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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
62. Jahrgang — Nummer 3
monie obliegt dem Helenenmesner, und sie
hat sich im wesentlichen bis heute erhalten:
Zuerst wird der „Psalter“ gebetet. Voraus
der Freudenreiche, dann der Schmerzhafte
Rosenkranz; nun deckt der Mesner den
Leichnam Jesu im barocken Ostergrab vor
den Altarstufen mit einem Leinen zu, holt
aus der Sakristei den Auferstandenen, trägt
ihn dreimal im Uhrzeigersinn um Grab und
Altar und stellt ihn letztlich mit dem Ruf
„Christus ist erstanden!“ auf das Grab. Die
Anwesenden singen das Osterlied und
beten anschließend mit dem Glorreichen
Rosenkranz den Psalter zu Ende.
Das Gebet hat kaum geendet, drängen
Jugend und Erwachsene aus der Kirche,
Um in der Vorlabe ein „Helenenlaibchen“
zu ergattern. Es ist ein Gerangel!
2. Die Brotgabe dürfte einst Bedürftigen
zugedacht gewesen sein. Über den Wer-
degang der Laibchen hat sich nachfol-
gendes mündlich überliefert, wobei ver-
merkt werden muß, daß die Aussagen der
Informanten, soweit sie zeitliche Abfolgen
betreffen, nicht immer übereinstimmen.
Zur Kornspende waren die Höfe entlang
des Zauchenbaches und im Oberdorf ver-
pflichtet. Der Helenenmesner sammelte in
der Fastenzeit das Korn. Die zu spendende
Menge war nicht festgelegt. Viele Jahre
wurde das Korn beim Egger gemahlen,
aber auch Bartler und Unterweger hatten
sich der Arbeit angenommen. Ab 1965
stellte man das Mehl bei, und ab 1981/82
sponsert es die Genossenschaftsmühle,
bzw. die Landwirtschaftliche Genossen-
schaft Lienz. Die Brote wurden gebacken
bei Rohracher/Kammerlander, Unterfeld-
ner/Unterthaler, Possenig/Bartler, Gander/
Egger. Von 1974 bis 1976 teilten sich die
Höfe in der Prappernitze und Unterthaler
die Arbeit. Mesner Alois Possenig/Bartler
bat dann den Bäckermeister Gliber in Lienz
um das Backen. Seither leistet die Bäckerei
Gliber unentgeltlich die Arbeit.
300 bis 350 Laibchen wurden ursprüng-
lich gebacken und von Männern in der
Prappernitze in Körben hinaufgetragen.
Als die Laibchenzahl jährlich erhöht wer-
den mußte – es gingen immer Besucher
leer aus – spannte der Mesner das Roß ein,
und ab den achtziger Jahren übernahm die
Jungbauernschaft den Transport mit dem
Traktor. Ostern 1993 wurden rund 700
Brote verteilt. An dieser Stelle soll aner-
kennend festgehalten werden: Der Lienzer
Sängerbund gestaltet seit 1960 die Aufer-
stehung in der Helenenkirche mit und
machte sie im Laufe der Jahre zu einem
beliebten „Ostergang“. (1972 drehte das
Fernsehen eine Reportage, die auch aus-
gestrahlt wurde.)
3. Die „Helenenmesner“ – Seit dem aus-
gehenden 18. Jahrhundert sind bis 1913
die Thurner Lehrer (Schulleiter) als Mes-
ner in St. Nikolaus und St. Helena nach-
weisbar. Die Entlohnung erfolgte bis zum
Ersten Weltkrieg nach festgelegter Dotie-
rung und war das wesentliche Einkommen
der Lehrer. Später sammelte der Mesner
bei den Anrainern des Zauchenbaches und
im Oberdorf, und die Kollekte beim
Bittgang am Dreifaltigkeitssonntag (um
12 Uhr) gehörte ebenso dem Mesner. Seit
einigen Jahren zahlt die Pfarre Oberlienz
S 1.000,–.
-1782 Mathias Weber, vlg. Possenig
1782-1789 Mathias Gander
1789-1824 Josef Possenig, vlg. Jager Josl
1824-1827 Josef Kofler
1827-1857 Andreas Gander
1857-1894 Alois Gander (Sohn!)
1894-1903 Josef Mair
1903-1908 Johann Gasser
1908-1913 Hermann Bürgler
1914-1956 Josef Mittig, vlg. Egger Mit-
tig (Knecht beim Egger)
1956-1986 Alois Possenig, vlg. Bartler
1986-
Andreas Possenig, Sohn
Dem Unterthalerbauer (Unterfeldner) in
Oberdorf oblag lange Zeit das Kirchen-
probstamt mit der Vermögensverwal-
tung. St. Helena war eine reiche Kirche.
4. Folgende Kreuzgänge wurden 1992
noch gehalten: Auferstehung am Kar-
samstag (kein Kreuzgang!):
3. Mai, Kreuzgang mit Messe (Kreuz-
auffindung); 15. Juni, Kreuzgang mit
Messe (Veitstag); 2. Juli, Kreuzgang und
Wettermesse (mit 4 Evangelien); 22. Juli,
Patrozinium, Kreuzgang und Messe; 14.
September, Kreuzgang mit Messe
(Kreuzerhöhung).
Die vier Bittgänge um 12 Uhr (Dreifal-
tigkeitssonntag, Peter und Paul und an den
zwei folgenden Sonntagen) unterbleiben
seit mehreren Jahren mangels Teilneh-
mern.
Quellen und Urkunden:
Turmknaufurkunde von St. Helena,
1988.
Berichte im OB. Nr. 12, Seite 3, vom
20.3.1975 und Nr. 51, Seite 15, vom
18.12.1986.
Wilfried Beimrohr, Thurn (= Ortschro-
niken 45), Innsbruck 1984.
Belegsammlung von Peter Lobenwein,
Oberlienz.
Recherchen von Siegmund Unterweger,
Gespräche mit älteren Thurnern, die es
wissen müßten.
Im Anschluß an die Auferstehungsfeier werden an Jung und Alt Brotlaibchen verteilt.
Foto: Hans Kurzthaler