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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
62. Jahrgang — Nummer 2
ausgegeben und verlegt vom Cäcilienver-
ein der Diözese Brixen in der Bistums-
stadt, später im Reformzentrum Regens-
burg, ist weitgehend vorhanden. Bei
zahlreichen Drucken des 19. wie des 20.
Jahrhunderts fällt auf, daß neben dem
Chor und der Orgel höchstens vereinzelt
Bläser eingesetzt wurden, daß das Materi-
al für den Chor wiederholt für gleiche
Stimmen, nur zwei- oder dreistimmig,
„leicht“ bis „sehr leicht“ oder „für das Re-
pertoir(e) schwacher Kirchenchöre“ ist.
Folglich dürfte es um die Kirchenmusik in
Sillian nicht immer zum Besten gestanden
haben.
Von etwa 1900 bis 1910 wurden viele
der Drucke mit handschriftlichen Um-
schlägen versehen und „A. W.“ signiert.
Hinter diesen Initialen verbirgt sich mög-
licherweise der Chorleiter und (bzw. oder)
Organist. Hat er einen Teil des Notenver-
lustes mitzuverantworten? Ihm schienen
um 1900 seiner Anmerkung nach Marien-
lieder von Arsenius Niedrist und Josef
Gregor Zangl in einer Handschrift um
1910 bereits als „alt“! Etliche Drucke hat
um 1905 der k. k. Bezirksrichter Caesar
Questinghel dem Pfarrchor Sillian zuge-
eignet; dies zeigen entsprechende Wid-
mungsvermerke. 1903 verehrten die
Primizianten Kraler und Wierer anläßlich
ihrer Primiz dem Pfarrchor den Druck von
Vinzenz Gollers Messe op. 8, 1913
schenkte der Lehrer Josef Riedler aus dem
benachbarten Panzendorf den Druck von
Peter Griesbachers Opus 69 der „Kirche
Sillian“. Mitterers Requiem op. 69 (Re-
gensburg: Coppenrath o. J. 676) aus dem
Besitz des Sillianer Lehrers Franz
Schwab ging durch „Frl. Schwab“, viel-
leicht seine Tochter, in das „Eigentum der
Kirche“ über.
Auf Drucken des 19. Jahrhunderts finden
sich neben dem Stempel „Kirchenchor Sil-
lian“ an Besitzvermerken weiters: „Thomas
Innerhofer Organist“, „Eigentum Viktor
Wanner“ und Dekan Hanser, Sillian, auf
Drucken des 20. Jahrhunderts: „Viktor
Wanner/Oberlehrer/Sillian,
Ost-
tirol“ (Stempel), „Eigenthum des Franz
Schwab Lehrer“, „Oberlehrer Kirchmair“,
„J. Kirchmair“, „Pfarrarchiv Sillian“
(Stempel), auf einer Handschrift des 20.
Jahrhunderts „gehört Thomas Innerhofer“.
Zugänge aus anderen Beständen, d. h.
wohl nicht mehr zurückgestellte Auslei-
hen, kommen aus „Flaurling“, vermutlich
der Pfarrkirche, vom „Sängerbund
Sillian“, mit der Inventarnummer 34,
einem Hinweis, daß auch hier ein Noten-
archiv vvorhanden war und noch sein
könnte, vom „Kath. Arbeiterverein für
Sillian und Umgebung“ – dieser pflegte
demnach Chorgesang – und vom „Chor
des F. B. Vincentinum“ in Brixen, das
vielleicht für jemanden aus Sillian Aus-
bildungsstätte war.
Die ältesten vorhandenen – vier – Hand-
schriften aus den Jahren ca. 1890 bis ca.
1900 enthalten liturgische Gesänge der Ti-
roler Komponisten Arsenius Niedrist und
Josef Gregor Zangl, der deutschen Cäcili-
aner Bernhard Kothe, Franz Xaver Witt u.
a., ihres Idols Giovanni Pierluigi Palestrina
und Männerchöre von Konrad Kreutzer.
Unter den Handschriften des 20. Jahr-
hunderts finden sich zwei Josefslieder und
ein Predigtlied für Männerchor a cappella
des Sillianer Lehrers Viktor Wanner, da-
tiert 1940 und wahrscheinlich autograph.
