbeitskräfte in der Landwirtschaft. Angebaut wurden Roggen, Weizen, Gerste, Hafer, Erdäpfel, Rüben, Bohnen, Erbsen, Mohn und Kraut. Im Hausgarten wuchsen Salat, Möhren, Schnittlauch und andere Gewürzkräuter, Kamillen und Pfefferminze. Im Frühjahr und Sommer blühten da auch die Berg- nelken und Floxstauden und im Herbst die Astern. In jedem Bauernhaus stand ein Brot- backofen. Am Brotbacktag wurde dieser mit großen Holzscheitern aufgeheizt. Un- gefähr alle zwei Monate wurde von der Bäuerin - vom eigenen Korn - Brot für alle Hausleute gebacken. Im Sommer ist das neue Brot bald einmal ausgetrock- net und wurde steinhart. Im Winter hatte man ein paar Tage „lindes“ Brot. Dann wurde es auch hart. Mit der Brotgrammel wurde „das Breatl“ zu „Bricke“ – klei- ne Brotstücke – „aufgegrammelt“. Die- se wurden in der Milch oder im Kaffee eingeweicht, oder im Mund mit Speichel vermischt, bis man sie kauen und schlu- cken konnte. Für die Bekleidung wurde jedes Jahr auch Flachs angebaut. Der Flachsacker war ungefähr 150 m 2 groß. Mit dem Flachs waren viele Arbeitsgänge und Handarbeit verbunden, bis das fertige, weiße Leinen im Wäschekasten lag. Nach dem Brecheln wurden die Haarfa- sern noch durch einen Eisenkamm – die Hechel – gezogen. Dabei wurden die groben von den langen Fasern heraus gekämmt. Das war dann „das Werch“. Dieses wurde auch gesponnen und ge- webt. Daraus wurde dann das gröbere Leinen; das war weniger stark und war als „Rupfernes Tuch“ bekannt. Aus die- sem groben Tuch wurden Werktagshem- den für die Männer, Kornsäcke, Strohsä- cke, Heublachen und ähnliches gemacht. Rupfernes Tuch wurde auch gefärbt, z.B. für Sommerhosen und Arbeitsblusen für die Männer. Von den schönen lan- gen Fasern konnte man dünnere Fäden spinnen. Daraus wurde dann auch das schönere und gleichmäßigere harbarne Tuch gewebt. Dieser Leinenstoff wurde für Bettwäsche, Leintücher, Tisch- und Handtücher und auch für Unterwäsche verwendet. Dieser hausgemachte Stoff war sehr stark und dauerhaft. Flachs und die hauseigene Schafwolle spinnen zähl- te zur Winterarbeit der Frauen. Der Weber webte in Heimarbeit den Lodenstoff und das Leinentuch. In den früheren Jahren gab es viele Großfamilien mit 10 – 12 Kindern. Die- se wuchsen einfach und bescheiden auf. Um daheim „aus der Kost zu kommen“, mussten manche Kinder schon im Schul- alter zu einem anderen Bauer als Hirte oder sonst zur schweren bäuerlichen Ar- beit gehen. Unsere Eltern und Großeltern erzählten oft wieviel händische, harte Arbeit auf den Feldern bei der Ernte und auf den Höfen war. Die Jungen von heu- te können sich diese Belastungen nicht mehr vorstellen. Trotz der vielen händi- schen Arbeit gab es während dem Jahre auch noch Bauernfeiertage. Da war als erster der Lichtmesstag, der 2. Feber. Da war der große Dienstbotenwechsel. Die Dienstboten, Knechte und Mägde hatten zu Lichtmess 2 bis 3 Tage frei. Das war der Jahresurlaub für diese dienenden Menschen. Die weiteren Bauernfeiertage waren der Joseftag am 19. März und die Mutter Gottes Festtage: 25. März Maria Verkündigung, 8. September Maria Ge- burt und 8. Dezember Maria Empfängnis; diesen feierte man als den „Hohen Frau- entag im Advent“ und er war für alle Leu- te ein großer kirchlicher Festtag. Am 29. Juni war Peter und Paul, auch Bauern- feiertag. Am Heiligen Abend Nachmittag wurden auch nicht mehr werktägliche Arbeiten verrichtet. Selbstverständlich gingen alle Leute vom Schulkind bis zum noch gehfähigen Greis an Sonn- und Festtagen, sowie auch an diesen Bauernfeiertagen zum Gottesdienst in die Kirche. Mit Gebet und Gottvertrauen überstand man so manche harte Schick- salsschläge und schwere sorgenvolle Zeiten. Der Bau der Pustertalbahn, von 1869 – 1871, war auch für unsere Gegend von wirtschaftlicher Bedeutung. Viele Män- ner bekamen Arbeit beim Bahnbau und haben da auch gut verdient. Zur Arbeit beim Bahnbau wurden vor allem auch die Rossbauern angestellt. Zu den spärli- chen Einnahmen aus der Landwirtschaft und der Viehzucht waren die Rossschich- ten ein willkommener und guter Neben- Wie es einmal war – erzählt von Maria Duracher Quelle: Archiv Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde

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