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Metzgers ausübte, im Besitz des Hauses.
Seine Frau verkaufte das Anwesen im Jah-
re 1872 an den Schlossermeister Anton
Idl. Bis in das Jahr 1901 blieb Idl im Be-
sitz des Hauses. Am 13. Feber des Jahres
wurde dann der Kaufvertrag mit dem
Schuster Straganz unterzeichnet. Nach
dessen Tod erbte auf alle Fälle seine Toch-
ter Kreszenzia, die den Maler Wiesenthei-
ner heiratete, das Anwesen.
Dieser Maler Wiesentheiner scheint aber
nebenbei noch einen anderen Beruf aus-
geübt zu haben. Bei der archäologischen
Untersuchung vor dem Abriß des Gebäu-
des konnte auch Quecksilber gefunden
werden. Es stellte sich bald heraus, daß
dies ein Hinweis auf einen Goldschmied
sein mußte, da bei der Feuervergoldung
der Goldstaub mit Quecksilber vermischt
wurde. Beim Erhitzen verflog dann das
Quecksilber wieder, sodaß nur eine dünne
Goldschicht zurückblieb. Weiters stellte
sich dann auch heraus, daß dieser Gold-
schmied nur der Maler Wiesentheiner ge-
wesen sein konnte.
Am 4. April 1906 trat Kreszenzia Wie-
sentheiner ihr Erbe an.
Aus dem Jahre 1936 findet sich die end-
gültig letzte Mitteilung über die Besitzer
des Hauses in den Oberforcher Regesten
(Schloß Bruck). In der Eintragung aus die-
sem Jahr heißt es, daß „heute“ der Maler
Wiesentheiner der Inhaber ist.
Die Wiesentheiner waren die letzten, die
das Haus auch bewohnten. Deshalb wurde
ihm der Name Wiesentheinerhaus gege-
ben. Nach dem Tod von Kreszenzia Wie-
sentheiner im Jahre 1972 ging das Haus an
die Pfarrkirche St. Andrä.
Am 1. Februar 1974 kaufte der Autorei-
sen- und Taxiunternehmer Herr Roman
Bundschuh von der Pfarre das Wohnhaus
Hauptplatz Nr. 4. Zu dieser Zeit war das
Haus bereits nicht mehr bewohnt.
Nur die Räume im Erdgeschoß waren
noch an eine Bäckerei und an ein Reise-
büro, teils als Geschäfts-, teils als Lager-
räume, vermietet (s. Abb. 7).
Auf Grund des schlechten Zustandes
kam eine Vermietung der oberen Stock-
werke auch gar nicht mehr in Frage. Damit
war das Ende des Wiesen-theinerhauses
praktisch schon besiegelt.
In Folge eines Streites zwischen einem
der Mieter, dem Reisebüro Alpenland, und
dem Eigentümer, der das Haus abreißen
lassen wollte, kam es zu mehreren Gut-
achten über die Beschädigung des Hauses
und die Gefährdung der öffentlichen Si-
cherheit wegen der Baufälligkeit des Ge-
bäudes. Dabei wurde festgestellt, daß im
Holzdachstuhl ein enormes Pilzwachstum
zu einer Zerstörung des Holzes geführt
hatte, sämtliche Balken durch Fäulnis be-
schädigt waren und die provisorische Un-
terstützung sehr mangelhaft war.
Auch übernahmen die Decken die Auf-
gabe der Verschließung des Gebäudes
nicht mehr, und bei einem Einsturz des
Dachstuhles hätten sie der Belastung nicht
standhalten können. Ein großer Risiko-
faktor wurde auch in den schadhaften,
überhängenden Dachblechen an der
Nordseite gesehen (s. Abb. 8).
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Im Rahmen eines weiteren Gutachtens
über das Wiesentheinerhaus wurden noch
andere Mängel, wie das Fehlen einer Hei-
zung, die Veralterung der Elektroinstalla-
tion und der schlechte Zustand des Trep-
pengebäudes festgestellt und nebenbei die
Kosten für eine Bauschädenbehebung er-
mittelt. Der Annäherungswert – er betrug
2,295.100 S – machte dann auch klar,
wieso sich der Besitzer Bundschuh gegen
eine Sanierung und einen eventuellen Um-
bau ausgesprochen hatte.
Das abbruchreife Haus wurde im Früh-
jahr 1992 von der Firma Bundschuh Rei-
sen GesmbH an die Hypo Rent-Liegen-
schaftsanlagen-GmbH verkauft. Einem
Abbruchauftrag der Stadtgemeinde fol-
gend, sorgte diese dann im November
1992 für den Abriß des Wiesentheiner-
hauses. Im Jahr 1993 schrieb die Hypo-
Bank einen Architektenwettbewerb zur Er-
richtung eines Bankgebäudes auf der Lie-
genschaft aus. Dieser wurde vom Lienzer
Architekten Abraham, der gegenwärtig in
New York lebt, gewonnen. Der Plan sieht
die Errichtung einer Bank mit einer unge-
fähren Nutzfläche von 650 qm vor. Die
Arbeiten zur Errichtung des Gebäudes sol-
len noch 1995 in Angriff genommen wer-
den. Nach der Fertigstellung soll dann die
Filiale Lienz der Hypo-Bank aus dem jet-
zigen Bau ausziehen und ins „Abraham“-
Gebäude übersiedeln.
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Anmerkungen:
14 Auszug aus OReg: Röschenhaus, o.O.
15 Pizzinini, Meinrad: Das große Stadtbuch, a.a.O., S. 201
16 Auszug OReg: Röschenhaus
17 Hauser, Walter: a.a.O., s.69
18 Auszug aus OReg: Röschenhaus
19 Stadtamt Lienz: Gutachten über vorhandene Standsi-
cherheit Objekt: Geschäfts- und Wohnhaus, Hauptplatz
Nr.4, 17. 2. 1989
20 Aus einem Gespräch mit dem Filialleiter der Hypo-
Bank Lienz, Mag. Kurt Wallensteiner, vom 25. Jänner
1994.
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
Nummer 3 — 63. Jahrgang
Abb. 7: Das im Jahr 1992 abgerissene Wiesentheiner-Haus am Lienzer Hauptplatz (Nr. 4).
Abb. 8: Nordseite (Rückseite) des Wiesentheiner-Hauses.
Fotos: Harald Stadler
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