Eine handschriftliche Partitur, bezeichnet
als „Stimmenblatt“, zu einem „Graduale“
von Altenhofer („Sempiterni fons amoris“)
für gemischten Doppelchor trägt den
Schreibervermerk: „Kals V. (19) 32. JO“.
„JO“ ist außer Hans Bodner (ebenfalls 20.
Jahrhundert) der einzig namentlich ge-
nannte Kopist des Bestandes.
Drei Drucke aus dem 19. Jahrhundert
sind wegen ihres spezifischen Tirolbezugs
erwähnenswert: „4 Herz-Jesu-Lieder für
gemischten Chor und Orgel“ von Vinzenz
Goller „Lehrer" „im Verlag des Pfarramtes
St. Jacob in Defereggen, Tirol“, Opus 41
für drei gleiche Stimmen, einstimmigen
Chor (vgl. o.) oder gemischten Chor und
Orgel von Jakob Blied (Ratisbonae (etc.):
Pustet 1882) mit einer gedruckten Wid-
mung: „Dem Pfarrchore Silian. Meinem
verehrten Lehrer …Conrad Schumacher
zugeeignet“ und Josef Leiters Requiem
op. 9, erschienen bei J. Feuerstein in Be-
zau/Vorarlberg, gewidmet Karl Graf von
Wolkenstein Freiherrn zu Rodenegg, Sa-
legg und Hauenstein.
Ansonsten kommen die Musikdrucke,
denen meist handschriftliche Stimmen bei-
liegen, im 19. Jahrhundert wie üblich aus
Augsburg, Brixen (Weger), Furth bei
Landshut („Offizium des kath. Chor-
regenten…“ von Oberlehrer Josef Lindor-
fer im Eigenverlag), Gmunden/OÖ,
Innsbruck (Gross), Würzburg; im 20. Jahr-
hundert aus Augsburg, Düsseldorf, Inns-
bruck (Gross, Rauch), Köln, Leobschütz,
München, Prag, Regensburg, Trier, Zie-
genhals/ Schlesien. Fragmente eines
Preiscourants des Blasinstrumentenher-
stellers Anton Hüller in Graslitz wurden
bei zwei Schöpf-Drucken zum Ausbessern
der Umschläge aufgeklebt. Dies deutet er-
neut auf die Verberitung böhmischer Bla-
sinstrumente in Tirol um die Jahrhundert-
wende hin.
In den sechziger und siebziger Jahren
des 19. Jahrhunderts wurden in Tirol an
vielen Orten Cäcilienvereine gegründet,
die sich vehement die Erneuerung der Kir-
chenmusik im Geiste einer erhabenen
Liturgie zum Ziel setzten. Für Sililan –
Lienz existierte ein eigener Cäcilienverein.
Über ihn wird z. B. 1876 in der deutschen
Zeitschrift „Musica sacra“ dem Publika-
tionsorgan der Cäcilianer, berichtet: „Der
Verein besitzt vorzügliche und thätige
Kräfte…“.
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Im Sinne der Reformer findet
diese Aussage noch heute ihre Bestäti-
gung, als es in Sillian offensichtlich ge-
lungen ist, das Kirchenmusikrepertoire
umzustellen, im wesentlichen auf stili-
stisch als „würdig“ angesehene Werke
tirolischer und deutscher Cäcilianer. Die
folgende Liste der im Sillianer Notenbe-
stand vertretenen Komponisten vermag
dies klarzulegen.
Autoren in Musikhandschriften vom
Ende des 19. Jahrhunderts, um 1900:
Kreutzer, Konrad; Niedrist, Arsenius
OFM; Zangl, Josef Gregor.
Autoren in Musikhandschriften
des 20. Jahrhunderts:
Altenhofer; Brosig, Moritz; Descher-
meier, Josef; Goller, Vinzenz; Haller
Michael; Koch, Karl; Ortwein, Magnus,
OSB; Pirker, Georg; Santner, Karl; Singer,
Peter OFM; Thalmann, Anton Peter Paul;
Völgyfy, Hans; Wanner, Viktor; War-
scher, Alfons; Zangl, Josef Gregor.
