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LLGEMEIN
Frau Irma Unterweger wurde am
31. Juli 1931 als Tochter der Paula
Klocker, Tochter beim Huber in Lavant
geboren. Sie erblickte das Licht der
Welt in einer Zeit, in der unverheiratete
Mütter
mit
Unverständnis
und
Argwohn betrachtet und behandelt
wurden, in der uneheliche Kinder
benachteiligt und stigmatisiert waren.
Für Irma begann nach ihrer Geburt
eine kleine Odyssee
bis sie von einer
wohlmeinenden und großzügigen Nachbarin, Frau Amalie
Baumgartner, der Hanslerbäuerin in Lavant, als ihre Ziehtochter
aufgenommen wurde. Frau Amalie Baumgartner war selbst früh
verwitwet und hatte als wohlhabende Bäuerin bereits eine ältere
Ziehtochter im Hause. Im gemeinsamen Haushalt lebte auch die
Schwester der Hanslerbäuerin, Frau Theresia Anether, die in
der Erziehung und in der Herzensbildung der kleinen Irma eine
wesentliche Rolle spielen sollte. Frau Amalie Baumgartner und
ihre Schwester waren beide überdurchschnittlich gebildet und
hatten die landwirtschaftliche Schule in Rotholz besucht, was für
die damalige Zeit eine Seltenheit war. So wuchs Irma in einem
Haushalt auf, in dem die Frauen das Sagen hatten und in dem
Bildung und Wissen einen hohen Stellenwert hatte.
Irma absolvierte die Volksschule in Lavant, die sich damals
gegenüber ihrem Geburtshaus befand. Aufgrund ihrer Leistungen
und der finanziellen Möglichkeiten ihrer Ziehmutter Amalie
Baumgartner sowie deren Anregungen, besuchte Irma die
Hauptschule in Lienz – auch das damals für Mädchen keine
alltägliche Angelegenheit. Der tägliche Schulweg von Lavant
nach Lienz wurde mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt,
wenn die Fahrbahnverhältnisse gar zu widrig waren. Amalie
Baumgartner-Vallazza ermöglichte Irma den Besuch der
damaligen Lehrerbildungsanstalt in Sooß bei Melk, wo sie das
mehrjährige Internatmit Erfolg besuchte.Aus dieser Zeit stammen
auch tiefe und enge Freundschaften mit Mitschülerinnen, die im
gesamten Bundesgebiet als Lehrerinnen tätig waren.
Nach erfolgreicher Absolvierung der Lehrerausbildung und
Praktika bei Osttiroler Bauern hielt Irma Näh- und Kochkurse
in zahlreichen Osttiroler Gemeinden ab, während sie an der
landwirtschaftlichen Lehranstalt in Lienz unterrichtete.
Die Verbesserung auch der wirtschaftlichen Verhältnisse
ermöglichte den Kontakt zur leiblichen Mutter und
ihren drei Halbschwestern, der bis zuletzt aufrecht war.
Im Jahre 1957 heiratete sie Albert Unterweger, damals auf dem
Weg zum Bezirksparteisekretär der ÖVP. 1958 wurde ihr Sohn,
Sepp, geboren. Die Familie wohnte zuerst in Lienz und zog dann
im Jahre 1960 in die Alte Schule in Thurn, damals Thurn 1.
Irma Unterweger zog einen Gemischtwarenhandel auf.
Geschäftsraum war das ehemalige Klassenzimmer der
Volksschule Thurn. Neu an diesem Gemischtwarenhandel war
die Einführung der Selbstbedienung. Thurn hatte damals zwei
Lebensmittelläden.
Der beginnende Fremdenverkehr bestärkte Irma darin, das „Alte
Schulhaus“ zu renovieren und einen Zubau insbesondere für
Fremdenzimmer zu schaffen. Aus dieser Vermietungstätigkeit
sind ihr viele Gäste zu Freunden geworden, mit denen sie bis
zuletzt Briefkontakt gehalten hat. Diese Jahre der Veränderung
brachten auch die Scheidung, die Irma nicht leicht gefallen ist.
