Seite 24 - Gemeindezeitungen

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10/2013
Vor einiger Zeit habe
ich ein Gedicht gelesen,
in dem hieß es: „Wie
tief kann man sehen.
Menschen gehen -
Menschen kommen“
(Verfasser unbekannt)
Heute würde ich sagen:
Freunde gehen, neue
Freunde kommen...! In
den vergangenen 50
Jahren gab es viele
Veränderungen in mei-
nem Leben. Auch in
meiner alten Heimat,
Thal, ist das Leben nicht spurlos vorbeigegangen. Men-
schen die mir einmal viel bedeuteten und meine “Lebens-
begleiter“ waren, leben nicht mehr, andere sind an ihre
Stelle getreten, darüber bin ich dankbar und froh.
Das Gefühl „Heimat“ durfte ich bei meinem letzten Besuch,
den ich „zi Burga“ verbracht habe, aufs Neue sehr lebendig
und bewusst erleben. Der Besuch war für mich, fast möchte
ich sagen, eine Reise in die Vergangenheit!
In vielen guten Gesprächen und Begegnungen ist mir meine
Heimat aufs Neue lebendig geworden. Das Buch über „Ass-
ling“, das ich mit großem Interesse gelesen habe, hat seinen
Teil dazu getan. An dieser Stelle sage ich der Gemeinde herz-
lichen Dank dafür!
Die Berge in ihrer ganzen Pracht und Vielfalt haben in mir
neue Gefühle von Heimat geweckt. Man muss wohl einige
Zeit weg sein, um ihre Schönheiten neu zu entdecken!
In den vielen Jahren meines „Unterwegsseins“ hat der Alltag
etliche Veränderungen in mein Leben und in den Alltag von
Thal gebracht. Die erste große Veränderung war wohl als ich
1957 die Burger-Familie verlassen habe, um in Innsbruck die
Krankenpflegeausbildung zu beginnen. Mein geheimer
Wunsch war schon damals, einmal in der 3. Welt als Kranken-
schwester zu arbeiten. Als ich mehr durch Zufall (heute sage
ich, es war Gottes Fügung) von der Tiroler Ärztin Dr. Anna
Dengel aus dem Lechtal hörte. Ihre Gemeinschaft hatte gerade
ein neues Haus in Deutschland bezogen. Der Entschluss war
gefasst: Da möchte ich auch hin, obwohl ich keine Idee hatte,
was mich erwarten würde! Im September l96l trat ich dann bei
den Missionsärztlichen Schwesten in Deutschland ein. Mein
Weg führte mich dann nach dem Noviziat zur Hebammen-
Ausbildung nach England
und 1967 endlich nach
Äthiopien, wo ich mithel-
fen durfte, einen leer ste-
henden Steinbau im
wahrsten Sinn des Wortes
zum Leben zu verhelfen,
d.h. zu einem
funktionierenden
Krankenhaus zu
gestalten. Trotz
einer mir fremden
Kultur und einer
neuen
Sprache
fühlte ich mich in
Attat (so der
Name des Kran-
kenhauses) bald
„zu Hause“. Die
neugierige Offen-
heit und Hilfsbe-
reitschaft
der
Menschen, mit der
sie uns „Neuan-
kömmlinge“ will-
kommen geheißen
haben,
war
bestimmt auch ein
Grund dafür. In
ihrer Armut und Einfachheit haben sie uns mit einer Freund-
lichkeit begrüßt, die unsere Herzen ganz schnell höher schla-
gen ließen.
In vieler Hinsicht haben sie uns, für all die Arbeit, die so ein
Neuanfang mit sich bringt, entschädigt. Das nächste Kranken-
haus war 150 km entfernt, das heißt, viele Menschen waren
ohne jegliche medizinische Betreuung, besonders Frauen und
Kinder waren die Leidtragenden Viele Kinder erreichten das
erste Lebensjahr nicht. Viele Väter und jungen Männer hatten
in der entfernten Hauptstatt, Addis Abeba, eine Arbeit gefun-
den oder waren auf Arbeitsuche. Freunde in Deutschland und
aus anderen Teilen der Welt, haben uns tatkräftig unterstützt.
Ohne sie wäre die Arbeit auch heute noch nicht zu bewältigen,
denn Äthiopien ist immer noch eines der ärmsten Länder Afri-
kas.
Bei meiner Rückkehr nach Deutschland im Jahre l98l erwarte-
te mich eine neue Aufgabe. Nur für drei Jahre, (so hatte man
mir damals gesagt), sollte ich eine Mitschwester in der ambu-
lanten Krankenpflege vertreten. Aus diesen drei Jahren sind
inzwischen 30 Jahre (!) geworden; und ich bin noch heute da!
Somit ist Deutschland für mich schon lange zur zweiten Hei-
mat geworden. Meine Erinnerungen an die 14 Jahre in Äthio-
pien trage ich als reichen Schatz in mir. Mein Interesse an
Land und Leuten in Äthiopien ist geblieben und so freue ich
mich auf jeden Besuch von dort, der objektive Informationen
und Neuigkeiten mitbringt. Leider wissen sie oft nicht nur
Gutes zu berichten. Die schwierige politische und wirtschaftli-
che Lage erschwert die Arbeit der Schwestern im Kranken-
haus und hält die Menschen in Armut gefangen. Zum 40.
Jahrestag des Attat-Krankenhauses durfte ich den Baum, der
Heimat neu entdecken - eine kurze Reise zurück
Schwester Erna Stocker-Waldhuber blickt am 80. Geburtstag zurück
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