Autoren in Musikdrucken des
19. Jahrhunderts:
Arnfelser, Franz; Blied, Jakob; Bühler,
Franz; Engl, Bernardin OFM; Goller,
Vinzenz; Habert, Johann Evangelist;
Höllwarth, Johann; Hosp, Johann; Joos,
Oswald; Kirms, Ferdinand; Leiter, Josef;
Lutz, Josef Fidelis Sebastian; Mitterer,
Ignaz Martin; Molitor, Johann Baptist;
Moll, Franz; Nagiller, Matthäus; Niedrist,
Arsenius OFM; Obersteiner, Johann;
Pegger, Josef; Renner, Josef sen.; Rieder,
Alois; Schildknecht, Josef; Schottenham-
mel, Johann Baptist; Seyler, Karl; Witt,
Franz Xaver; Zangl, Josef Gregor; Ano-
nyma, Sammlungen.
Autoren in Musikdrucken
des 20. Jahrhunderts:
Auer, Josef; Bauer, Josef; Bauer, Mi-
chael; Baur, Sebastian; Benkert, Lorenz;
Biedermann, Hans Brücklmayer, Franz
Xaver; Brunner, Eduard; Cluesmann,
Ferdinand; Dantonello, Josef; Dachs, Mi-
chael; Deigendesch, Karl; Deschermeier,
Josef; Dietrich, Josef Heinrich; Eberle, K.;
Ebner, Ludwig; Edenhofer, Alois; Engel-
hart, Franz Xaver; Ett, Caspar; Faist, An-
ton; Filke, Max; Fischer, Michael Gott-
hardt; Glickh, Rudolf; Goller, Vinzenz;
Griesbacher, Peter; Groiss, Josef; Gruber,
Josef; Güttler, Josef; Guilmant, Alexandre;
Haller, Michael; Hanisch, Josef; Hohner-
lein, Max; Huber, Heinrich; Jaspers,
Karl; Kagerer, Christoph Lorenz; Kalt-
schmid, Georg; Koenen, Friedrich; Kothe,
Alois; Kronsteiner, Hermann; Leitner,
Karl August; Lemacher, Heinrich; Lin-
dorfer, Josef; Lipp, Alban; Menzler, A.;
Meuerer, Johannes; Mitterer, Ignaz Mar-
tin; Mitterwallner, Franz Xaver; Pembaur,
Josef sen.; Pembaur, Karl; Piel, Peter; Rei-
mann, Franz; Renner, Josef jun.; Rihovs-
ky, Adalbert; Rutz, Benno CRSA; Santner,
Karl; Schaller, Ferdinand; Schiffels, Josef;
Schmid, Josef; Schmidhuber, Josef;
Schöpf, Franz; Scholz, Karl; Schuh, Jo-
hannes; Schweitzer, Karl; Sephner, O.;
Singenberger, Johannes; Springer, Max;
Stein, Josef; Weber, Georg Viktor;
Welcker, Max; Witt, Franz Xaver; Zahl-
fleisch, Gregor Magnus OFM; Ziegel-
meier, Martin; Anonyma, Sammlungen.
Anmerkungen:
1) Hildegard Herrmann-Schneider, Die Musikhand-
schriften der Pfarrkirche und der Musikkapelle Vils.
Thematischer Katalog (=Beiträge zur Musikfor-
schung in Tirol, Bd. 2), Innsbruck 1993; vgl. Ursu-
la Strohal, Blatt für Blatt Tirols Musikgeheimnisse
erkunden, in: Tiroler Tageszeitung vom 29. Feber
1993, Nr. 276, S. 4.
2) Musica sacra, Jg. 9, 1876, S. 64.– Präses war 1876
Pfarrer A. Wibmer aus Anras. Der Verein zählte da-
mals 27 Mitglieder und unterhielt Gesangschulen
(„und zwar recht eifrige“) in Anras, Außervillgraten,
Dölsach, Hollbruck, Lienz und Luggau, meist unter
Leitung der Geistlichkeit.