Auch in dieser Hinsicht war sie Pionierin.
Das Aufkommen von großen Supermärkten, die sinkende
Rentabilität im Kleinhandel und der Wechsel ihres Sohnes
Sepp von der Volksschule ins Gymnasium bewog Irma, dass sie
sich neu erfand und sich neue Aufgaben suchte. In intensiven
Wochend- und Abendkursen qualifizierte sie sich ein weiteres
Mal, unterrichtete an der Volksschule Dölsach und übernahm
die ersten Jahrgänge des Polytechnischen Lehrgangs in Lienz,
um dann später an den Polytechnischen Lehrgang Matrei zu
wechseln.
Irma liebte Kinder und war - wohl auch aufgrund ihrer eigenen
schwierigen Kindheit – stets bemüht, Kindern nicht nur
Unterhaltung, sondern auch Bildung und Wärme zu bieten.
Bereits als junge Landwirtschaftslehrerin war sie Patin. Sie hatte
imLaufe ihres Lebens zahlreiche Patenschaften übernommen und
freute sich über die Erfolge und Entwicklung Ihrer Patenkinder.
Dabei hatte sie wohl auch ihre eigene, sehr verehrte Ziehmutter
FrauAmalie Baumgartner- Vallazza und ihre Patin, Frau Theresia
Anether im Auge.
Schon in den 1950er Jahren hat Irma den Führerschein
erworben. Für eine Frau damals eine ausgesprochene Rarität.
Diesen Führerschein nutzte sie nicht nur zum Betrieb ihres
Gemischtwarenhandels, sondern auch dazu Thurner Kinder in
Schwimmkurse zu bringen, zum Kindertheater auszuführen
oder ins Kino zu chauffieren. Ebenso wurden Ausflüge etwa
nach Obermauern zur Besichtigung der Fresken, aber auch nach
Innsbruck, Spittal, Villach oder Heiligenblut durchgeführt. Der
häufig total überbesetzte Renault, stets unfallfrei - aber nicht
immer unauffällig - gelenkt, hat wohl eine Generation von
Thurner Kindern begleitet.
Irma war sehr kulturinteressiert. Sie las viel, hatte
mehrere Tageszeitungen abonniert und verfügte über ein
Theaterabonnement des Stadttheaters Lienz, solange sie noch
mobil war. Ihre Wienbesuche waren stets mit dem Besuch eines
Musicals oder eines Theaterabends verbunden.
Ihre Interessen und ihre Neugier führten Irma auf zahlreiche
Reisen, darunter nach China und Mexiko, aber schon in jungen
Jahren mit ihrem Mann Albert und den Schwiegereltern nach
Lourdes oder mit ihrem Sohn in dessen Volksschulalter nach
Venedig, Triest, aber auch Siena und Florenz.
Irma legte Wert auf Bücher. Ihre Bibliothek ist umfangreich
und weist neben den Schwerpunkten Blumen und Pflanzen
sowie Kulturen insbesondere auch einen Schwerpunkt
mittelhochdeutsche Sprache sowie deutscher Literatur der
Zwischenkriegszeit auf.
Irma hatte ein Herz für schutzbedürftige Tiere und konnte
ohne weiters einen verletzten jungen Steinmarder oder eine
Streunerkatze adoptieren. Ihr Wissen im Bereich der Botanik
insbesondere der einheimischen Blumen und Pflanzen war
gleichermaßen weitreichend wie fundiert. Irma hatte einen
grünen Daumen und ließ bereitwillig an ihrem Wissen teilhaben.
Sie liebte es zu diskutieren und mit Rat und Tat zur Seite zu
stehen. Ihre klare und eindeutige Meinung, die nicht immer
diplomatisch geäußert werden musste, kennzeichnete sie ebenso
wie ihre Offenheit und ihr Wohlwollen.
In einer Zeit geboren, in der unverheiratete Mütter Schikanen
erleben mussten und schwer benachteiligt wurden und in
denen sogar deren Kinder stigmatisiert und herabgesetzt
wurden, erlebte sie in ihrem letzten Lebensabschnitt die
Erinnerungen an
Frau Irma Unterweger